Die japanische Biene
Enthusiastisch drischt der Dichter mit dem Hammer auf sein Buch ein. Zwischen die Eckzähne hat er sich ein Mobile geklemmt, dessen Bronzeplättchen aufeinanderschlagen. Zudem verlautbart die Zunge gelegentlich Silben menschlicher Sprache. Vor uns kauert Gozo Yoshimasu und liest Lyrik.
Im globalisierten Literatursalon wird Yoshimasu als Erneuerer der japanischen Lyrik wahrgenommen, als repräsentativer japanischer Avantgardist, wozu sein Performancestil wesentlich beigetragen hat. Dieser Eindruck wird sich durch die neue englischsprachige Ausgabe verstärken. Seine Gedichte sind Mobiles, an denen ganze Literaturtraditionen hängen, von der japanischen über die arabische bis zur französischen, als sei es mit Leichtigkeit möglich, in Wortspielen aufeinanderzuschlagen.
Yoshimasu hat unangestrengt die Pose des wahnsinnigen Dichters eingenommen. Bei Platon wird der Dichter mit einer Biene verglichen, die göttlich inspiriert – wahnsinnig – den Nektar einsammelt. Yoshimasu bemächtigt sich dieses absurden Vergleiches wie eines maßgeschneiderten Kostüms. So schwirrt er durch die Welt, absorbiert die literarischen Dialekte aller Länder und gibt sie in vermeintlicher Trance vermengt wieder. Das Ergebnis ist ein avantgardistisches Idiom, welches sich nicht nur dazu eignet, die japanische Literatur fortzuschreiben und auf japanische Katastrophen, wie z. B. Fukushima, einzugehen, sondern Verbindungen in alle Welt zu schlagen, um diese in einer einzigartigen Poesie zu vertäuen.
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