Leserbriefe zur Rezension

Die Antiklerikalen treiben mal wieder eine Sau durchs Dorf

Das umstrittene "Ferkel-Buch" von Michael Schmidt-Saloman und Helge Nyncke und seine Konkurrenz

Von Fabian Kettner


Kurt W. Fleming schrieb uns am 28.03.2008
Thema: Fabian Kettner: Die Antiklerikalen treiben mal wieder eine Sau durchs Dorf

Die in dieser Besprechung genannte Behauptung: "In der Moderne hingegen ist der Skeptiker der Empörer, der in Pose angeblich alles anzweifelt, der die Negation des Endlichen gegen einen Naturalismus eingetauscht hat und den es - die Beispiele von Max Stirner an zeigen es - immer wieder zum Faschismus drängt." ist - in Bezug auf Max Stirner - das, was man gemeinhin "hirnrissig" nennen kann.
Wer wie Kettner dies behauptet, kennt entweder tatsächlich NICHT das Buch von Max Stirner, oder er liest es immer noch durch die Brille des durch Stirner nervös gemachten Karl Marx, der zum einen (am Ende seiner seltsamen Stirner-Kritik) von Stirner als dem "hohlste[n] und dürftigste[n] Schädel unter den Philosophen" schrieb; zum anderen ca. 300 Seiten an einen "hohlen und dürftigen" Schädel verschwendet. Warum also Marx' vehemente Kritik an Stirner, wenn Stirner doch so hohl und dürftig daherkommt.

Interessant ist, daß sich in der Kritik Stirners (auch was seine Verortung zum deutschen Faschismus betrifft - Stirner = ein Protofaschist) die "Linken" (man sollte eher hier von Pseudo-Linken sprechen) mit den Rechten treffen. (So im vorletzten Jahr ein CSU-nahestehender Lokalpolitiker aus Bayreuth.) Ist das ein Zufall?

Wohl eher die inhärente Un-Logik der Argumente, die seit Ende 1844 gegen Stirner gebetsmühlenartig vorgebracht werden.
Eine Lüge (über Stirner) wird nicht dadurch wahrer, wenn man sie seit nun 164 Jahren daher betet.

Auszug aus dem demnächst erscheinenden Buch "Paul Jordens: Max Stirner. Einführung in ein Mißverständnis":

>>Für die Nationalsozialisten war es aber stillschweigend ausgemachte Sache, daß Stirner ein Vordenker Nietzsches gewesen sei. Es ist freilich keine Aussage von „höchster Stelle“ (Hitler) dazu überliefert; doch die übrigens nicht sehr große Zahl deutscher Veröffentlichungen über Stirner aus der NS-Zeit geht davon aus, daß Nietzsche an Stirner anknüpfe – wobei durchaus strittig war, ob diese Anknüpfung eher aufgreifend oder abgrenzend geschah. Wie dem nun auch sei: Stirner, der große Vorläufer Nietzsches, dessen [Nietzsches] Wiege an jenes [Stirners] Grabe steht , erschien nicht in den Listen offiziell „unerwünschter“ Literatur, die Gedenktafel am weiterhin so genannten Bayreuther „Stirnerhaus“ blieb hängen, Stirners Grab sollte sogar bei der von den Nazis geplanten Umgestaltung Berlins als Ehrengrab hervorgehoben werden. Ein größerer Irrwitz ist kaum vorstellbar: Ein Denker, der sich wie kein zweiter gegen ideologische Befangenheit, gegen die Vereinnahmung der Menschen durch Machthaber und Ideologien, gegen Herdenmenschentum und „heiliggesprochene“ Zwangsordnungen gewandt hatte, wurde zum angeblichen Kronzeugen einer Ideologie deklariert, die gerade alles dies bis zur Vollendung verkörpert hat. Was die Nationalsozialisten hier in ihrem peinlichen Drang, die Ahnenreihe ihrer Weltanschauung möglichst eindrucksvoll zu gestalten, getrieben haben, dafür gibt es eigentlich nur ein treffendes Wort, paradoxerweise aus dem Jiddischen: Chuzpe.<<