Lino Wirag

Angenehm uncool schreiben

Mit dem Notizbuch im Baumarkt


Ekstatische Bühnenkunst

lit: Und, was sagst du, so von außen betrachtet?

Weisbrod: Beim Slam gibt es nicht mehr Gutes und Schrott als anderswo auch. Das habe ich versucht, in meiner Gegenrede zu Max Scharniggs Artikel deutlich zu machen. Was er zum Beispiel das Kartoffeldruckverfahren nennt, ist tatsächlich eine große Schwäche des Poetry Slams: Sehr viele Texte beruhen darauf, eine Grundidee oder eine Satzform humoristisch durchzuexerzieren. Andererseits kann das, künstlerisch elaboriert eingesetzt, auch ganz großartig funktionieren. Ein Mittel, das zu einer Art ekstatischer Bühnenkunst führt, wie man es sonst nur von der Musik kennt.
Ich vertraue auch auf die Selbstheilungskräfte des Wettbewerbs (wenn schon nicht in der Wirtschaft, dann zumindest beim Poetry Slam): Mit einem mittelmäßigen Text gewinnt man keinen National Slam, selbst wenn er vorher beim Publikum unverhältnismäßig gut angekommen ist.
Auch wenn ich mich nicht als richtiger Slammer fühle, würde ich es gerne einmal schaffen, die Brücke zwischen einem Text zu schlagen, der mir als Vortragstext gefällt, aber auch in einem Buch nicht fehl am Platz ist: Es wäre ja auch einfach ein großer schreibökonomischer Vorteil! Bei ein paar "Parkhaus"-Kapiteln habe ich das ansatzweise versucht.

Die Realität behält die Oberhand

lit: In deiner sehr schönen Handreichung für Schreibende sinnierst du über Megalomanien à la Jaguarfahren und bei Harald Schmidt auf der Coach sitzen. Was ist daraus geworden? Was sagen die Kommilitonen dazu, dass du Bücher schreibst?

Weisbrod: Von Erfolg und größenwahnsinnigen Ideen wie meinem Haus in den Hamptons fühle ich mich weiter entfernt als je. Die Mitmenschen sind zwar begeistert (oder tun zumindest so), aber das muss man relativieren. Die Realität behält einfach die Oberhand, sie beschenkt einen nicht einfach mit Bestsellerlisten und Feuilleton-Rezensionen.

lit: Was nimmst du als nächstes in Angriff?

Weisbrod: Im Sommer bin ich Praktikant im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung. Sollte ich das Glück haben und noch ein Buch veröffentlichen können, dann würde ich es gern mit Nadja Schlüter zusammen schreiben. Falls Schreiben doch Mühe ist – hätte ich dann nur noch halb so viel.

Mehr Literatur von Weisbrod

Lars Weisbrod: Oh, wie schön ist Parkhaus 4. Droemer/Knaur, München 2008. 224 Seiten,Paperback. 6,95 Euro.

Lars Weisbrod: Schnee, der auf Zidane fällt ... und andere wunderbare Erlebnisse in diesem Sommer. Droemer/Knaur, München 2006. 203 Seiten, Paperback. 6,95 Euro.

Christian Bartel (Hrsg.) u.a: Exot. Zeitschrift für Komische Literatur. Bonn 2005f.

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Copyright © Lino Wirag – May 15, 2008