Julia Schulz

bierdunst über heslach

Ein Interview mit Ulf Stolterfoht über seinen jüngst erschienenen Gedichtband „holzrauch über heslach“, über Anarchie, Mittel zur Bewusstseinserweiterung und die Faszination an Fremdwörtern.


Ulf Stolterfoht ist 1963 in Stuttgart geboren und aufgewachsen. Er hat Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft in Bochum und Tübingen studiert und 1998 mit seinem Gedichtband »fachsprachen I - IX« debütiert. Seit 2008 ist er Gastprofessor am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Zuletzt erschien sein Gedichtband „holzrauch über heslach“ in dem er einen Bezirk im Süden seiner Heimatstadt beschreibt.

lit: Herr Stolterfoht „holzrauch über heslach“ ist ein ethnologisches Gedicht und beschäftigt sich mit den Bewohnern des Stuttgarter Stadtteils Heslach. Was ist das Besondere an diesen Heslachern bzw. wie lässt sich die Faszination beschreiben, die für Sie ja ganz offensichtlich von diesen ausgeht?

Stolterfoht: Es gibt nichts Besonderes an den Heslachern. Ich bin unter ihnen geboren und unter ihnen aufgewachsen. Alle Faszination, die mein Gedicht ausstrahlt, ist eine bloße Zuschreibung. Überhaupt habe ich alles erfunden. Den Dialekt, den ich verwende, gibt es zum Beispiel in der Form eigentlich nicht, er kommt aus dem Manischen. Ich hatte immer ein besonderes Verhältnis zur Anarchie. Deshalb war mein Schreibprozess auch ein anarchischer. Ich nehme mir das Recht heraus, Dinge, die nicht real sind, unter diesen Heslachern zu platzieren, sie ihnen zu implantieren. Das ist Anarchie.

Ein fiktives Heimatgedicht

lit: Sie sagten, Sie sind in diesem Bezirk in Stuttgarts Süden aufgewachsen. Ist es dann der verklärte Blick auf die vergangenen Kindertage, mit dem Sie Heslach in ihrem Gedicht betrachten?

Stolterfoht: Ich hoffe, dass meine Kindheitserinnerungen nicht verklärt sind. Dafür sind sie zu gebrochen. Vielleicht können sie gerade deshalb verklärt sein, aber ich glaube das nicht. Ich habe alles aus dem Kopf heraus geschrieben. Wollte aus meinen Erinnerungen und meinem angesammelten Gedankengut etwas machen. Das Gedicht ist ein Erinnerungsgedicht, ein fiktives Heimatgedicht das sich mit realer Erinnerung mischt. Ich werde in Bezug auf „holzrauch über heslach“ oft mit einer autobiografischen Lesweise konfrontiert, jedoch ist es freilich keine reale Welt, die ich da beschreibe.

lit:Wie ist denn der typische Heslacher? Sind Sie ein typischer Heslacher? Ist Hanns Josef- Ortheil ein typischer Heslacher?

Stolterfoht: Hanns Josef-Ortheil ist ja erst viel später hinzugezogen. Es wäre gar beängstigend, wenn er sich zum typischen Heslacher entwickeln würde. Ich selbst trage meiner Meinung nach, die typischen Charakterzüge eines Heslachers in mir, die ich aber gar nicht genau beschreiben kann.

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Copyright © Julia Schulz – Jul 15, 2008