Pyrit

Gedichte

Autor:
Anke Bastrop
Besprechung:
Schirin Nowrousian
 

Gedichte

In Scharten von Schilf. »Pyrit« von Anke Bastrop

23.04.2013 | Hamburg

Pyrit, auch Schwefelkies oder Katzen-, ja Narrengold genannt, ist ein opakes (sprich lichtundurchlässiges), idiomorphes (sprich eine voll entwickelte Eigengestalt besitzendes) Mineral, das ganz eigenständige Kristallflächen hervorgebracht hat… …

            „Pyrit“ von Anke Bastrop auch. Auf Literarisch sozusagen.

            Natürlich, man könnte sofort hinzufügen: Auch für „Pyrit“ gilt, was der Text selbst nach den (für die meisten Leser wohl unbekannten) Worten „Utaka Usipa“ verkündet, Worte, die in dem Text so plötzlich auftauchen wie sie wieder verschwinden: „singende, klingende Namensbäumchen/die nicht verstanden sein müssen“.

            Stimmt, müssen nicht, aber ‚wollen‘. Oder vielleicht wollen sie auch gar nicht, aber ‚man‘ will. Und vielleicht will ‚man‘ auch gar nicht, nicht unbedingt jedenfalls, zumindest nicht im Sinne von: um jeden Preis.

            Wer absolutes Verstehen-Wollen und (als Erwartungshaltung) ein völliges Sich-Zu-Verstehen-Geben heranträgt an den Text und wer Verstehen dabei gleichsetzt mit haargenauem, logischem Erklärt-Bekommen oder Sich-Erklären, das ihm doch bitte geliefert werde, damit sein eigenes Verstehen überhaupt erst einsetzen kann, und wer – sollte dies ausbleiben – daraufhin dann Frustration verspürt, der sollte die Finger lassen von diesem „Pyrit“.

            Wer aber liest, um angeregt zu werden von schimmernden Erkenntnisbrocken, wer angetrieben ist von dem Wunsch einer Art Weltwahrnehmungszugewinn, sprich von dem Wunsch, in seiner eigenen Wahrnehmung Bereicherung zu erfahren durch die bewegte und bewegende Schrift eines anderen Geistes, der greife beherzt zu und lese. Denn das nun wieder – Wahrnehmungsanreicherung und Weltenwanderung – schenkt einem „Pyrit“, zu Hauf und einfach so, ob man nun will oder nicht.

            Und „Utaka“ und „Usipa“ nun? Das sind gar keine Bäume, sondern Fische. Der Text bietet diesen Schlüssel zum Fisch direkt im Anschluss an ihr Auftauchen: „dayfish & nightfish/von Sonne und Mond bewohnt“.

            Aber fangen wir besser nochmal an, etwas weiter vorne vielleicht, nicht gleich am Anfang, aber doch ein wenig mehr zu Beginn. Bei einem Pyrit ist es ja schon schwierig zu benennen, wo denn nun sein ‚Anfang‘ liegt, aber unser „Pyrit“ hier ist ja zudem nicht nur Pyrit, sondern auch Meer und Sternenhimmel, Wind und Strom. Und er ist Geburten, unablässige Folgen von Geburten, von Kindern und Gebärenden, Männern wie Frauen. Überall all jene, die „eigenartig ans Leben glaub[en]“…

            Wie also könnte man „Pyrit“ beschreiben?

            Kurz ginge das vielleicht in etwa so:

            Mit dem Lesen von „Pyrit“ begibt man sich in eine Welt, in der alles ein wenig zu funkeln scheint, und wenn es nicht funkelt, dann klingt es kurz an, ein akustisches Aufleuchten sozusagen. Und es ist ein Strömen von anklingenden Bildern, in denen u.a. ein ‚Ich‘ oder viele ‚Ichs‘ sowohl zu entstehen und sich zu positionieren als auch zugleich sich zu ‚entschlüpfen‘, zu ‚entgleiten‘ versuchen. Eine Art Ringen um eine ‚Ichfreiheit‘, bei der es nicht mehr darum geht, ob man nun ‚Ich‘ sagen kann oder soll oder nicht, sondern darum, diese immer wieder aufglimmenden und verlöschenden ‚Ichs‘ durch Ich-Fernes wie Tiere, Orte und Gestalten aller Art und durch viele Schichten und Ebenen, Hitze, Kälte, Wasser, Luft, Gestein und Licht hindurch zu vernetzen und zum Schwingen zu bringen.

            Und in der längeren Version dann so:

            Zahlreiche Anklänge und Funken, die etwas aufblitzen lassen und kurzzeitig das Dazwischen ausleuchten, z. Bsp. Gegebenheiten aus Märchenwelten und Biblisch-Religiöses, Mytho- wie Geologisches, Geo- wie Topographisches, lauter verspielt ernsthaft Angesprochenes durchzieht „Pyrit“. Es sind vielleicht weniger Anspielungen (zumindest nicht in dem Sinne, in dem man ‚Anspielungen‘ zumeist hört, sprich: Andeutungen) als eben echte Anklänge, die zugleich etwas fürs innere Auge schaffen. Die Bilder, die so erklingen, sind also meist durchaus eindrücklich und kräftig (und eben nicht nur angedeutet), auch wenn sie oft für nur sehr kurze Dauer im Text aufleuchten. Aber sie entwickeln bisweilen visuell-akustische Echos unter- und zueinander. So zum Beispiel – so zumindest erging es mir beim Lesen – das sehr einprägsame „auf dem Eis liefen Teichhühner die drehten mit ihren Füßen / kaum merklich den Erdball“ und „der Atem der Blesshühner / perlt und zerspringt“ und kurz darauf dann das „nichts, nein, es ist für euch nichts zu tun / ein jeder steht still am Herdenplatz, still / nichts zu zerstören / wäre schon viel“: leichtfüßig belebende, oft sehr agil zerbrechliche Bewegtheit aller Elemente der Natur, die zu Textelementen werden, und dann fast schon Rettung durchs Stillhalten und Stillstand, der jedoch nicht eintritt. Oder auch „ich sank tiefer ein in Tharr und sie / trug sich ein in mich / mit einer Düne“ und „meine Sprache ging achteraus wie ein Galizischer Krebs / mit dem Kopf voran in meinen Rumpf sie begehrte mich / ich sprach sie nicht –“: Diesen „Ichs“ widerfährt wortwörtlich Eindringliches. Und so ergibt sich etwas von kaum merklicher, durchgängiger Aktivität im Passiven.

          

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