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Gedichte
Facetten des Spiegels – die Gedichte um das Ende des Klagens von Margot Beierwaltes
Die Gedichtsammlung Ende des Klagens von Margot Beierwaltes erschien 2004 als vierter Lyrikband in der Edition YE, herausgegeben von Theo Breuer in Sistig, und war die erste Buchveröffentlichung der in Nürnberg lebenden Autorin. Die Gedichte zeichnen sich durch starke, klare Bilder und Metaphern aus, die in einer kühnen, eleganten Sprache abgefasst sind und sowohl die alltäglich-reale als auch die spirituelle Ebene thematisieren.
In ihrer Poetik (erschienen später in Auszügen in der deutsch-tschechischen Anthologie Schlüsselsammlung/Sbírka klí??, Prag 2007) beschreib Beierwaltes ihre Lyrikintention folgendermaßen: „…das Jetzt ein Spiegel dessen, was vor langem zerbrochen ist… aus eigener Kraft die Teile suchen, halten, zusammenfügen.“
Mit diesem poetologischen Anspruch korrespondiert die bevorzugte Methode der Lyrikerin: Montage von Texteilen, die manchmal aus unterschiedlichen Bild- und Klangsystemen bestehen und wie „zerbrochene Teile“ anmuten, bis sie sich in einem Gedicht zu einem überraschenden neuen Ganzen verbinden. Ein Gedicht, das den gegenwärtigen Augenblick abbildet, gleicht einem Edelstein mit vielen Facetten, oder auch einer organischen Zelle, die die Gesamtinformation beinhaltet, aus der ein Lebewesen rekonstruiert werden kann.
„den ganzen Tag/im Herzklopfrhythmus/einen Satz gedacht//wieder geträumt von Vögeln/in keinem Verzeichnis zu finden//setzte mich nieder zur Genauigkeit/dieser völlig fremden Welt//wie lange noch bricht die Rede/des Schweigens Mächtigkeit//ein Zwerg ist da, schreibt mit/für irgendwann.“ (Aus Stein, Ende des Klagens)
Die Metapher des Raumes spielt für Beierwaltes eine wichtige Rolle. Die Texte erschaffen einen Raum, der sich „falten lässt“, der ungewöhnliche Anordnungen zulässt und in dem die Leere eine eigenständige Qualität hat. „Die Erzählung errichtet den Raum“ heißt es im Gedicht „als ich aufbrach“. Das visuelle Vorstellungsvermögen des Lesers wird durch die Texte in ähnlicher Weise angesprochen wie beim Betreten einer vorher nie gesehenen Landschaft.
Sobald man sich auf den Weg durch diese poetischen Landschaften macht, stellt man fest, dass die Texte selbst einen Weg, eine Fortbewegung beschreiben. So heißt es in einem Gedicht: „Immer weiter in die Ferne hinein/ Ein Satz muß um die ganze Welt //Ein kristallener Stein dann, den ich mir einsetze“. Die Texte bringen Erfahrungen einer Reise zum Ausdruck, die zugleich eine innere Entwicklung darstellt. Gleich zu Anfang, in dem Gedicht „Segment“, wird die Suche nach dem „Eingang zur Gegenwart“ thematisiert und ein Aufbruch angekündigt. Der Weg, der hier geschildert wird, führt sowohl nach draußen, in die physische Welt, als auch nach innen, zu den tieferen Bewußtseinssphären: „Auf der Suche nach dem /Auge das ins Weite blickt /in dich hinein vergessene /Türen öffnend“.
Die Metaphorik der Gedichte schließt häufig Bilder ein, die natürliche Landschaften, eine durch die Zivilisation unberührte Wirklichkeit evozieren. Doch die Natur selbst ist nicht der Gegenstand dieser Texte. Vielmehr werden in ihnen neuartige oder neu wahrgenommene „Innenräume“ zum Ausdruck gebracht, und zwar in einer poetischen Sprache, die weit über die Naturbilder hinausgeht und häufig gewagte Bildkombinationen und elliptische Verkürzungen beinhaltet. So entstehen Spannungsfelder zwischen dem Wirklichen und dem Imaginären, zwischen Traum und Wachen, zwischen Ahnung und Wissen: „die Dunkelheit war deine Nacktheit gewesen/die geringsten Geräusche machen dir Raum//du atmest und bist da weiter und weiter/ein Papier kommt direkt an deine Augen/in dir nicht bekannter Zeichenschrift/alles steht darauf//im Traum schläfst du noch einmal tiefer ein//der Atem führt in einen Tunnel/wieder Warten und Bangen/große Kraft sucht Erinnerung/reißt das Bild entzwei//ein weinendes Gesicht sieht dich an/die Dunkelheit war deine Nacktheit gewesen“ (Die Dunkelheit).