weitere Infos zum Beitrag
Gedichte
Unverfügbare Fische
21.02.2013 | Hamburg
Wenn das Wasser der Leitung folgt, so folgt daraus Leitungswasser (umgekehrt ginge es auch). Die deutsche Sprache liebt bekanntlich die Komposita, und deutsche Dichter lieben sie auch, denn mit ihnen lassen sich mühelos und endlos die verblüffendsten Neologismen erzeugen. Im ersten Gedicht von Gregor Däublers Debut-Band geht es noch vergleichsweise harmlos zu: ausgehend von der deutschen Fassung des vielzitierten Diktums form follows function (Louis Sullivan) entwickelt der Autor spielerisch eine Kette von Wortpaaren, die am Ende wieder in die Anfangszeile die form folgt der funktion mündet. Überschrift: funktionsform. Nun ist dieses Gedicht eigentlich nicht repräsentativ für die Tonlagen in diesem Band, aber es enthält die drei titelgebenden Begriffe, die zugleich den drei Abteilungen voranstehen: die form – der druck – das meer. Schon diese Einteilung suggeriert mit ihren bestimmten Artikeln etwas Strenges, Apodiktisches, und ihre Abstufung vom Abstrakten (Form) zum Konkreten (Meer) zeugt von durchdachter Ordnung. Auch beim ersten Blättern hat man den Eindruck, dass hier nicht vorsichtig getastet, sondern entschieden gesetzt wird. Das wirkt einschüchternd, gleichwohl sollte es nicht vom genaueren Hinsehen abhalten.
43 Gedichte versammelt der schmale hochformatige Band in klarem, ruhigem Satz auf schönem Papier. Er gehört zur ersten Dreier-Folge der neuen Reihe "LYRIKPAPYRI", die Mathias Jeschke für die Edition Voss beim Horlemann Verlag herausgibt. Gregor Däubler ist mit Jahrgang 1986 der jüngste unter den bisher erschienenen Autoren.
Source: Horlemann Verlag Berlin
Wie stellt man Gedichte vor, da sie sich im Grunde weder erzählen noch beschreiben lassen? Man kann vielleicht, am Beispiel, fragen, was in ihnen geschieht.
Wird etwas erzählt? Manchmal scheint es so, aber eine Geschichte ergibt sich nicht:
Geschirrtuch
achselrot im
Nasendunst
stand ich an der Gabelung
Vögel sangen
Messer rindeten
Kiefern gruben
in meinem Löffel
suchte ich ein Bild
Wird eine Szenerie entworfen? Manchmal scheint es so, aber ins Konkrete fährt plötzlich ein erweiternder Gedanke, der dann doch nicht wirklich zutage tritt, sondern verpackt ist:
niederflur
einsatzwagen
häusermeer
während ich
daneben auf den
blättern,
stiegen und
signalen
stand
zählte man die
stangen
anker
leinen aus beton
da riss und exzerpierte ich
die wirklichkeit
den zufluchtsraum
aus kacke und gesang