Der Colonel

Roman

Autor:
Mahmud Doulatabadi
Besprechung:
Thomas Hummitzsch
 

Roman

Persische Elegien – ein Roman aus der Revolutionszeit des Iran

Nach den iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni dieses Jahres kam es in dem Land zu wochenlangen Protesten. Erstmals seit den revolutionären Umbrüchen 1979, als die Mullahs das Land überfallartig eroberten und sich ein schwarzer Schleier der repressiven Orthodoxie über den Iran legte, wagten es die Iraner, lautstark ihre Stimme zu erheben. Selbst die gewalttätigen Reaktionen des Regimes Ahmadinedschad konnten den Protest lange nicht zurückhalten.

Zu etwa gleicher Zeit erschien der neue Roman des iranischen Autors Mahmud Doulatabadi "Der Colonel". Dieser handelt vom Schicksal einer Familie kurz nach der Revolution im Iran 1979. Der bereits vor 25 Jahren geschriebene, aber erst jetzt erschienene Text wurde von den Kritikern über alle Maßen gelobt, denn kein anderes literarisches Werk schien derart aktuell. Die Literaturkritiker sahen in den jüngsten revolutionären Protesten im Iran die Erzählung des Romans bekräftigt. Zugleich schien der Roman in tautologischer Umkehrung die iranische Gegenwart in ihrer unmenschlichen Gewalt und Skrupellosigkeit zu bestätigen.

In einem Interview mit der Tageszeitung taz erklärte Doulatabadi kürzlich, dass er den Roman so lange zurückgehalten habe, um genau diese Lesart zu verhindern. Man solle das Werk nicht "zu direkt auf die politische Situation" hin lesen, meinte Doulatabadi. Die in Anlehnung an die politischen Ereignisse gestaltete Literaturkritik des Sommers stieß bei dem Autor also auf gemischte Gefühle. Denn nicht zuletzt dieser politisch motivierten Lesart ist es zuzuschreiben, dass die iranische Zensurbehörde das Buch einerseits als Meisterwerk bezeichnen kann, andererseits aber aus ideologischen Gründen seine Veröffentlichung im Iran untersagt.

Doulatabadi spürt, dass diese politische Interpretation, die sowohl von den westlichen Kritikern als auch von den iranischen Zensurbeamten aus unterschiedlicher Motivation vorgenommen wird, dazu führen kann, dass sein Lebenswerk in seiner Heimat ungelesen bleiben könnte. Die Zensur würde also ausgerechnet den populärsten Gegenwartsdichter im Iran am härtesten treffen. Aus diesem Grund plädiert er wohl für eine vorrangig literarische Annäherung an seinen Roman: "Literatur sollte nicht auf die aktuelle Tagespolitik reduziert werden. Die Presse ist für die aktuelle Berichterstattung zuständig, die Aufgabe von Literatur ist eine andere", erklärt der Iraner gegenüber der taz weiter. Versuchen wir, diesem Ansatz nachzugehen und Doulatabadis Roman unabhängig von den aktuellen politischen Verhältnissen zu beurteilen.

Mahmud Doulatabadi erzählt in seinem Roman die Geschichte eines ehemaligen iranischen Regierungsbeamten, der unter dem Schah gedient hatte und dessen Identität lange Zeit im Dunkeln bleibt. Die meiste Zeit wird er nur als "Colonel" bezeichnet. Erst am Ende des Romans wird sein Name genannt, Mohammed Taghi Khan. Schon in diesem Namen verarbeitet Doulatabadi die komplexe Geschichte seines Landes. Mohammed Taghi Khan erscheint wie ein Kompositum der Namen großer iranischen Staatsmänner, nämlich dem des Gründers des modernen Irans Mirza Taghi Khan und dem des Kämpfers für die iranische Unabhängigkeit Mohammed Mossadegh.

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