Simone Unger

Zwischen Geisterbahn und Klapsmühle

Ein Interview mit dem Filmemacher Wenzel Storch über katholische Wunderländer, die Kunst, Kekse auf Stoff zu kleben, und den Unterhaltungswert der Kastelruther Spatzen


Verschroben, skurril, phantastisch: Solche Beschreibungen finden sich immer nur im Superlativ, wenn es um einen der experimentellsten Regisseure Deutschlands geht: Wenzel Storch, 1961 in Braunschweig geboren, dreht Filme, die sich jeder Schubladenlogik entziehen. In ‚Der Glanz dieser Tage’, ‚Sommer der Liebe’ und ‚Reise ins Glück’ gibt es unter anderem Altare aus Salzbrezeln, sprechende Tiere, Popeldampfer und kopulierende Kirchen, liebevoll zusammengeschustert aus allem, was dem Regisseur unterkommt. Lit08.de traf den Filmemacher und konkret-Autor in seinem Hildesheimer Domizil und sprach mit ihm über die Produktion seines ersten Films, LSD-Trips und das Lied der Dornenvögel.

lit: Wenn man Deinen ersten Film „Der Glanz dieser Tage“ sieht, ist man so mit der Fülle von Bildern beschäftigt, dass man der Handlung kaum folgen kann. Wie bist Du an den Film herangegangen?

Wenzel Storch: „Der Glanz dieser Tage“ sollte eigentlich ein religiöser Monumentalfilm werden. Eine Art Erweckungsfilm. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein Pfarrer mit seinen Messdienern. Viele Szenen spielen also im Haus des Herrn. Aber wo nimmt man nun eine Kirche her? Alles heimlich an einem geweihten Ort filmen? Das wäre nicht gegangen, obwohl wir für die Außenaufnahmen dann doch den Hildesheimer Dom genommen haben.
Uns blieb also nichts anderes übrig, als selbst eine Kirche zu bauen. Komischerweise fällt den meisten Leuten, die den Film kennen, gar nicht auf, wie viel da eigentlich fehlt: Als der Priester sich im Predigerrausch die Hand abschneidet, gibt es zum Beispiel gar keine Gläubigen, die ihm dabei zukucken. Es gibt auch keine Kirchenbänke. Kirchenbänke wären viel zu aufwändig gewesen, außerdem hätten wir gar nicht gewusst, wen wir da draufsetzen sollen.
Ich hatte zwar ein dickes Drehbuch geschrieben, aber das hat sich sofort, als er fertig war, als unverfilmbar erwiesen, weil da lauter Sachen drin standen, die wir gar nicht realisieren konnten. Aber der Film sollte ja auch nicht die Verherrlichung des Drehbuchs sein. Und so ist eben vieles aus der Not geboren und das macht ja auch teilweise den Charme aus.

lit: War das bewusster Dilettantismus?

Storch: In solchen Kategorien hab ich damals gar nicht gedacht. Außerdem: Dilettantismus, ich finde, das ist so ein schwammiger Begriff wie Trash oder Kult. Also statt dilettantisch würde ich eher einen Begriff wie naiv benutzen, vielleicht.

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Copyright © Simone Unger – Jun 15, 2008