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Komm! Ins Offene haus für poesie
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Kritik

"Prinz Talal auf seinem Pfau"

"Glossar des Prinzen" von Volker Sielaff ist ein artistischer, virtuoser, selbstverliebter Gedichtband. Schön.
Hamburg

Eine Frage, die sich mir angesichts von "Glossar des Prinzen" explizit nicht aufdrängt, ist die, "ob das heute noch geht", was Sielaff tut: En gros Anleihen bei Rilke, Goethe, George nehmen; hermetisch schreiben als Rätselspiel; Gedichte als Wunderkammern ausstaffieren. Natürlich "geht das". Warum auch nicht?

Besonders bemerkenswert sind die ersten dreizehn Gedichte - "Die 13 Lieder des Prinzen". Sie sind das aber nicht, weil sie besonders gelungen wären. Das sind sie nur zum Teil. Ja, einige einzelne Zeilen hier sind sogar mit dermaßen hölzernen Binnenreimen verschraubt, dass wir fast nur von absichtsvollen Anklängen an Selbstparodie ausgehen können - die dann allerdings auch gelungen wäre und sich wohl besonders beim mündlichen Vortrag erschließt. Diese dreizehn Gedichte sind vielmehr bemerkenswert, weil sie in Gestus, Motiven, Detailformen nochmal viel weiter in der Literaturgeschichte zurückgreifen als bloß bis zur deutschen Klassik: Tendenziell erotische Liebesgedichte, die als ernstlich metaphysische Gleichnisse dienen, vorgebracht in einem ausgesucht kunsthaften, ausgestellt kunstfertigen Ton ... kurz: Sielaff eröffnet "Glossar des Prinzen" damit, sich weniger als Minnesänger, eher als okzitanischer Trobador zu verkleiden, der nicht so sehr eine reale Geliebte an- und be-singt, als vielmehr Bedingungen für das Gelingen einer idealen Liebschaft formuliert. Wie wir noch aus unseren Studien der Literaturgeschichte wissen, wurde in diesen "Liedern" stets auch der Klassenstandpunkt des selbstbewusst-aufmüpfig gewordenen Kleinadels formuliert, der da ungefähr lautete: "He, verehrter Lehensherr! Wir übernehmen dann mal die verfeinerte Nabelschau stellvertretend für die ganze Gesellschaft, weil sonst eh keiner Zeit dafür hat. Das sei nun unsere Existenzberechtigung, also: Wo bleibt das Lehen?" (Respektive, so dürfen wir schmunzeln, gewendet für das einundzwanzigste Jahrhundert: "... das Stipendium?")

Mit diesem Anfang ist ein Programm formuliert: Sielaff will aus dem Vollen der verschiedenen poetischen Traditionen schöpfen, inszeniert sich als Jongleur (auch so eine Bezeichnung aus dem Glossar der realen okzitanischen Prinzen um 1200: "joglar", das war der Spielmann, der die Lieder der Trobadors begleitete und gelegentlich selbst sang) und als Feinschmecker der gesuchten Formen. Der Rest von "Glossar des Prinzen" arbeitet dieses Programm nach ganz unterschiedlichen Richtungen hin aus (siehe oben: Rilke etc. pp.).

Sielaff stellt sich dabei vor folgende Herausforderung: Wie lässt sich einerseits diese seine fast schon trotzig-narzisstische l'art-pour-l'art-Haltung, oder besser, -Stimmung aufrechterhalten, dabei aber trotzdem innerhalb der Gebilde so etwas wie Argumente für die Richtigkeit des Programms, für die Zeitgemässheit der poetischen Artistik vorbringen? Die Antwort auf diese Frage ist für sich nicht weiter überraschend - man mache eben erstens zeitbezogenes Personal und Vokabular zu Gegenstand der, wie das Programm will, nur scheinbar unzeitgemäßen Form; zweitens betreibe man parallel Namedropping aus dem Fundus der  Kulturgeschichte und Philosophie, was das Zeug hält; was schon für den so ganz anders operierenden Trobador-Fan Ezra Pound recht war, kann für Sielaff nur billig sein. Dieses Verfahren tendiert hier leider dazu, stets auf eine Gegenüberstellung nach dem - äh - unmaterialistischen Muster "Transzendierung des immanenten Motivs durch formale Verknüpfung mit himmlischem Geistesheroen" hinauszulaufen. Allein: Von der Warte des poetischen Aristo-Artisten aus ist das schon o.k. - die meisten der Texte "funktionieren".

Volker Sielaff
Glossar des Prinzen
Luxbooks
2015 · 120 Seiten · 19,80 Euro
ISBN:
978-3-945550-10-6

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