Erlebnis

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Erlebnis

Von Alex Bänninger, 20.11.2015

Die Werbung verspricht uns noch und noch Erlebnisse. Wir sollten uns nicht verführen lassen.

Es wäre ein besonderes Erlebnis, mal von einem Erlebnis verschont zu werden. Sie lauern hinter allen Ecken und sind auf dem Sprung, uns zu packen und in den siebten Himmel zu heben. Mit Erlebnisferien, Erlebnisreisen, Erlebnisgastronomie, Erlebniskultur, mit Geschmackserlebnis, Raumerlebnis und Lernerlebnis.

Noch fehlen Erlebnisbestattung und Kremationserlebnis. Es dürfte eine Frage kurzer Zeit sein, bis die Diesseitserlebnisse kommerziell um Jenseitserlebnisse erweitert werden. Das Erlebnismarketing ist innovativ und ruchlos. Sex sells, das Erlebnis auch, die Kombination erst recht.

Vom Socken-Kauf über die Buchung des Wellness-Weekends bis zum Erwerb einer Schneefräse braucht die Werbung das Erlebnis inflationär. Die Frage ist nur, woher wir die Musse nehmen, die uns überwältigenden Erlebnisse zu verarbeiten. Sofern dies nicht sinnlos ist, weil jedes neue Erlebnis das vorherige ohnehin sofort auslöscht. Das wäre freilich das Ende jeden Erlebnisses als Ereignis, das den Alltag verschönert und lange im Gedächtnis bleibt. Wir sässen als Erlebnisgetriebene im selber geschaufelten Erlebnisloch, was die Werbung glatt als Locherlebnis preisen würde.

Lassen wir doch die penetrante Erlebniswerbung ins Leere laufen und entscheiden aus freien Stücken, ob wir nur ein Glas Wein trinken, zeitvertreibend ins Kino gehen, der Not gehorchend den Kühlschrank auffüllen oder Alltägliches als Erlebnis überhöhen wollen.

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"Noch fehlen Erlebnisbestattung und Kremationserlebnis. Es dürfte eine Frage kurzer Zeit sein, bis die Diesseitserlebnisse kommerziell um Jenseitserlebnisse erweitert werden."
???
Die USA sind uns da voraus. Unter Religionssoziologen jenseits des Teichs ist im Moment das "Marktmodell der Religionsangebote" en vogue. Statt kulturelles Kapital kann man da dann "religiöses Kapital" akkumulieren und so nicht mit leeren Taschen drüben ankommen. Letzte Gelegenheit: entscheiden Sie sich um HIMMELS willen nicht für das Äquivalent einer Wohnwand als Begräbnisangebot.

MfG
Werner T. Meyer
Quelle: Gert Pickel: Religionssoziologie: Eine Einführung in zentrale Themenbereiche

Mit Erlebnisse wären wohl gravierende Momente in fliessender Zeit gemeint.
Unglaublich, die Weite auf der Seeseite, am Reling draussen auf dem Kreuzfahrtschiff. Hinter meinem Rücken der Jahrmarkt, das Disneyland, die nie endende Unterhaltung. Nach wenigen Tagen eine eher langweilige zur Kenntnisnahme von unzähligen sogenannten Attraktionen. Seeseitig die Leere, unendliches Wasser bis zum Horizont. Ausgerechnet diese Leere lässt mich sinnieren, hierdraussen eröffnet sich jene Freiheit, die Möglichkeit über Sinn und Dasein nachzudenken. Ich schaue hinaus in die Ferne und träume von einem Waldspaziergang, von zahmen Stadtfüchsen die mir begegneten, mich faszinierten und doch ein wenig Angst machten und meine Nase riecht schon moderndes Laub, mystischer Wald, also bin ich hängengeblieben. Reizvolles, unverarbeitetes Erlebnis. Just vor dem Landgang, dem Karawanen-haften erstürmen der Altstadt des nächsten Hafens…. cathari

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