Gedichte

Verzaubernd im Entzaubern: charaktervoll, charismatisch & charming. »Finissage« von Dominik Dombrowski

04.06.2013 | Hamburg

Es gibt im deutschen Sprachraum eine Handvoll Autoren, die sich mit dem Veröffentlichen solange Zeit lassen, dass ich mich hin und wieder bei der Überlegung ertappe, ob ich nicht doch endlich mal (m)eine kleine Edition gründen sollte, um die Texte dieser nicht wahrgenommenen Autoren einem größeren Leserkreis vorzustellen? Dominik Dombrowski ist einer von ihnen. Nun ist sein erstes Buch da und man kann ihn dazu nur beglückwünschen.

„Mit Dominik Dombrowski überzeugte ein Dichter die Jury, dessen Texte eine Magie der Kompromisslosigkeit erzeugen. Die ungeheure Wucht seiner Gedichte besteht in der wirklichkeitsnahen Wahl der Themen und ihrer erzählenden Sprache. Wenn er beispielsweise von den geheimnisvollen Männern vor dem Getränkemarkt spricht, legt sich eine Art melancholische Realität über die Zeilen. Mitfühlend, zwischen Schauen und Mitempfinden in allen Gefühlslagen. Laut Mitteilung ist sein Blick niemals ein nüchterner.“, schrieb jüngst die Internetausgabe des Schwarzwälder Boten zu Dombrowskis Bewilligung des Hausach-Stipendiums, das der Dichter im Sommer antreten wird.

 

Diese geheimnisvollen Männer vor den Getränkemärkten / um Samstagabend

nicht die mit dem Auto / vorfahren / sondern die sich ihre Bierkästen still

aufs Fahrrad binden um dann zu verschwinden in die sternenklare Julinacht

hinaus hinein hinters offene / Fenster hinter den Glutpunkt / der Zigarette

Silhouetten gleich Gauguingötzen regungslos mit nichts als Jimi Hendrix (…)

 

Seit längerem habe ich mich schon in diese Texte „verguckt“: Dombrowski, als Autor immer noch ein Geheimtipp, schreibt Texte, die für mich einen hohen Wiedererkennungswert haben. Texte von Dombrowski leuchten in ihrer dunkelschwarzen Schönheit unverkennbar aus jeder Anthologie heraus. Während außerherum manchmal ein mehr oder minder graues Passepartout stehenbleibt – ohne große Unterscheidbarkeit in den poetischen „Mitteln“.

Dombrowskis Texte sind markant. Seine 9 längeren Gedichte im schmalen Packpapier-band haben Charakter, Charisma und Charme. Sie haben dazu eine unbeschreiblich anziehende Morbidität – auch wenn das zunächst sehr absurd klingt – die ich bei keinem anderen Dichter so jemals gelesen oder gehört habe. Seine Texte sind für mich immer schon sehr charming, haben zudem – wie man so sagt – starke atmosphärische Aufladung. Dombrowskis Gedichte imitieren kein Lebensgefühl, adaptieren keine Lebens-Atmosphäre. Dombrowskis Gedichte sind dieses Lebensgefühl. Aus dem Text Das Rauschen:

 

(…)

Du rückst deinen Sessel langsam ans Fenster / doch ist dort niemand kein Stern

Kein Vogel keine / Blume unterm Laternenlicht nur das weiße

Tuch noch unzerschnitten ein Tuch aus gefallenem

Schnee dabei hättest du sie gern hier / um ein Zeichen gebeten

Deine Unsichtbaren und gern hättest du noch ein wenig mehr

Zeit gehabt sie zu erwarten deine Toten

Oder einfach für immer dieses Andauern

Der Leere am Fenster

Mit dem Schneefall der Nacht

 

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