Exkurs:
Wege zum Glück, Teil 7
Die Lösung des Ur-Problems
Sie
treffen hier auf ein Kapitel von außerordentlicher Wichtigkeit.
Die hier vermittelten Inhalte sind in der Lage, auch die unglücklichste
Existenz auf den Weg zum Glück zu bringen. Also beginnen
wir bei der Wurzel des Übels, bei jener Wurzel, über die wir
auf dem Weg zum Glück zu stolpern pflegen: dem Problem. Aber, was
ist ein Problem? (Übrigens: In der Mehrzahl sind es Probleme, mit
Betonung auf dem letzten e.)
Probleme
sind der Zucker am Schweinebraten und das Salz im Kuchen, sie sind die
Soletti in der Haselnusscreme und der Bierschaum im Wein Probleme.
So unterschiedlich sie auch auftreten können, sie haben viel gemeinsam,
sehr viel sogar, mehr als man bisher geglaubt hat. Wenn man nämlich
davon ausgeht, dass alle Probleme den gleichen Kern haben (und das stimmt,
wie gesagt, und wurde auch bereits wissenschaftlich in einer interessanten
Abhandlung untermauert*),
((*vgl.:
Petzold, Roman senior.: Gesammelte Notizblöcke: Das Kernproblem
bei Steinobst und harten Nüssen, Bd. 4, Zettel Nummer 52))
so
sind diese (und somit alle) Probleme lösbar, sobald man erst einmal
verstanden hat, wie die komplizierte, allgemein gültige und im
Wesentlichen stets gleich bleibende Grundstruktur der Probleme aussieht
und wie man eben diese Struktur glatt bügelt und so das
Problem unwiderruflich löst, ja es sogar in einen Zustand des Wohlgefallens
transponiert.
Nun,
beginnen wir mit unserem Experiment: Wir skizzieren die Problemstellung*,
((*Anm.
des Hg.: Hier seien die beiden völlig unpassenden, aber sich
geradezu obszön aufdrängenden Wortspiele Eine Problemstellung
ist für ungelenke Menschen bereits jede Stellung außerhalb
der Missionarstellung sowie Für noch Ungelenkigere
und für alle mit chronischem Kreuzweh stellt allerdings bereits
die Missionarstellung eine Problemlage dar erlaubt. Ha, ha.
Danke.))
und
die ist nicht ohne: Es geht dabei nämlich um nichts geringeres
als die Lösung des Problems aller Probleme, des Problem-Problems,
auch genannt: das Ur-Problem, dessen Lösung, wie oben bereits angedeutet,
alle weiteren Probleme dieser Erde und dieser Menschheit im Handumdrehen
erledigt. Bisher dachte man, die Lösung des Ur-Problems sei unmöglich
oder zumindest so gut wie unmöglich weit gefehlt. Denn die
Lösung des berüchtigten Problem-Problems* ist (...)
ganz einfach*
((*
Vgl.: Petzold, Roman sr.: Gesammelte lose Blätter,
Blatt Nr. 21 (leicht erkennbar, weil es zur Hälfte eingerissen
ist))
und
in ein paar winzigen Schritten winzigen Schritten zurück
nämlich lösbar.
Also, aufgepasst und genau hingeschaut, hier sehen Sie die typische
Struktur eines Standard-Problems, das so problematisch und standardisiert
ist, dass man es mit Fug und Recht als Ur-Problem (oder Problem-Problem)
be- und aufzeichnen kann:

Schauen
wir uns das Monstrum an. Allein schon wie es aus der Seite herausglotzt!
Aber was erzähl ich da Sie sehen das Ding ja selbst: Es
ist wohl eindeutig ein richtig garstiges, abscheuliches Problem; hart,
spitz, unklar, unsympathisch bis zum geht nicht mehr, voller
Furchen, wirklich hässlich anzusehen. Schrecklich, nicht wahr?
Ein echtes Problem. Richtiggehend abstoßend, oder? Es erscheint
uns als etwas, das man ganz einfach nicht haben will, etwas, auf das
man ohne mit der Wimper zu zucken verzichten könnte.
Doch schauen Sie nicht gleich weg, verbergen Sie nicht die Augen vor
dem Problem. Wir müssen es optisch analysieren: Es, also unser
Ur-Problemchen (nein, diesmal sind ausnahmsweise nicht die Bandscheiben
gemeint) hat bei genauerer Betrachtung eine überaus komplizierte
Struktur und chaotische Beschaffenheit, mit der man auf den ersten
Blick überhaupt nicht zurande kommt und die zu entwirren
fast unmöglich erscheint: Eben ein handfestes Problem wie es im
Buche steht. Der verschreckte Betrachter dieses übermächtigen
Ur-Problems (das einem auch ohne h zwischen dem U
und r mächtig auf den Zeiger geht) fragt sich nun zurecht:
Um Gottes Willen, was für ein riesengroßes Problem. Wie kann
ich diese Nuss wohl knacken?
Dabei
ist die Lösung dieses Ur-Problems, also des ultimativen Problem-Problems,
ganz einfach. Krempeln wir die Ärmel rauf, trinken wir einen Schluck
und packen wir´s an! Wir gehen dem Problem nicht aus dem Weg, sondern
bleiben am Weg; es ist nur so, dass wir den Weg ein paar Schritte zurückgehen
und uns das oben dargestellte Urproblem einmal aus der Ferne anschauen.
Also los, gehen Sie den ersten Schritt zurück und lassen Sie sich
ruhig Zeit. Wir haben´s nicht eilig. Die Dinge müssen wirken,
bevor der Blitz der Erkenntnis, auch genannt der Potzblitz
ganz von selbst über Sie hereinbrechen wird! Es ist gleich soweit?
Sie spüren schon den heißen Feuerstrahl des Verstehens und
die Synapsen in ihrem Gehirn stimmen im Chor Freude schöner
Götterfunken an? Dann haben Sie die Lösung des Urproblems
verstanden!
Was
haben wir nach dem Schritt zu sehen bekommen? Es ist fast unglaublich:
Das vormalige Problem hat sich verwandelt, ist es nicht so?, völlig
verwandelt!
Es
ist aufgrund der eingehenden Betrachtung aus der Ferne regelrecht eingegangen:
Statt
eines abgrundtief abstoßenden, blatternarbigen, ja richtiggehend
fratzenhaften Ur-Problems haben wir jetzt eine kleine aber feine, formschöne,
beinahe runde Sache vor uns, die ihre scharfen Kanten und Spitzen verloren
hat. Einfach in der Struktur, optisch ansprechend und im Besitz der
gestalterischen Ausgewogenheit und formalen Harmonie einer frischgeschissenen
Gemsenlosung.
Zusammenfassung:
Wir haben gesehen: das Ur-Problem an sich ist keine Konstante, die Größe
und Bedrohlichkeit nimmt freundlicherweise mit der Entfernung linear
ab.*
((*Anm.
des Autors: Etwas Ähnliches, aber genaugenommen völlig anderes,
ist mir vor kurzem selbst zugestoßen. Jemand empfahl mir, in
einer bestimmten Situation vor bestimmten Menschen, auf die ich jetzt
nicht näher eingehen möchte, eine Gute Figur
zu machen. Nun gut, dachte ich mir, dann mache ich eben eine gute
Figur, aber warum nicht gleich die beste Figur? Ich nahm einen Stift
zur Hand, sah vor mir einen weißen Zettel liegen und machte
die beste Figur, die absolut vollkommendste Figur, die man sich überhaupt
vorstellen kann:

Einen
Kreis. Natürlich! Ich drückte den Zettel den anwesenden hochgestellten Personen in die perfekt manikürten
Finger und machte die Fliege, verabschiedete mich auf Französisch,
haute mich über die Häuser und verschwand in der Dunkelheit.))
Umgekehrt,
und jetzt bitte ich kurz noch einmal um erhöhte Aufmerksamkeit,
sorgt diese Größenveränderung zur Lösung des Ur-Problems
oft für gehörige Verwirrung; ja man kann sogar soweit gehen
und sagen, dass Größenveränderungen in die falsche Richtung
nämlich als Vergrößerungen statt Verkleinerungen
in der Lage sind, Ur-Probleme zu schaffen!
Hier
zum Beispiel eine unspektakuläre, völlig gerade Küstenlinie:
Warum
sind wir Österreicher nur solche Arschlöcher?
Ist
diese Gebilde aber tatsächlich nur eine unspektakuläre, völlig
gerade Küstenlinie? Sind die Dinge so, wie sie vor unseren allzu
leicht in die Irre führenden Augen erscheinen? Hmm; gehen wir ein
paar Zentimeter näher heran und schauen wir, ob die unspektakuläre,
gerade Küstenlinie bleibt, was sie vorgibt zu sein.
Warum
sind wir Österreicher nur solche Arschlöcher?
Die
Überraschung ist perfekt: Aus der unspektakulären, völlig
geraden Küste wurde eine zwar weiterhin unspektakuläre, aber
dafür alles andere als gerade, sondern vielmehr zackige, kantige
und ganz und gar unregelmäßige Küste, die unser Vertrauen
in die obige Behauptung nachhaltig erschüttert.
Doch
war das schon die ganze Wahrheit? Hmmm; gehen wir noch ein paar
Zentimeter zurück (was ein paar schnöde Zentimeter alles ausmachen
können!*).
((*Anm.
des Hg.: Hier unterschätzt der Autor die Bedeutung von ein
paar schnöden Zentimetern. Ein paar schnöde
Zentimeter mehr oder weniger, hätten zumindest John F. Kennedy
1964 in Dallas das Leben gerettet oder so manchen missglückten
Satz eines Manuskripts statt in einem Buch nur auf einer Schreibtischunterlage
erscheinen lassen.))
Und,
was sehen wir jetzt, jetzt, wo wir mit der Nase schon am Papier picken
und den feinen Duft des Leims einatmen? Unglaublich, einfach unglaublich.
Denn aus der unspektakulären Küste wurde ein Satz, ja!
ein richtiger Satz, und zwar folgender:
Warum
sind wir Österreicher nur solche Arschlöcher?
Erstmals
aufgeschrieben und 1998 mit vermutlich geschwellter Brust publiziert
von Ehrendoktor Paul Handke (oder heißt der Peter
mit Vornamen? Keine Ahnung, ist auch Wurscht). Es handelt sich hier
also um ein Gebilde, dass, zwar weiterhin unspektakulär, jedoch
bei aller Phantasie, Augenzudrücken und aufrichtigem Wohlwollen
nicht als Küste durchgehen kann, als Wüste
vielleicht, aber niemals, niemals als Küste! Soviel zur Lösung
und Schaffung des Ur-Problems.
Nachsatz:
Sollte Ihr Ur-Problem einmal als Uhr-Problem in Erscheinung treten,
dann wurden Sie entweder Opfer eines Tippfehlers oder Sie sollten schleunigst
den nächsten Uhrmacher aufsuchen.
Dieser
Exkurs ist ein ausgewähltes Kapitel des neuen satirisch-humorvollen
Romans In einem Zug