Es mag an dem gebrochenen Mittelfußknochen liegen, der mich wie ein schwerer Anker im Haus in Ursprung festhält, während ich die besten Gigs in der Stadt versäume, es mag die graue Jahreszeit oder das Alter sein. Wie auch immer, ich blättere in der Vergangenheit, in der für meine Generation mit Nineteen Eighty-Four von George Orwell auch die Zukunft begann.
30 Jahre
Gangan Verlag
Jakobsweg 18
8046 Stattegg-Ursprung
Tel: +43 680 3136961
www.gangan.at
|
 |
Graz war vor 30 Jahren, also 1984, schon ein Großstädtchen.
Petra Ganglbauer über Antoine im Ganganbuch 1984 | © Gerald Ganglbauer
 |
1984 gründete ich den Gangan Verlag (ursprünglich als projekt gangan bis zum Gewerbeschein) und heute, dreißig Jahre später blättere ich wieder in meinem ersten Buch, dem Jahrbuch 1984, (später auch als Ganganbuch 1 bekannt; die Reihe lief noch bis Nummer 6), einer Anthologie aus literarischen Texten, künstlerischen Portraits und kulturjournalistischen Beiträgen.
1984 war ein gutes Jahr für den Start von etwas Neuem, dem großen Bruder aus dem gleichnamigen Roman Orwells zum Trotz. Ich war damals noch so jung – Österreichs jüngster Verleger – sodass ich mir nicht einmal vorstellen wollte, so alt zu werden um das dritte Jahrtausend noch zu erleben. Schließlich wäre man dann schon über 40 – und damals traute man keinem über 30. Dennoch hatten die “Alten” etwas faszinierendes. etwas, das wir erst anhäufen mussten: Vergangenheit.
Antoine: Blauer Akt & Gerald Ganglbauer-Portrait 1984 | © Anton Haller
 |
 |
Ingenieur Anton Haller hatte viel davon, war er doch schon 77. Im Grazer Kulturgeschehen als “Antoine” fest verankert, fotografierte er das Leben und so manches nackte Modell. Und nicht nur das, wie Gerüchte besagten, von denen wir annahmen, er würde sie selbst in Umlauf bringen, um im Stadtgespräch zu bleiben. Wie auch immer, der seltsame kleine Mann gehörte damals zum Stadtbild von Graz wie der mittlerweile ebenfalls vergessene Wa-Lu-Li-So zu Wien, bis beide irgendwann in den 90ern einfach verschwanden ohne Spuren im gerade erst langsam wachsenden Internet zu hinterlassen.
Herwig von Kreutzbruck: Graz – ein Versuch, Jahrbuch 1984 | © Gerald Ganglbauer

|
Herwig von Kreutzbruck erlitt ein ähnliches Schicksal: man vergaß ihn beinahe. Doch jemand erinnerte sich nach seinem Tod an den Text über Graz, Graz – ein Versuch nannte er ihn, den wir im Ganganbuch 1 abgedruckt hatten, rief mich in Sydney an um Jahrzehnte später eines dieser Jahrbücher zu bestellen.

Die manuskripte waren damals schon angegraut (1984 erschienen die Hefte 83 bis 86 und 1985 waren sie 25 Jahre alt) und ihr Herausgeber Alfred Kolleritsch schlicht das Feinbild meiner Dichter-Generation.

Auch den steirischen herbst gabs damals schon 17 Jahre lang und er musste sich, wie Riki Winter befand, bereits mit Traditionen und Weidlöchern aus der “Subkultur” herumschlagen. Was hat sich daran geändert, dreißig Jahre später, fragt man sich.
Es war wohl auch die Zeit, in der die Kleinschreibung eine Modeerscheinung der Avantgarde war (mein projekt gangan dabei gar nicht ausgeschlossen). Aber es war eine sehr schöne Zeit, voller spannender Entdeckungen, Herausforderungen, ungebrochener Post-Hippie Freiheit, Aufbruchstimmung in viele innere und äußere Reisen. Und ich war mittendrin:
gangan heißt ja in Sanskrit (althochdeutsch) bewegen, entwickeln, verändern.
1984, ganganbuch 1
Petra Ganglbauer (Hrsg.)
Gangan Verlag 1984, 176 Seiten, Illustrationen: Gert Peinhopf,
Kalendarium.
Autoren: Gerhard A. J. Bertha, Klaus Edlinger, Eduard Falk, Herwig von Kreutzbruck,
Martin Krusche, Wilfried S. Leitgeb, Leo Lukas, Mike Markart, Peter Pessl
u.a.
Softcover, 21 x 15 cm
ISBN 3-900530-00-9, 9,90 Euro |

|
Ursprung, am 24. November 2014
|