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Anthologie
Der Musik näher und dem Lied - Spanische Lyrik der Gegenwart
Zwei emeritierte Hispanisten haben diese Anthologie spanischer Gegenwartslyrik für deutsche Leser zusammengestellt: der Madrilene Juan Cano Ballesta vom Commonwealth-Lehrstuhl an der University of Virginia und Manfred Tietz von der Ruhr-Universität Bochum. Maßgebliche Impulse zur Auswahl sind dem galicischen Dichter Ramiro Fonte zu verdanken, der 2008 gestorben ist.
Tietze hat beim selben Verlag schon zwei Vorgängerbände zur spanischen Lyrik in Einzelinterpretationen herausgebracht, 1990 erschien die „Spanische Lyrik der Moderne“ und 1997 die „Spanische Lyrik von den Anfängen bis 1870“.
Das Werk ist ein gewichtiger Ziegelstein, fast 500 – wie bei Universitätsdruckwerken üblich: – allzu kleinlettrig und geizig im Zeilenabstand bedruckte Seiten umfassend. Das Kompendium stellt eine Schatztruhe nicht nur für Hispanisten dar, sondern für alle, die sich eine Darstellung des Best of spanischer Dichtung der aktuellen Generationen wünschen.
Vorgestellt werden 22 spanische Dichter, darunter vier Frauen, mit jeweils einem repräsentativen Gedicht sowie Ausschnitten aus mehreren weiteren. Sie haben gemeinsam, dass sich – wie umstritten die Auswahl auch sein mag – die Herausgeber bei diesen zwischen 1930 und 1965 Geborenen, deren wichtigste Buchtitel im betrachteten Zeitraum erschienen sind, einig waren, dass man sie auch in Zukunft als wichtige Repräsentanten der spanischen Dichtung ihrer Zeit sehen wird. Sie haben ihr wichtige Impulse gesetzt oder Neues entwickelt, an dem sich spätere Dichter orientieren.
Die Präsentationen folgen alle demselben Muster: Nach dem Gedicht im Original – neben kastilisch auch baskisch, galicisch und katalanisch – gibt es jeweils die deutsche Interlinearübersetzung, dann eine ausführliche Werkanalyse, die das ganze Oeuvre, Vita und Rezeption des jeweiligen Autors behandelt.
Diese Darstellungen sind nicht unter zehn Seiten lang und mit Bibliografien ausgestattet. Sie stammen von anerkannten spanischen, Schweizer, französischen, deutschen Hispanisten.
Zumeist wird im ersten Teil der Dichter vorgestellt, im zweiten der Text besprochen und dann in das Werk des Autors eingebettet, bevor dieses im Zusammenhang der Entwicklung von Spaniens Dichtung betrachtet wird – mit dem Anspruch, „dem Leser – ausgehend von der Textanalyse – die Poetik, einen Umriss des Gesamtwerks sowie das geistige Umfeld des jeweiligen Autors erkennbar zu machen.“
Ergänzt wird der Band durch eine ausführliche Einleitung von Cano Ballesta zur spanischen Lyrik des letzten Vierteljahrhunderts und einen Aufsatz zur Rezeption spanischer Dichtung in Deutschland, verfasst von Rosamna Pardellas Velay und dem Ganzen nachgestellt.
Beide – sehr unakademischen, lesbaren – Texte beinhalten ausführliche Besprechungen und ein brauchbares Literaturverzeichnis von Anthologien und Einzeldarstellungen zur Lyrik Spaniens sowie sämtlicher, manchmal bei Liebhaber- und Kleinstverlagen veröffentlichten, spanisch-deutschen Gedichtsammlungen der letzten Jahrzehnte. Denn wer beim einen oder anderen Dichter Feuer gefangen hat, weiß derlei „Geheimtipps“ sehr zu schätzen, denn über Buchhandel und die üblichen Internetinformanten sind Verlage wie TeamArt (Zürich) oder Heiderhoff (im bayrischen Eisingen) gar nicht zu finden.
Die Zusammenstellung ist wertvoll für Schüler und Studenten, also Hispanisten von Berufs wegen. Für Liebhaber der spanischen Kultur oder von überhaupt von irgend Gedichten ist sie nicht minder kostbar, denn die sorgfältig gewählten Exponate iberischer Lyrik haben Spezialisten mit allem versehen, das dem Verständnis des Lesers dienlich sein könnte.