Seite 1 2 Von Bienen und BlumenCharlotte Roches Debüt “Feuchtgebiete” oder: Wenn ein Kinderbuch ein Skandalroman sein will Pixi-Bücher sind Ihnen ein Begriff? Diese kleinen quadratischen Heftchen für Kinder, die bei Kloppenburg in einer Schale vor der Kasse stehen? Sie erfreuen sich seit Jahren konstanter Beliebtheit und tragen Titel wie: “Petzi hat keine Angst“, “Totte räumt auf” oder “Connie geht zum Arzt”. Doch trotz guter Verkaufszahlen ist bisher keines von ihnen im Feuilleton besprochen worden oder gar an die Spitze der Bestseller-Liste geklettert. Nicht nur, dass sich das jetzt geändert hat – zum ersten Mal hat ein Pixi-Buch auch eine beachtliche literarische Kontroverse ausgelöst. Glauben Sie nicht? Stimmt aber. Wenig Seiten, große SchriftDie Rede ist hier allerdings nicht von einem der oben genannten Titel, sondern von “Feuchtgebiete”, dem Romandebüt der Moderatorin Charlotte Roche, das – vom Format einmal abgesehen – alle klassischen Eigenschaften eines Pixi-Buches vereint: Wenig Seiten, große Schrift, und eine einfache Geschichte wie diese: Helen Memel, 18 Jahre alt, hat spannende Hobbys: Kiffen zum Beispiel. Oder sich betrinken und dann durch die Stadt rennen und den Leuten die Brillen von der Nase schlagen. Oder den Vorrat ihres Dealer-Freundes plündern und so viele Drogen wie möglich schlucken, bevor die ersten anfangen zu wirken. Sich dann erbrechen und die noch unverdauten Pillen gleich noch mal einwerfen. Sonst noch was? Ach ja: Sex gibt’s natürlich auch. Jede Menge sogar, in seitenlangen detaillierten Schilderungen. Während der Periode, anal, oral, anal-oral, mit Männern, mit Frauen, mit Prostituierten und wenn bei einem so vollen Terminplan noch Zeit bleibt – gern auch mit sich selbst. Um ihren wechselnden Partnern zu gefallen, unterwirft sich Helen widerwillig gewissen hygienischen Zwängen – bis sie sich bei einer besonders schlampig durchgeführten Afterrasur verletzt und ins Krankenhaus muss. “Connie hat eine Analfissur” sozusagen. Klingt kaum wie eine Geschichte, die man seinen Kindern vor dem Schlafengehen vorliest? Doch hinter Sperma, Menstruationsblut sowie allen anderen üblichen und unüblichen Körperflüssigkeiten versteckt sich ein naives Familiendrama und eine handelsübliche Boy-meets-Girl-Geschichte: Helen möchte ihre geschiedenen Eltern im Krankenhaus wieder zusammen bringen und schwärmt außerdem für den Pfleger Robin, der sich liebevoll um sie kümmert. Und das hätte in seiner überschaubaren Komplexität auch auf den 24 Seiten eines Pixis Platz gefunden. Seite 1 2 Copyright © Janwillem Dubil – Jul 15, 2008 |
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