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Sachbuch
Kriegerisches Klima - die Überschwemmung der Welt durch den Menschen
Doch die Staaten und Gesellschaften der nördlichen Hemisphäre haben keinen Grund, sich in Sicherheit zu wiegen. Die Folgen des Klimawandels, die primär in Afrika, Asien und Südamerika sowie an den Polkappen zu spüren sein werden, und die darauf folgenden Reaktionen werden die Industriestaaten in vollem Maße treffen. Überschwemmungen und die Ausbreitung der Wüsten sowie die bevorstehenden gewaltsamen Ressourcenkonflikte werden eine neue Form der Massenmigration hervorrufen, die das aktuelle Ausmaß der Süd-Nord-Wanderung um ein Vielfaches übersteigen wird. Welzers in diesem Teil des Buches geführte Argumentation könnte treffender und schärfer kaum sein. Experten gehen demzufolge davon aus, dass die aktuell geschätzte Zahl von 25 Mio. Klimaflüchtlingen bis 2050 auf bis zu 200 Mio. steigen wird. Die aktuelle Abschottungspolitik, die die Europäische Union ebenso wie die Vereinigten Staaten der USA vor allem an ihren Südgrenzen vornimmt, sei nur ein Probelauf für das, was in den kommenden Jahren an ihren Grenzen umgesetzt werden wird. Die Aufrüstung der Grenzanlagen und des Sicherheitspersonals sowie die Vorverlagerung der Grenzen und damit einhergehend die Delegation der Gewaltanwendung gegen Migranten in die Hände anderer Staaten und privater Sicherheitsdienste seien lediglich erste Präventivmaßnahmen gegen den Flüchtlingsdruck, der sich in den kommenden Jahrzehnten an ihren Grenzen aufbauen wird. Und je stärker die klimabedingte Migration von den EU- und US-Bevölkerungen als Bedrohung wahrgenommen wird, umso stärker wird sich in den Industriestaaten der Bezugsrahmen für die sicherheitspolitischen Einstellungen verändern. Die Prioritäten werden sich von der persönlichen Freiheit auf die kollektive Sicherheit verschieben und ein immer rigoroseres Vorgehen der Staaten gegenüber den Klimaflüchtlingen und deren Herkunftsstaaten tolerieren. Je stärker die Folgereaktionen des Klimawandels in den Industriestaaten zu spüren sein werden, umso unwahrscheinlicher ist es, dass massive Gewaltanwendung oder gar Klimakriege auf die Staaten und Gesellschaften der Südhalbkugel beschränkt sein werden, schreibt Welzer in seinem Buch. Diese Schlussfolgerung nimmt nicht Wunder, denn schon der Soziologe Heinrich Popitz schrieb 1986, dass Gewalt „eine Option menschlichen Handelns, die ständig präsent ist“ sei.
Schrieb Welzer in seiner sozialpsychologischen Studie der Massenmorde noch, dass nicht jeder Krieg Genozide, ethnische Säuberungen und Massenmorde hervorbringe und „nicht jeder geöffnete Handlungsraum zum erweiterten Anwenden von Gewalt eskaliert“, so kommt er in seinem aktuellen Buch zumindest zu dem Schluss, dass die Folgen des Klimawandels den Rückgriff auf extreme Gewalt zumindest attraktiv und wahrscheinlich machen. Denn wenn eine Vielzahl von Menschen um immer geringere Güter streitet, neigt sie zu radikalen Lösungen – und was wäre attraktiver, als die Dezimierung der konkurrierenden Menge zum eigenen Vorteil. „Das 21. Jahrhundert ist in Ermangelung zukunftsfähiger Gesellschaftsmodelle utopiefern und ressourcennah – es wird getötet, weil die Täter jene Ressourcen beanspruchen, die die Opfer haben oder auch nur haben möchten.“ Die globalen Folgen des Klimawandels könnten zu einer Auflösung der Kulturen und ihrer Errungenschaften führen, die nichts als die „Unterschiedslosigkeit bloßen Überlebenswillens“ zurücklässt und an der die Aufklärung als Gegenbild zur Herrschaft purer Gewalt scheitern könnte, so Welzers pessimistisches Fazit.
Harald Welzer ist mit „Klimakriege“ ein in weiten Teilen hervorragendes Buch zu den konkreten gewaltsamen Folgewirkungen der Erderwärmung gelungen. Faktenreich und fächerübergreifend zieht der Soziologe haarscharfe Schlüsse aus den historischen Erfahrungen und überträgt diese passgenau auf die Aktualität. Dass die sich daraus ergebende Perspektive für das 21. Jahrhundert eine vorwiegend Negative ist, liegt nicht an Welzers Pessimismus, sondern an den Fakten der Zeit. Es gäbe Bücher, die schreibe man „in der Hoffnung, dass man Unrecht hat“, so Harald Welzer zu Beginn seines Buches. Die Möglichkeit bestünde! Das technische Know-how, den Klimawandel langfristig in Griff zu bekommen, ist vorhanden. Allein der politische Wille, gemeinsam gegen den Klimawandel vorzugehen, hat sich noch nicht durchgesetzt. Es ist zu hoffen, dass Politiker weltweit aufwachen und durch kollektives und innovatives Handeln die Befürchtungen des Soziologen widerlegen. Es läge in seinem Interesse Unrecht zu haben.
Schrieb Welzer in seiner sozialpsychologischen Studie der Massenmorde noch, dass nicht jeder Krieg Genozide, ethnische Säuberungen und Massenmorde hervorbringe und „nicht jeder geöffnete Handlungsraum zum erweiterten Anwenden von Gewalt eskaliert“, so kommt er in seinem aktuellen Buch zumindest zu dem Schluss, dass die Folgen des Klimawandels den Rückgriff auf extreme Gewalt zumindest attraktiv und wahrscheinlich machen. Denn wenn eine Vielzahl von Menschen um immer geringere Güter streitet, neigt sie zu radikalen Lösungen – und was wäre attraktiver, als die Dezimierung der konkurrierenden Menge zum eigenen Vorteil. „Das 21. Jahrhundert ist in Ermangelung zukunftsfähiger Gesellschaftsmodelle utopiefern und ressourcennah – es wird getötet, weil die Täter jene Ressourcen beanspruchen, die die Opfer haben oder auch nur haben möchten.“ Die globalen Folgen des Klimawandels könnten zu einer Auflösung der Kulturen und ihrer Errungenschaften führen, die nichts als die „Unterschiedslosigkeit bloßen Überlebenswillens“ zurücklässt und an der die Aufklärung als Gegenbild zur Herrschaft purer Gewalt scheitern könnte, so Welzers pessimistisches Fazit.
Harald Welzer ist mit „Klimakriege“ ein in weiten Teilen hervorragendes Buch zu den konkreten gewaltsamen Folgewirkungen der Erderwärmung gelungen. Faktenreich und fächerübergreifend zieht der Soziologe haarscharfe Schlüsse aus den historischen Erfahrungen und überträgt diese passgenau auf die Aktualität. Dass die sich daraus ergebende Perspektive für das 21. Jahrhundert eine vorwiegend Negative ist, liegt nicht an Welzers Pessimismus, sondern an den Fakten der Zeit. Es gäbe Bücher, die schreibe man „in der Hoffnung, dass man Unrecht hat“, so Harald Welzer zu Beginn seines Buches. Die Möglichkeit bestünde! Das technische Know-how, den Klimawandel langfristig in Griff zu bekommen, ist vorhanden. Allein der politische Wille, gemeinsam gegen den Klimawandel vorzugehen, hat sich noch nicht durchgesetzt. Es ist zu hoffen, dass Politiker weltweit aufwachen und durch kollektives und innovatives Handeln die Befürchtungen des Soziologen widerlegen. Es läge in seinem Interesse Unrecht zu haben.
Harald Welzer: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2008