Allegretto
Die
Liebe pflegt den aufrechten Gang, gerade in einer Stadt wie Prag. Sie
ist durchsichtig und zerbrechlich. Sie sieht mich morgens lange an und
sagt, während ich mir die Zähne putze, ich will, dass
Prag für dich Wirklichkeit wird.
Die
Prager Badezimmer sind gutbürgerlich, zu zwei Dritteln verfliest,
und verstehen zu schweigen. Das Wasser wird von einem gasbetriebenen
Boiler erwärmt. Das Rauschen der Klospülung verheißt
auch hier das Ende der Liebe. In den Abwässern der Stadt treffen
alle Lieben aufeinander.
Während
sie mir ihren Arm um die Schulter legt, wird mir bewußt, dass
ich Ausländer bin. Die Grenze ist dünn und klapprig, aber
dahinter liegt zweimal Ohnmacht. Ein Kuß wäre in diesem Augenblick
ein unzumutbarer Grenzgänger. Meine Unsicherheit löst sich
erst auf, als ich mich beim Rasieren schneide.
Auf
dem Weg in die Stadt reden wir wenig, und wenn, dann in der fremden
Sprache. Vor dem Eingangsportal zum Café Slavia ist uns beiden
klar, dass wir uns beim Kaffeetrinken gegenübersitzen werden.
Wir stellen die Tassen mit einer für diesen Ort zu nachlässigen
Handbewegung auf den Tisch. Die Anwesenheit anderer bringt uns bisweilen
zum angemessenen Lachen. Das sind immer die gefährlichsten Augenblicke,
denn sie lenken von uns ab. Vor dem Verlassen des Lokals legen wir dem
Ober wohlwollend einige Kronen in die ausgestreckte Hand.
Während
meine Zunge in ihrem Mund Wurzeln schlägt, hält der Parteivorsitzende
seine Schlußrede auf dem siebzehnten Parteitag. Besonderes Augenmerk
werde wiederum auf die Agrarreform gelegt, die allen Bürgern der
CSSR eine noch ausgewogenere, gesündere und besser auf die Arbeitskraft
abgestimmte Ernährung garantieren soll. Die Haut der Prager ist
genauso hell und dünn wie die der übrigen Mitteleuropäer.
Der Taxifahrer, der uns vom Café nach Hause fährt, glänzt
mit dieser Antwort im Rückspiegel.
Zuhause
wartet die Freundin ihres Bruders und erzählt von ihrer Heimat.
In ihrem Dorf, und das ist kein böhmisches, müssen die Frauen
das Wasser aus dem Brunnen schöpfen. Das härtet ab, sagt ihr
Bruder, der auch noch vorbeigekommen ist, um nicht allein zu sein. Im
Sozialismus haben es die Menschen eilig, einander zu begegnen.
Als
wir wieder allein sind, legen wir uns prüfend nebeneinander. Das
Zimmer gleicht einer Toilettentasche: zu viele Utensilien, die man doch
nicht missen möchte. In Prag ist die Liebe nicht leichter handzuhaben
als die Distanz. Die Haut der Prager ist hell, die Höflichkeit
geht ihnen stets voraus. Hier kommt die Liebe immer von unten, auch
wenn sie über einem liegt. Manchmal gelingt es zwei Liebenden doch
noch, einen Frühling aus sich zu machen.
Prag
verdankt seine Existenz der guten Laune eines Kartographen. Prag liegt
mitten in meinem Kopf. Jeder Mensch legt Wert auf seine Erdkugel. Prag
trägt mich ebensogut wie ich es trage. Im Spiegel sehe ich, wie
sie ihren Kopf an meine Schulter legt. Ihre Tränen sind nicht die
Hollywoods. Es fällt mir schwer, dies wahrzuhaben. Die Wirklichkeit
löst keine Kinokarte ein.
Im
Traum bin ich wieder allein und im Westen. Der Westen allein macht auch
noch nicht unglücklich, sagt der Taxifahrer und streckt die Hand
nach dem Trinkgeld aus. Im Traum bin ich stets einer, der nie aufhört
zu schlafen. Das gerade macht ihn so lebensnah und so verdächtig.
Viele
Prager leben in der Neuen Welt. Dieser Umstand allein begünstigt
noch keine Symphonie. Sie denken wehmütig an zu Hause, wo noch
jeder jeden des Glücks verdächtigen kann. Die Kleinstädter
Gassen sind der Umschlagplatz für Botschaften aller Art. Die meisten
Kommuniqués unterscheiden sich nur durch Unterschrift und Stempel.
Die Phantasie ist von Amts wegen ein geschwollener Lymphknoten.
Ich
rate jedem, der von Natur aus abergläubisch ist, nach Prag zu fahren.
Vielleicht, weil es Prag gar nicht gibt und nur in meinem Kopf liegt.
So fällt die Orientierung leichter, und die Umgebung wird durchschaubarer.
Der Schatten an den Häuserwänden regelt das übrige. In
Prag hat somit jeder Fußgänger die reelle Chance, unbehelligt
über den nächsten Fünf-Jahresplan zu kommen.
Der
Schweiß in ihren Achselhöhlen hat nichts mit dem Arbeiter-
und Bauernstatus zu tun. Gerade hier transpiriert man noch vor Erregung.
Die Zimmerwände sind historisch gewachsen und mit Schweigen verputzt.
Selbst langjährige Nachbarn erkennen einander nicht am Hüsteln.
Ich
eigne mich schlecht für Katastrophen, das habe ich mit Prag gemein.
Wir kommen uns so weit entgegen, dass einer von uns beiden gar
nicht anwesend zu sein braucht. Eine geheime Absprache, die beiden gleichermaßen
zugute kommt. Im übrigen denkt sich ein luzider Mensch wie ich
nicht ohne Stolz an das Objekt heran. Das ehrt auch das Objekt.
In
Prag wird die Liebe durch den Zwangsumtausch geregelt, dreißig
DM pro Tag. Endlich eine Stadt, die sich Gefühle noch was kosten
läßt, sage ich. Meine Verstopfungen weisen mich auch hier
als einen aus, dem das Loslassen schwerfällt. Im Osten wie im Westen
ist der Körper der Feind.
Ich
kenne wenige Tische in Prag, die nicht umgeworfen, wenige Seiten, die
nicht umgeschrieben werden. Die Anpassung an das Schicksal ist eine
Frage der Kinderstube. Die Angst dient als Korrektiv, mit dem überflüssige
und abwegige Papierstreifen in den Kanal gekehrt werden. In Prag ist
der Straßenkehrer, meist eine Frau, Dirigent des Systems. Ich
verstehe allmählich, dass Prag für viele eine Symphonie
ist.
In
Prag gehen die meisten Menschen barfuß, auch sonntags. Das erfordert
Standfestigkeit und verleiht den Sohlen den richtigen Schliff. Meine
Geliebte ist eine Ausnahme (sie ist erst vor kurzem aus der Slowakei
zugezogen): selbst beim Lieben behält sie die Schuhe an. Ihr Paß
führt als besonderes Kennzeichen Bodenständigkeit an. Das
müßte es im Westen geben, denke ich.
Erst
wenn du wieder außer Landes bist, werde ich zu mir kommen, sagt
sie und blickt mir unbestimmt über die Schulter. Diese ist wie
der Grenzstreifen und verbirgt die Gefahr, die von mir ausgehen kann.
Ich bin froh, dass ich breit gewachsen bin. Auch ein gutes Herz
muß abgefedert sein.
In
Prag promenieren die Menschen noch um ihr Glück. Ich bin oft versucht,
mich ihnen anzuschließen. Aber ihre Gangart macht es mir nicht
leicht. Von Prag aus führt eine kaum befahrene Straße in
den Westen, der im Falle Münchens fünf Autostunden entfernt
liegt. Das fordert eine Grenze nahezu heraus.
Heute
morgen bringt sie das Frühstück ans Bett. Das ist kein gutes
Zeichen. Ich mißtraue von Anfang an der Farbe des Tages. Alle
Abschiede sind transparent. Das haben sie mit der Liebe gemein. Die
Angst zieht eine Linie durch mich, sodass ich selbst das zu zwei
Dritteln verflieste Badezimmer für eine gelungene Fälschung
halte. Morgen kommt mein Sohn aus den Ferien zurück, sagt sie und
wartet auf meine Reaktion.
Im
Flur wird die Konspiration noch einmal zur Transpiration. Ihre Achselhöhlen
werden mir fehlen. Geborgenheit ist letztlich auch eine Frage der Zumutbarkeit.
In Prag haben die Treppenhäuser etwas von einem Opferstock an sich:
man verdient sich seinen Abgang. Als ich die Briefkästen nach Namensschildern
absuche, finde ich keine. Das ist wohltuend. Prag ist ein Saatgut Babylons.
Babylon ist nicht mehr auf meiner Erdkugel.
Ich
bin froh, dass ihre Achselhöhlen nicht parfumiert sind. Das
könnte mir den Abschied verderben. Der Geruch weist den Menschen
aus, und ein Paß ist längst noch kein Parfum: Ein vorsichtiger
Staatsbürger hat beides. In den wenigsten Fällen läuft
die Liebe in den Fingerspitzen zusammen.
Der
Prager Regen wird mir fehlen. Nirgends schaukeln die Kaffeetassen im
Gewitterregen so wild wie auf einer Prager Kaffeehausterrasse. Angst
darf man hier ohnehin keine haben. Sie machte sich breit und ließe
einem die Tasse aus der Hand fallen. Darin gleicht Prag wiederum anderen
Städten. Das wäre etwas, worüber ich ihr schreiben könnte,
wenn ich wieder zu Hause bin. Briefe sollte man übrigens immer
mit der Hand schreiben. Nur so kann der Empfänger das Zittern des
Verfassers erkennen und dem eigenen vorbeugen.
Als
Abschiedsgeschenk hinterlege ich meinen Geruch. Alles andere ist nicht
zu begleichen, sage ich ihr. Während sie mir meine Reisetasche
ins Auto reicht, fällt mir unweigerlich das Allegro con fuoco in
Dvoráks Neunter ein. Vergeblich versuche ich, darin einen Platz
für sie zu finden. Entweder ich interpretiere das Stück falsch
oder ich liebe sie.
Prag
ist eine Träne, die nicht hierbleiben und auch nicht mitgenommen
werden darf. Prag ist eine Liebe, die den aufrechten Gang pflegt. Sie
ist verschwiegen und schon nicht mehr heimlich. Prag ist eine Liebe,
die meiner Traurigkeit mit einem Wenn du wiederkommst, werde ich
den Spiegel im Badezimmer abgehängt haben! zuvorkommt.
Die
Neue Welt ist eine Lüge, sagt sie zum Abschied und hebt stolz ihren
Kopf. Sie ist doch eine Pragerin, denke ich mir, als ich sie im Rückspiegel
barfuß am Randstein sehe.
Ohio
ist ein Irrtum
Manche
behaupten, Josua wasche seine Hände in Blut. Sie sehen den Teufel
in ihm, der ihre Dächer einbrechen, ihre Wagen in den Graben schleudern
und ihre Töchter davonlaufen macht. Nicht so einer wie Josua, halte
ich ihnen entgegen, nicht mit so einem Namen.
Was macht schon sein Name, gerade sein Name! höhnen sie, und, klagend:
er geht einfach zu weit!
Er geht weiter als ihr, rufe ich ihnen noch einmal zu und biege um die
Ecke.
Josua:
ich vermute ihn nachts, wenn der Nebel die Stadt durchkämmt und
die Ängste ihr Spiel beginnen. Es heißt, dort, wo die Menschen
ängstlich und aufatmend zugleich in den Hauseingang springen, ist
Josua zu finden.
Wer ihn jedoch dort sucht, sucht vergeblich, ich möchte beinahe
sagen, der sucht um Vergebung oder auf eigene Gefahr. Letzthin stand
einer aus Ohio mitten in der Gasse, um ihn herum nur das engmaschige
Geflecht des Nebels, er stand da auf einem Bein und klatschte dreimal
in die Hände. Es rührte sich nichts und schon gar nicht Josua,
den er hinter irgendeinem Mauervorsprung hervorzutreten erhoffte. Worauf
der Mann aus Ohio (im übrigen ein Reserveleutnant der 7. US-Divison
Süd, der es gewohnt war, in die Hände zu klatschen, und extra
wegen Josua die Reise über den großen Teich auf sich genommen
hatte), ein zweites Mal in die Hände klatschte, nun immerhin lauter
und fordernder.
Und siehe da es löste sich wahrhaftig eine Gestalt aus dem
Nebel und kam im schalen Licht der Laterne auf ihn zu. Keiner weiß
genauer, was dann passierte, selbst die Zeitungen mutmaßten am
nächsten Tag nur: Der Mann aus Ohio sei dermaßen durch Josuas
Anblick erschreckt worden, dass er Hals über Kopf die Flucht
ergriffen und noch in derselben Nacht überstürzt und ohne
ein Trinkgeld zu hinterlassen zuerst das Palace Hotel und dann die Stadt
verlassen habe. Kein Wunder, dass dieses für einen Mann von
Welt, zumal der Neuen, äußerst unübliche Verhalten beträchtliches
Aufsehen erregte. Daß er bei seiner Ankunft auf dem Flughafen
von Cleveland an der linken Hand nur noch drei Finger zählte, tat
ein übriges. Über den Verbleib der beiden restlichen konnte
oder wollte er den verblüfften Reportern keine Auskunft geben.
Die Zeitungen ergingen sich in Spekulationen und überboten einander
im Schlimmsten. Einig waren sie sich nur darin, dass der Mann einen
leicht verstörten Eindruck auf sie gemacht habe, was aber weiter
nicht verwunderlich sei, da nun seine Tage als Reserveoffizier gezählt
seien. Denn auch die 7. US-Division Süd kann auf einen Offizier
mit acht Fingern verzichten.
Die Bewohner unserer Stadt schreiben die zwei Finger natürlich
Josua zu und schrecken selbst davor nicht zurück, ihm die seitdem
rückläufigen Übernachtungszahlen amerikanischer Touristen
in unserer Fremdenverkehrsmetropole anzulasten. Das macht böses
Blut, das versteht ein jeder.
Man klatscht nicht in die Hände, wenn man einen Menschen sprechen
will, sage ich bei jeder Gelegenheit, es könnte als Applaus gewertet
werden oder als Affront, und das müßte sogar ein Reserveoffizier
aus Ohio in Betracht ziehen.
Obwohl ich selbst nie beim Militär gewesen war und dies einfach
so vor mich hingesagt hatte, war ich erstaunt, meine Worte vom zustimmenden
Nicken alter Kriegsveteranen begleitet zu sehen. (Ich zweifle jedoch
an ihrem Verständnis und sehe in ihrer Haltung vielmehr die alte
Schule.)
Wie erwähnt, es nützt nichts, nach Josua zu suchen, und es
scheint nicht ohne Risiko, bei Nebel in die Hände zu klatschen.
Da ihn noch keiner gesehen hat, sind die rührendsten Vermutungen
im Spiel: Einige und das sind nicht die Schlechtesten, nämlich
die, die aus der Geschichte gelernt haben beharren darauf, dass
Josua vor vielen Jahrhunderten Leibwächter des Königs Javlos
gewesen und bis in unsere Zeit herauf dazu verurteilt sei, eine schreckliche
Tat abzubüßen. Er sei in jungen Jahren bei Nacht und Nebel
mit der Gemahlin seines Herrn auf- und davongeritten, habe mit ihr,
stets auf der Flucht vor den Soldaten des ergrimmten Königs, in
drei Jahren drei mal zwei Kinder gezeugt, von denen bis auf eins alle
den eiskalten Nächten im Wald zum Opfer gefallen seien. Darüber
sei Josua in größte Verzweiflung geraten, habe den Tod der
Kleinen als Strafe des Himmels angesehen und sich mitsamt seiner Frau
und dem einzig überlebenden Kind in einen reißenden Fluß
gestürzt.
Seither geistere, bei Nacht und Nebel, dieser Josua durch die Gassen
der Stadt und suche nach den erfrorenen Leibern seiner Kinder, um sie
wieder zum Leben zu erwecken.
Ich kann dazu nichts sagen, außer: ich traue Josua alles zu. Aber
ich traue ihm auch und schiebe ihm nicht jedes Unglück, das mir
oder anderen widerfährt, in die Schuhe.
Ich weiß wohl, es gibt ihn, ich weiß oder vielmehr, ich
spür es. Wenn es um Josua geht, überlasse ich nichts dem Zufall,
dann schon eher den Kindern.
Ja, ich glaube den Kindern, die abends vorm Feuer mit brennenden Augen
berichten, wie sie plötzlich starr vor Angst hinter dem Drahtverhau
gestanden und dem Rascheln des Laubs gelauscht hatten, so überrascht,
dass sie nicht einmal den Mund aufsperren konnten (gerade die Kinder!),
als eine Riesengestalt aus dem Buschwerk trat, ein Hüne mit gewaltigem
Kopf und schaufelgroßen Händen und einem Lächeln wie
der Erzengel Michael; als er sie auf seine Schultern hob, zwei auf jeder
Seite, hatten sie sich ganz stark gefühlt, und bis nach Patagonien
wären sie gern mit ihm, doch er hätte sie mit einem kurzen
Ermahnen zur Einsicht gebracht und sie sicher durch den Nebel getragen,
bis vor die Haustür, und sie dort abgesetzt.
Da komme mir noch einer und behaupte, Josuas Lager wäre unser aller
Untergang, oder sage lauthals, Josua schliefe nachts auf dem Stroh,
mit dem er anderntags unsere Häuser anzünde, da komme mir
noch einer!
Wo Nebel ist, ist der Mensch nicht weit, pflegte meine Großmutter,
eine Gastwirtin, zu sagen, und die mußte es ja wissen!
Nicht zuletzt deswegen wundere ich mich, dass ausgerechnet jene,
die Nacht und Nebel scheuen, am besten über Josua Bescheid wissen.
Sobald sich der Vorhang im Fensterkreuz hebt und Schritte über
den Hof hallen, löschen sie schnell das Licht, drücken sich
eng aneinander oder an die Wand, sie stülpen die Augen nach innen
und die Fäuste nach außen.
Doch: wo des Bürgers Kleinmut, ist auch sein Unmut.
Und so durchstreifen tagsüber, bei günstigem Licht, Such-
und Spähtrupps die Stadt und sichern Spuren, zumal die sichtbaren.
Sind die einen erbost, aber noch geduldig (obwohl bisher von einem Anstieg
der Übernachtungszahlen amerikanischer Touristen keine Rede sein
kann), reagieren die anderen die Historiker beinahe überschwenglich.
Tauchen die einen die Politiker immer mehr ins Dunkel
ihrer Amtszimmer und verriegeln dort Türen und Fenster, so strömen
die anderen aus allen Universitäten und Instituten zusammen und
wittern ihre große Chance: endlich mit einer fundierten These
über Josuas Herkunft akademische Karriere zu machen, sich im internationalen
Feld der Wissenschaftler zu profilieren.
Noch haben sie sich nicht geeinigt, stelle ich schadenfroh fest, noch
bleibt alles beim alten.
Gilt er den einen schlichtweg als Teufel, so den anderen als historische
Person, als Leibwächter des Königs Javlos, als einer, der
sich in seiner Diaspora durch die Jahrhunderte streckt.
Wenigstens hat er seine Bleibe, denk ich mir, wenn Nacht und Nebel aufkommen.
Laßt ihn im Nebel, sage ich stets, da liegt er gut in der Zeit.
Aber da immer wieder ein Haus abbrennt (oder einer eins anzündet),
dessen Besitzer im Knistern des Feuers ein hohles Lachen zu hören
behauptet, und da immer wieder eine Frau ihr Neugeborenes an den Randstein
legt, bleiben die Fenster auch künftig geschlossen, die Blicke
hinter dem Fensterkreuz und die Menschen zu Hause, die einen gar in
Ohio.
Keiner glaubt den Erzählungen der Kinder, die von Josua über
den Fluß (und beinahe bis Patagonien) wie auch durch die Jahre
getragen werden, keiner glaubt ihnen, dass Josua eigentlich ein
Niemand, eine Vorstellungskraft bzw. -schwäche sei, und schon gar
nicht glaubt es der Reserveleutnant aus Ohio, 7. US-Division Süd,
wenn er mit den drei Fingern seiner linken Hand über die beleuchtete
Erdkugel auf seinem Schreibtisch fährt, sie zum Kreisen bringt
und haßerfüllt nach unserer Stadt Ausschau hält.