Ich richte mich ein, ja, ich setze mich zusammen,
da Herr Test das Flugzeug nimmt und gleich zweimal
abstürzt. Ich, ich träume in meinem, meinem
Hotelzimmer auf Thursday Island meinen, meinen Absturz als
Odysseus. Ich, ich wähne mich zwischen zwei Kriegen und
finde Halt zwischen dem, was war, und dem, was sein wird. Nach
meinem, meinem Abflug sehe ich, ich mich, mich im Cockpit des
Fluges Nr.XXXX der Lauda Air und stürze neuerlich ab.
Schubumkehr? So nehme ich zu, so lade ich mich auf.
GROND, Absolut Homer.
I
Wenn die Kameraden von Troja erzählen. Keine Angst. Wenn sie
davon erzählen, was war. Ithaka und was geschehen
könnte.
Ich stellte mich vor den Spiegel und legte die Stirn in Falten.
Ich gähnte mit weit geöffnetem Mund. Ich schrie.
Keine Angst. Als ich den Anruf bekam. Meine Koffer waren gepackt.
Als ich von Pen Abschied nahm. Keine Angst. Und am Flughafen
eintraf. Meine Kameraden.
Wir hatten nichts anderes zu tun als zu warten. Der Flug beginnt
mit Warten. Jede Aktivität setzt aus, jede Gegenwehr gegen
die Zeit.
1. Keine Angst. 2. Wenig Angst. 3. Viel Angst. 4. Sehr viel Angst.
5. Panik.
Wenn sich die Türen schließen. Die Höhe. Und keine
Luft. Oder ein Herzanfall. Wenn ich ohnmächtig werde. Wenn
ich festgeschnallt bin. Und die Maschine brennt, explodiert, die
Maschine stürzt ab.
Und weiter: Ich falle. Weiter: Ich werde bewußtlos. Und: Ich
pralle auf.
Habe ich Schmerzen? Merke ich überhaupt nichts? Bin ich tot?
Was ist dann?
Keine Angst. Als ich die Ansagen hörte. Als ich die
Anzeigetafeln las. Als ich die Aufrufe hörte, den
Düsenlärm, und die Maschinen sah und das Rollfeld. Als
ich meine Maschine sah und sah, dass sie schwarz war.
Ich wußte, was ich zu fürchten hatte. Kirke hatte mir
alles gesagt. Was ich zu tun und zu lassen hatte. Alles, nur keine
Gegenwehr.
Und wir stiegen die Stufen zum Einstieg hinauf und traten ein und
gingen zwischen den Sitzreihen durch und suchten unsere Sitze und
schnallten uns an.
Ich war im Cockpit allein. Neben mir Penelope, Pen!, und ich
weinte. Tränen! Ich konnte sie nicht erreichen. Wie Kirke
gesagt hatte, die Kameraden. Die Heimkehr wurde uns zur
Gefahr.
Die wir uns suchten, Gefahr. Die Schönheit ist männlich.
Die Steuerung mittels Nacken, Schenkel und Arsch. Wir flogen.
Die Wolken zogen sich zurück und gaben das Blau des Himmels
frei. Der Himmel in seiner ganzen Blöße. Das nackte
Blau.
Und wir flogen. Ithaka war mein Ziel. Daß wir flogen.
Heimwärts, diese Weite. Ich konnte vorwärts gehn wie
nach oben, nach unten und zurück. Ich konnte, wie auch immer
ich wollte: Alles war meine Bahn.
Der Boden, Ithaka war meine Grenze. Nachdem Troja gefallen war:
Ithaka! Ich flog. Westwärts, gegen die Zeit. Ich wußte,
dass ich nicht sterben konnte. Ich war in der Luft. Das
Licht.
Himmelslicht. Blau. Zum Zeichen meiner Ungeduld: Loopings: zum
Zeichen meines Zorns. Wenn ich an Ithaka dachte: Troja! Du hast
mich empfangen im Blut, das ich vergießen werde, das Blut
fremder Männer.
Tragflächenschaukeln hieß Sorglosigkeit. Auch
Mattigkeit. Müdigkeit, wenn ich an Ithaka dachte, stellte ich
die Motoren ab und überließ die Maschine dem Wind.
Bis es passierte. Plötzlich: Der Bereich der
Zwischenfälle ist so groß, dass es unmöglich
ist, einen Zwischenfall zu definieren. Deshalb kann ich auch nicht
mit Sicherheit sagen, was geschehen ist an diesem Tag.
Die Wettervorhersage: Mittlere bis gefährliche Turbulenzen in
Verbindung mit Gewittererscheinungen mit eventuell extremen
Turbulenzen bei schweren Gewittern.
Das war gestern. Heute, das Wetter war klar. Die Gewittergebiete,
zwischen denen ich flog, waren 30 Kilometer entfernt.
Flughöhe 7.000 Meter. Ich schaltete den Autopiloten ein und
begab mich nach hinten.
Die Maschine begann zu rütteln. Die Kameraden wurden in ihre
Sitze gepreßt. Ich fand mich am Boden wieder. Auf allen
vieren kroch ich von Sitz zu Sitz nach vorn und in meinen
Sitz.
Die Wolkendecke war erreicht. Flughöhe 2.700 Meter. Gas. Der
Schub in meinem Rücken, mein Gewicht am unteren Teil meines
Rückgrats. Die Maschine stieg steil auf.
Ich drückte die Maschine herunter, um in einen Geradeausflug
überzugehn. Und das Wasser wich zurück, und eine Insel
stieg auf, eine Inselgruppe.
Ich wurde von meinen Sicherheitsgurten gehalten, während die
Kameraden aus ihren Sitzen gerissen wurden und flogen, die
Bierflaschen und Whiskyflaschen, gegen die Decke, wo sie schreiend
hingen, die Kameraden, bis die Maschine wieder in den
Geradeausflug überging.
Mein ganzes Gewicht auf meinem Sitz. Ich zog eine Schleife. Ich
flog mit konstanter Geschwindigkeit geradeaus, als es passierte.
Plötzlich.
Ein Staubkorn am Himmel. Ich sah es, sofort, aus dem Augenwinkel.
Ich sah: eine fremde Maschine. Und dass sie schwarz war. Ich
sah das Gesicht der Pilotin.
Pen!, und ich wachte auf. Ein plötzlicher Aufwind hob mich
empor, ich drückte die Maschine nach unten. Das Wasser. Die
Weichteile des Gesichts sind abgesunken, die Haut ist bleich,
grauer Schleier.
Der Aufwind trug mich hoch, schwarzer Schleier, mit 3.000 Metern
pro Minute nach oben. Vermehrte Lungenventilation, die
Zwerchfellbewegungen sind sehr eingeschränkt. Eine Insel.
10.000 Meter, 12.000 Meter, Abwind. Wadenkrämpfe, die unteren
Gliedmaßen nehmen an Umfang zu. Mit 300 Metern pro Sekunde
dem Boden entgegen, Bewußtseinsverlust.
Sturzgeschwindigkeit 890 Stundenkilometer. Das Herz ist leer. Die
Maschine überschlug sich und blieb mit der Unterseite nach
oben liegen.
So muß es gewesen sein. Als ich erwachte, am Himmel Asche,
Bleistifte, Gläser, Taschenlampen, Handbücher,
Zigarettenkippen. Wir hingen in unseren Sitzen festgeschnallt,
Kopf nach unten.
Keiner rührte sich, es war vollkommen still. Ich schnallte
mich ab und ließ mich fallen. Die Kameraden blieben
völlig ruhig mit dem Kopf nach unten hängen.
Ich schnallte sie ab, und sie fielen in meine Arme. Einer nach dem
andern. Ich half ihnen auf. Zum Ausgang. Einer suchte nach
Zigaretten, ich schlug ihm ins Gesicht, ein anderer nach seinem
Portemonnaie.
Ich schlug ihnen ins Gesicht. Die Ausgangstür. Ich schrie.
Ich zerrte an ihrer Montur. Ich flehte sie an auszusteigen. Sie
rührten sich nicht.
Einer stand in der Tür und weigerte sich hinunterzuspringen.
Ich trat hinter ihn und trat ihm in die Kniekehlen und in den
Rücken, ich trat sie hinaus. Einen nach dem andern.
Der letzte, der sprang, war ich. Traumlos geschlafen. Ich
weiß, ich habe geträumt, ich habe alles vergessen. Der
Fernseher läuft, und ich schenke mir von meinem Whisky nach,
zollfrei von der Isle of Skye, und drehe den Ton auf. "Call
me!"
Nach Mitternacht sehe ich, was ich morgen in einem der General
Stores sehen werde, zwischen Haushaltsartikeln verstaubte Videos:
Sex. "Call for the most fun You can have on the phone!" Das
Gesicht und das Telefon, Standardausführung.
Dazwischen ist nichts. Keine Stimme, kein Körper. Der
Kommentar sagt mir, was ich sehe, die Telefonnummer, nachdem ich
gesehen habe: Das Kleid ist wie die Lippen rot. Oder eine
Portraitgalerie, weiblich, unten links ein Männergesicht. Ich
dämpfe die Zigarette aus.
Ich stehe auf und trete ans Fenster. Am Himmel die Sterne: Ein
Mann (Kentaur und Wolf) steht in einem Kanu (Körper und
Schwanz des Skorpions, der Anker der Schütze), in der linken
Hand einen gezackten Speer (Kreuz des Südens), sorbi oder
Eugenia, eine apfelähnliche Frucht mit roter Schale (der
Rabe), in seiner rechten Hand.
Tagai, und ich erinnere mich: Am Ende der Geschichte wird der
Jäger in einen Felsen verwandelt. Harry Massi wird mir davon
erzählen, und von Basooki, der sich in einen Gimpel
verwandelt hat. "Er ist nach Mer geflogen, um nach unsren Familien
zu sehn. Er ging auf den Mast zu und plötzlich war er vor
unsern Augen verschwunden.
Dann hörten wir das Geräusch von Flügelschlag in
der Nacht. Eine Stunde später schauten wir auf und sahen
einen Gimpel am Mastkorb. Dann erkannten wir plötzlich
Basooki an Deck. Er hatte eine Mangoblüte im Haar. Er sagte,
er habe sie von Mer mitgebracht, und unsere Familien seien
wohlauf."
Es ist vier Uhr früh, und ich liege wach. Der Fernseher
läuft, Musikvideos ohne Ton. In 12 Stunden werde ich an der
Hauptstraße stehen, vor einem der General Stores, und ein
Wagen wird aus der Kolonne ausscheren und vor mir parken. Eine
Frau wird aussteigen, und ihre Haut wird noch weißer sein in
dem schwarzen Kleid.
Und Mark wird mich fotografieren, an eine der Kanonen gelehnt,
hoch über dem Ort, die grüne Kette der Inseln im
Hintergrund. Die Soldaten haben vergeblich auf russische Schiffe
gewartet, wie sie 50 Jahre später vergeblich auf die Japaner
gewartet haben. Die Kanonen ragen schwarz gestrichen ins
ungeschnittene Gras.
Und ich werde in den "Torres News" lesen, in den "Police News" auf
Seite 2, dass die Rettung am letzten Samstag um 4 Uhr 30 die
Polizei benachrichtigt hat, dass ein Toyota Landcruiser mit
Colin Walter Brand am Steuer offensichtlich außer Kontrolle
geraten ist, gegen den Rinnstein gestoßen ist und sich
überschlagen hat.
Bei meiner ersten Inselrundfahrt gestern abend habe ich die Stelle
mit eigenen Augen gesehn, eine übersichtliche Kreuzung. Der
Flugzeugmechaniker an der Bar hat vom Spital erzählt,
dass es hier nicht einmal Sauerstoff gäbe, keine Chance.
"He had no chance at all."
Ein Schluck Mineral – ich trinke kein Leitungswasser, obwohl das
Wasser hier, wie mir Michael versichert hat, aus dem Reservoir
kommt, von der höchsten Erhebung der Insel, zwei dreieckige,
dreckig-braune Teiche, die ich noch sehen werde, das Regenwasser
wird zum Großteil über eine Pipeline unter dem Meer von
Horn Island herübergepumpt – und eine Zigarette, während
das Nachtprogramm ausläuft, Musikvideos noch bis sieben.
Dann Nachrichten. Die "Torres News" liegen in der Mitte
aufgeschlagen auf meinem Bett, französisches Doppelbett, das
Fernsehprogramm von Freitag bis Donnerstag, zwei Kanäle, ABC
und Ten, der Sender steht über dem Reservoir, "Caution". Ein
Drahtgitterzaun, an dem sich Efeu hochrankt oder wilder Wein bis
über den Aufsatz aus Stacheldraht.
Meine Festung liegt nach wie vor im Dunkel, mein Garten.
Blumentisch, -schale, -ständer: jardiniere. Das Paradies ist
künstlich. Die Kerube und das zuckende Flammenschwert.
Nachdem das Grand vor zwei Jahren abgebrannt ist, ist das Jardine
das erste Haus am Platz. Und weil es so neu ist, ist es in keinem
Reiseführer verzeichnet.
Die Kerube heißen Michael und Mark. Michael ist blond, Mark
ist schwarzhaarig. Beide sind um die 30. Und vom Festland, wie sie
mir erzählt haben, sind sie auf eine Annonce hin hierher
gekommen: to make money. Also machen sie alles: Portier und
Putzmann, Chauffeur, Kellner, Barmann.
Somerset Maugham ist 1916 hierher gekommen, nachdem er in Sydney
gehört hatte, das hier sei der letzte Ort, den Gott
geschaffen habe, das Letzte. Daß es hier nichts zu sehen
gäbe und dass man ihm die Kehle durchschneiden
werde.
Maugham hat auch nichts von der Insel gesehn als das Hotel nach
seiner nächtlichen Ankunft – das Grand, von dem noch die
Grundmauern stehen, und Hinweisschilder – und den 93jährigen
French Joe auf dessen Sterbebett im Spital, seine Stimme schwand
immer wieder und plötzlich, sie klang, als spräche er
aus dem Grab.
Das "Torres Strait Radio" meldet sich heute erst wieder am abend,
um viertel nach sieben, eine Dreiviertelstunde "Party Line", und
ich stehe auf und schalte die Lüftung ein. Der Lärm
treibt mich ins Bad und unter die Dusche, die stickige Luft. Das
Fenster ist fest verschlossen, damit die Lüftung
funktioniert, die einzige Verbindung nach draußen.
Mittwoch, 6. April, 2 Uhr nachmittag: Tätlicher Angriff auf
einen Mann in Aunt Mary's Bakery, zwei Häuser von mir
entfernt an der Promenade. 9 Uhr nacht: Tätlicher Angriff auf
eine Frau in der Bar des Torres Hotel, eine Parallelstraße
weiter, die Hauptstraße dieses "einzigartigen Orts", wie
Willie Nelson, der einzige hauptberufliche Fremdenführer,
annonciert, "ein Bauerndorf auf einer Insel."
3.000 Einwohner, Insulaner der Torres Straße, von Papua, den
Philippinen, Malaysien, Indien und Sri Lanka, Japan, China,
Aborigines und Europäer. Ich werde keinen von ihnen sehen,
wenn ich zu Mittag zum ersten Mal durch den Ort gehen werde, das
Gesicht und die Unterarme, Nacken und Hals mit Sonnenmilch
eingecremt, und den Hut tief in die Stirn gedrückt, ich halte
ihn am Riemen fest, unterm Kinn.
Es ist 5 Uhr früh, und ich stehe am Fenster, ein Handtuch um
die Hüften geschlungen, und mühe mich mit dem Fenster
ab. Bis es sich öffnet, einen Spalt breit. Ich kehre ins Bett
zurück, nachdem ich die Lüftung abgestellt habe: das
Pfeifen.
"Der Wind ist eine Person," wird Harry sagen. "Sogar der Zyklon,
der große Wind, wird von uns nicht beim Namen genannt. Wir
nennen ihn Em." Und die Taube, die gegen Ende der
Südost-Saison den Halbkreis der Inseln beschreibt,
südwärts auf Nahrungssuche, nennen die Eingeborenen
"gainau": Sie legt ihre Eier in die Mangroven der Ostküste
von Cape York und kehrt mit ihren Jungen nach Nordwesten
zurück, nach dem Nordwest-Monsun.
Schlaflos am Fenster, Nacht. Drei Lichter unter dem Himmel, der
überschwemmt ist mit Sternen. Tagai, und ich suche nach einem
System, das mir hilft, mich zurechtzufinden, zwischen Schiffbruch
und Kopfjägern, wie die Chroniken sagen, am Rand der
Welt.
"Vielleicht gibt es keinen Ort von dreieinhalb Längengraden,
der mehr Gefahren in sich birgt als die Torres Straße", hat
Matthew Flinders notiert, als er sie 1792 passierte, an Bord der
"Providence", Captain Bligh hat 23 der 150 Inseln kurzerhand nach
dem Alphabet benannt, mit den Buchstaben A bis V.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zu warten. Und die
drei Lichter draußen am Meer werden Fischerboote sein. Wenn
es hell sein wird, in einer guten Stunde werde ich alles sehn: das
Grau des Asphalts, die braunen Sandstreifen, der Grünstreifen
zum Meer hin, der Strand.
Auslegerboote, die in der Sonne verrotten, Hunde und spielende
Kinder. Tom Nakata, der hier geboren wurde, wird mir von seiner
Arbeit beim Zoll erzählen – Inspektionen auf See,
Quarantäne – und seine Evakuierung erwähnen -
Internierung am Festland von 1942 bis 46 – während wir auf
den Stufen sitzen, die hinunterführen zum Strand: grauer
Sand, nasses Braun und Steine.
"Schiffbrüchige sind keine Menschen. Sie sind die Geister der
Toten," wird Harry sagen und mich durch sein Haus führen, das
wie die meisten Häuser hier auf Pfählen steht, damit die
Luft unter dem Boden durchstreichen kann und durch das Haus,
Fenster und Türen stehen offen.
"Wir haben ein Feuer gemacht, ein großes Feuer. Nachdem es
heruntergebrannt war, bauten wir einen Rost, auf den wir die Toten
legten. Wir haben sie einbalsamiert und mit weißen Federn
bedeckt. Dann wurden sie über der Erde bestattet."
Tom wird mich zum japanischen Friedhof führen, unter
Bäumen lichtblaue Stelen, und Bäume, die aus den
Gräbern wachsen, Feigen. Er wird mir den Wongai zeigen, die
roten Früchte sind noch nicht zu sehen. Oder nicht mehr, es
ist Herbst. Und er wird mir erklären: "Wer seine Früchte
ißt, wird wie die Taube wiederkehren."
Zum Abschied wird mir Harry eine kegelförmige Muschel
schenken, "wauri", damit ich begreife, was er mir gesagt hat,
während Tom, als ich ihn zum Auto begleite, noch einmal sagen
wird, was hier in den letzten Jahren alles geschehen ist. Und ich
werde die astronomischen Preise – die Tafeln zwischen
heruntergekommenen Häusern im wuchernden Gras – mit anderen
Augen sehen.
Halb sechs. Ich habe das Fenster geschlossen: die Stille, das
flackernde Licht: Der Fernseher läuft, und ich liege wach.
Wie oft habe ich schon die Zeitung gelesen und wie viele
Bücher, bevor ich hierher gekommen bin? Um zu vergessen. Ich
stehe auf und gehe ins Bad.
Seit den 50er Jahren, nach 100 Jahren Perlmuschelfang, gibt es
hier keine Arbeit mehr. Plastik statt Perlmutt: Wohlfahrt und
Kinder. 35 öffentliche Einrichtungen für die 10.000
Bewohner der Torres Straße, die sich als eigene Nation
empfinden: "Selbstverwaltung bis zum Jahr 2001".
Jetzt wird das Ergebnis der zweiten Kommunalwahlen angefochten,
zumindest auf Yam. Die "Torres News" bringen die Fotos der
Ratsvorsitzenden von Badu, Darnley, Dauan (eine Frau), Hammond,
Saibai, Seisia, Stephen und Yorke. Auf dem Foto am Titelblatt sind
junge schwarze Frauen in kurzen, weißen Kleidern zu sehen,
weiße Schleier und Schuhe, und in der Mitte, bis über
den Kopf, bis zum Boden in Weiß, ein Mann.
Es ist kurz vor sechs, und ich muß mich für eines der
Badetücher entscheiden, die alle gleich aussehen, grün.
Mein Doppelzimmer ist für drei gedacht: Neben dem Doppelbett
steht ein weiteres Bett an der Wand, für die
überzählige Decke, den Polster, den Überwurf in der
Farbe der Wände, grau mit bunten Flicken.
Über meinem Bett hängt ein Bild von Harry Nona, der hier
geboren wurde, 1971 auf dieser Insel, der Captain Cook auf der
Heimreise von Tahiti ihren Namen gegeben hat, an einem Donnerstag
1770. Oder es war ein Mittwoch im Jahr der Französischen
Revolution, als Captain Bligh im offenen Boot Wednesday Island
passierte, an Tuesday Island vorbei Richtung Westen: Thursday und
Friday Island.
Keiner von beiden hat seinen Fuß auf die Insel gesetzt, die
in der Sprache der Eingeborenen "waiben" heißt oder
"trockener Ort". Das Bild über meinem Bett zeigt zwei
Tintenfische, Weiß auf blauem Grund, die Girlanden der
Wellen. Ich stelle den Wecker ab, der auf halb acht gestellt ist –
Frühstück von sieben bis neun – mein Wecker auf
Ortszeit.
"Stellen Sie Ihre Uhr zurück." Und ich wartete auf die Nacht.
Ich legte die Augenbinde an, die vor dem Start verteilt wurde, mit
den Kopfhörern. "Geben Sie die Kopfhörer vor der Landung
zurück, Sie können sie anderswo nicht verwenden." Der
Bildschirm zeigte mir, wo ich mich gerade befand. Wieviele
Kilometer vom Ort des Abflugs entfernt, die Zeit bis zur
Ankunft.
Die Entfernung wächst, die Zeit läuft ab. Im
geschlossenen Kreislauf der Maschine. Spielfilme, Videoclips,
Neues aus der Welt der Mode, Nachrichten: "Inflight News", Chanel
9: Fortsetzung des Festlandprogramms. Der Ton zum Bild auf Kanal 1
oder 2. Die restlichen zehn Kanäle: Endlosschleifen.