Seite 1 2 Es geht mir gut!Sechste Kolumne, die den totalen Verlust aller Ideale präsentiert, Riesenzippos und Gauloises in die Aschentonne tritt und damit ihres Autors Glaubwürdigkeit mutwillig und für immer beschädigt Zuhause angekommen dusche ich noch einmal kalt, ehe ich zwei Kilogramm Bircher-Müsli esse. Währenddessen lese ich die taz komplett. Darüber ist es vier Uhr nachmittags geworden, ich mache mich noch einmal auf zu einem ausgedehnten Spaziergang durch ein nahe gelegenes Wisentgehege. Zurückgekommen verwende ich viel Zeit und Liebe auf die Zubereitung eines vegetarischen Fleischsalats. Zum Essen kommen Freunde aus der evangelischen Kirchengemeinde, mit denen ich mich gut und intensiv unterhalte. Es geht um Menschlichkeit und die Krise der SPD. Um neun Uhr bitte ich sie, mich jetzt alleine zu lassen. Nachdem ich mich von oben bis unten mit einer rückfettenden Nachtcreme eingerieben habe, gehe ich ins Bett, wo ich noch zwei Kapitel in einem Buch von Heinz Zahrnt lese. Um 22.30 Uhr lösche ich das Licht. So erledige ich meine Biographie und ich kann nicht sagen, dass es mir schaden würde. Ich bin außerdem jetzt Teil eines Zeitzeugennetzwerks, das Kinder in Schulen besucht und sie vor den Gefahren des Rauchens warnt. Von der Nichtraucherinitiative Deutschland habe ich eine Kladde mit Overhead-Folien bekommen, auf denen verfaulte Beine, fehlende Kehlköpfe, weiße und schwarze Lunge zu sehen sind. Irritierend sind immer wieder einige Zwischenrufe, denen zufolge die weiße Lunge „mindestens so eklig“ aussehe wie die schwarze. Das überhöre ich einfach. Was ich nicht überhören kann (obwohl ich es gerne würde), das sind die Stimmen der „Freunde“ von früher. „Langweilig“ sei ich geworden, mir fehle der „schwebende“ Blick des überlegenen Beobachters, und nicht zuletzt die Fähigkeit, Dinge zu „verknüpfen“, die eigentlich nicht zusammen gehörten. Das verstehe ich nicht. In was für einer kranken Welt leben wir denn? Wo Leute ernsthaft fordern, man solle die Klarheit und Reinheit des schlüssigen Gedanken zugunsten wahnwitziger Konstrukte fahren lassen! Wo die Straße zum Glück ein Umweg sein soll! Wo obskure Debatten den gestählten Geist abgelöst haben! Wo Gesundheit immer gleich faschistisch ist! Hiermit rufe ich den falschen Freunden aus früherer Zeit zu: „Geht nach Hause und räumt erstmal eure dreckigen Altbauwohnungen auf!“ Ich persönlich lebe seit meiner Rückkehr nach Deutschland ja in einem Vorort. Es geht mir gut. PS: Seitdem ich nicht mehr lustig bin, erzähle ich mir mit meinen Freunden immer Witze. Hier mein Lieblings-Raucherwitz: „Mitten im Krieg sitzt ein Raucher nachts im Schützengraben und raucht eine Zigarette - weithin sichtbar für den Feind. Ein anderer Soldat warnt ihn: ‘Tu das bloß nicht, das ist gefährlich.’ Der Raucher lächelt milde und antwortet: ‘Keine Sorge, ich inhaliere ja nicht.’“ Gut, oder? Seite 1 2 Copyright © Johannes Schneider – Sep 15, 2008 |
|