die poesie der waschstraße

Gedichte

Autor:
C.H. Huber
Besprechung:
Jürgen Brôcan
 

Gedichte

C.H. Huber zeichnet die Poesie der Waschstraße auf

30.07.2012 | Hamburg

Es ist vielleicht einer der schönsten Momente der Beschäftigung mit Dichtung, wenn ein neuer Name auftaucht, unerwartet, unangekündigt. Ich hatte — wen verwundert es bei der Fülle der Möglichkeiten? — noch nie etwas von C.H. Huber gehört, obwohl das schlichte grüne Büchlein, das seinen Waschzettel kurioserweise auf dem Coverdeckel trägt, bereits der dritte Gedichtband der 1945 in Innsbruck geborenen und lebenden Autorin ist. Meine Entdeckerlust war sogleich beim Aufblättern geweckt, denn: da ist kein Titelblatt, nur der Sprung mitten in den Gedichte hinein, alle rechtsbündig gesetzt, was man nicht als störende oder affektierte Eigenwilligkeit wahrnimmt, denn es paßt wunderbar zu den interpunktionslosen Zeilen, deren grammatischer Zusammenhalt und Zusammenhang sich hier und dort nur bei langsamer, wiederholter, laut mitsprechender Lektüre erschließt.

Bereits nach wenigen Seiten entfalten die Texte einen ganz eigentümlichen Sog. Der zwischen kolloquialen und überaus hochsprachlichen Anteilen schwankende Stil drängt vorwärts, auf den Titel am Ende des Gedichts zu, und zwingt gleichzeitig zur entschleunigten Rezeption der doppelsinnigen Grammatik. Ich lese diese Gedichte, manchmal auch entgegen dem Inhalt, als reduzierte Hymnen. Als kondensierte Schnappschüsse. Noch in den gewöhnlichsten Situationen wendet sich Huber dem „anderswie“ und „anderswo“ zu, sei es nun auf Kreta, der Hohen Munde oder direkt um die Ecke in der Waschstraße mit ihrem ebenso ekstatischen wie nützlichen Tanz der „textilen tentakel“.

Einmal wird die Frage gestellt, ob s i e durch Gedichte zugefallen sei oder „wundersam und unvorstellbar einfach“ über die Terrasse gekommen —: „immer noch wunderbar dumm und klug zugleich / löwenzahnig wirfst du samen / gebärst zwittrig in / melancholie“. — Doch wer oder was ist gemeint? Vielleicht „die späte“ aus dem Unter-Titel? Nein, Altersdichtung ist das trotzdem beileibe nicht, aber eine, die sehr genau um die Vergänglichkeit der Dinge weiß („schönes wasser im blickfeld / unschönes in den beinen“), und den Tod als „ständiger begleiter“ akzeptiert hat.

Das Bemerkenswerte an C.H. Hubers Gedichten ist die niveauvolle Abschmeckung einzelner Ingredienzien. Sie sind widerständig, doch verständlich, fein gebrochen, jedoch nie in herbe Ironie abgleitend, kunstvoll, aber nicht künstlich, sondern im Gegenteil: von einer gewissen Lebensklugkeit geprägt, die sich doch nirgends auf den schlichten gesunden Menschenverstand beruft; sie sind drollig, verspielt, manchmal zynisch, manchmal zärtlich, oft frech und unbekümmert, zuweilen kummervoll. Die Gedichte überwältigen einen nicht, drängen sich nicht auf, sind mehr wie gute Freunde: stets zur Stelle, wenn es ernst wird. Man kommt gut mit ihnen zurecht. Je länger man sie um sich hat, desto liebenswerter scheinen sie einem.


Exklusivbeitrag

C.H. Huber: die poesie der waschstraße. Broschur, 88 Seiten, 14.90 Euro, ISBN: 978-3-7082-3294-2. Skarabæus Verlag, Innsbruck-Bozen-Wien 2011.