Lauschrausch: Jimi Hendrix „Purple Haze“ (1967)
Zugegeben: Hätte Monsieur James Marshall Hendrix fünf Jahrhunderte früher einen Song wie diesen einem geschundenen und pestverbeulten Publikum kredenzt, dabei zeitgleich seine Stratocaster penetriert und diese anschließend mit einem winzigen Fläschchen Feuerzeugbenzin in blickernde Flammen aufgehen lassen – er wäre wohl von Papst Johannes XII. persönlich mit seinen Gitarrensaiten erdrosselt und anschließend auf dem Scheiterhaufen verkokelt worden. Samt Stratocaster. „Violetter Rauch durchfärbt meinen Kopf, Tatsachen verändern ihre Gestalt, ich benehme mich albern und weiß nicht, warum: entschuldigt mich kurz, ich muss schnell den Himmel knutschen.“ Nicht nur scheint dieses Lied der perfekte Hintergrund für die hoffnungsvollverstrahlte, revolutionäre und bedeutungsschwangere Ära der 70er Jahre gewesen zu sein (nicht umsonst klimpert es bei fast jeder Dokumentation dieser Zeit pausenlos umher). Auch gilt es bei musiktheoretischer Betrachtung nach wie vor als Rundumschlag in die Fresse aller (klerikalen) Konventionen: Die Tritonus-Intervall-Konstellation zu Beginn des Stückes (das zwar in der Tonart E-Dur geschrieben ist, aber in Es-Dur beginnt) stellt im Dur-Moll- Tonartensystem die größtmögliche Dissonanz dar, ergibt mit der übermäßigen Quarte beziehungsweise der verminderten Quinte eine Halbtonanzahl von sechs und wird daher auch als „Diabolus in musica“ oder als Teufelsintervall bezeichnet. Aus einem päpstlichen Dekret des vierzehnten Jahrhunderts heraus galt die musikalische Improvisation und Dissonanz schlichtweg als Erkennungsmerkmal für den Belzebub – den es natürlich stets herauszufordern galt. Ob nun die Saat des Bösen im Establishment wirkte oder der Kern allen Übels in der verklemmten Prüderie gesucht wurde - durch hingehauchte Himmelsküsse und Jimis gitarristischen Koitus haben sich alle Dämonen letztendlich in violette Rauchschwaden aufgelöst.
Copyright © Kilian Schwartz – Apr 15, 2008