Lesen in der Corona-Krise – Teil 5

Deutschsprachige Gegenwartsautor*innen aktualisieren für „Die Zeit“ das Dekameron

Von Jonas HeßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jonas Heß

Wir wissen heute: Was die medizinische Versorgung im 14. Jahrhundert angeht, da war noch Luft nach oben. Auch die infrastrukturellen Möglichkeiten zum Home Office (sofern Home und Office nicht ohnehin das Gleiche darstellten) waren, man kann es nicht anders sagen, noch gnadenlos unterentwickelt – von der Work-Life-Balance ganz zu schweigen. Für Binge-Watching auf Netflix reichte außerdem die WLAN-Leistung noch nicht aus und obendrein war noch niemand auf die Idee gekommen, elektrische Impulse gezielt zu erzeugen, um sie in bestimmten Sequenzen über integrierte Schaltkreise zu jagen, die in kleinem Maßstab und großem Stil zusammengeschlossen Rechenmaschinen ergaben, welche man wiederum ohne Weiteres zu einem globalen Netzwerk, auf das von überall zugegriffen werden kann, hätte verschränken können. Schön blöd.

Tja. Was macht man also, wenn die Pandemie kommt? Was man auch heute noch so tut: Man zieht sich auf sein Landgut in der Toscana zurück und vertreibt sich die Zeit in Abgeschiedenheit mit dem Erzählen von Geschichten. Bekanntlich so geschildert in Boccaccios Dekameron. Nun waren die Bedingungen für Boccaccios Edelleute wie gesagt freilich andere als heute und es war die Pest, die in ganz Europa wütete, und nicht Corona, doch das Rezept funktioniert auch in der Gegenwart. Erzählliteratur als Trost, als Zeitvertreib, zur Bildung in Krisenzeit und Quarantäne.

Deshalb hat Die Zeit beschlossen, dieses Projekt mit deutschsprachigen Gegenwartsautor*innen zu aktualisieren. Weil man aber mittlerweile trotz allem im Jahr 2020 lebt, gibt es die Geschichten natürlich auch online. Wie im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Italien aber sind die Geschichten dabei thematisch festgelegt und nicht allzu lang. Verfasst sind sie diesmal u.a. von Nora Bossong, Theresia Enzensberger, Leif Randt oder Clemens J. Setz.

Wer ein Abo der Zeitung hat, findet hier einen Überblick der bisher veröffentlichten und zugänglichen Texte. Alle anderen können zumindest den sehr lesenswerten ersten Text der Serie von Nora Gantenbrink (die vor wenigen Wochen ihren Debütroman Dad veröffentlicht hat) lesen. Thema: Verrat.

Hinweis: Alle bisher erschienenen Teile unserer Reihe „Lesen in der Corona-Krise“ finden Sie hier.