![]() |
![]() | ||||||||
Bunker
Ich knie vor ihm. Die Hände auf den Rücken gefesselt. Er tippelt nervös vor mir herum, dabei wippt er mit dem Oberkörper vor und zurück. Ich versuche ihn nicht anzusehen, halte meinen Blick starr auf seine Schuhe gerichtet. Turnschuhe. Er versucht cool zu sein, dieses Arschloch. INHALT:Der Überfall auf eine Autovermietung entwickelt sich anders als geplant. Monika, die einzige Angestellte, die so kurz vor Geschäftsschluss noch in dem Laden ist, verrät dem Täter nicht das Versteck des Tresorschlüssels. Er entführt Monika in einen Bunker und hält sie dort mehrer Tage lang gefangen.MEINUNG:Auch mit BUNKER liefert Andrea Maria Schenkel einen experimentellen Minimal-Thriller ab, ein Genre, das sie selbst mit dem Megaseller TANNÖD hoffähig gemacht hat. Hier ist es ein Kammerspiel mit zwei Personen, die Rollen scheinbar klar verteilt: Der Entführer will die Schlüssel zum Safe der Autovermietung. Die Entführte, eine Angestellte der Autovermietung, ist das zufällige Opfer. Je weiter jedoch die Handlung voranschreitet, je weiter sich das Opfer zurück erinnert, desto mehr werden die anfänglichen Schlussfolgerungen in Frage gestellt. Zunächst leise, dann unüberhörbar schleichen sich Irritationen in das vermeintlich klare Schema. Ist der Entführer jemand aus ihrer Vergangenheit? Der damalige Freund ihres Bruders Joachim? Hans, der Dorftrottel, der damals alles gemacht hat, nur um dazu zu gehören? Der Mörder ihres Bruders? So eindeutig hat sie es der Polizei damals nicht gesagt. Aber die Wahrheit hat sie verschwiegen.Von Anfang an, lässt die Autorin keinen Zweifel daran, dass eine der Hauptfiguren am Ende schwerverletzt auf einem OP-Tisch landet. Auch sonst springt BUNKER wild in der Zeit vor und zurück. Etwas, dass die Spannung anheizt und eher mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Mit immer neuen Puzzlestücken schürt Andrea Maria Schenkel gleichzeitig die Gewissheit, wie auch den Zweifel. Täter- und Opferrolle von Monika und ihrem Entführer wechseln plötzlich, die Grenzen beginnen zu verschwimmen. Als Leser/Hörer ist man dazwischen hin und her gerissen. Mit kleinen Tricks, auf die man sich allerdings einlassen muss, schürt die Autorin das zunehmende Unverständnis für die Entführte. Über den Tisch krabbelt langsam die fette Fliege, läuft ein klienes Stück, bleibt stehen, läuft weiter, bleibt wieder stehen. Putz sich, läuft weiter. Mit dem Rüssel tastet sie die Oberfläche des Tisches ab, bis sie einen Brotkrümel findet. Sie macht sich über den Krümel her. Fr. Schenkel musste für BUNKER viel Kritik einstecken. So wie sie für TANNÖD gefeiert wurde, so harsch wurden vermeintliche Logiklücken und die angeblich dilettantische Sprache in BUNKER kritisiert. Die nicht gerade wohlfeilen Satzfetzen wirken gedruckt wahrscheinlich tatsächlich befremdlich. Die Hörbuchinszenierung mit verteilten Rollen dagegen macht die Stärken der Vorlage um so deutlicher. Hier stören keine unvollendeten Sätze und schlampige Sprache den Lesefluss. Im Gegenteil. Genau diese Schwächen machen die Figuren in der Interpretation von Andrea Sawatzki und Rufus Beck fassbar und lebendig und fügen dem Roman eine weitere Ebene hinzu. Und alle Kritiker, die Dinge bemängeln, wie Wie konnte der Rettungswagen mühelos die Mühle finden, die zuvor als nur sehr schwer per Auto erreichbar beschrieben wurde? sollten nicht vergessen, dass nahezu der komplette Roman aus subjektiver Sicht dargestellt ist, eben auch diese angebliche Abgeschiedenheit der Mühle. Der Fluch des Erfolges hat die Autorin eingeholt. Wie kann denn Fr. Schenkel nach dem unerwarteten Siegeszug des außergewöhnlichen Experimentalkrimis TANNÖD überhaupt noch überraschen? Leser wie Kritiker erwarten eine Wiederholung des Erfolgs. Doch liegt endlich ein vergleichbar guter Roman vor, wird dieser schnell zur lediglich erfüllten Pflicht und erhält nur ein ausreichend, auch wenn BUNKER in seinem ungeschliffenen Minimalismus immer noch brillanter ist, als viele pseudoclever konstruierte, halbgare Psychothriller. DAS HÖRBUCH:Die Interpreten Andrea Sawatzki und Rufus Beck beide hier mit österreichischem Akzent - bieten eine intensiv-bedrückende Darstellung der Ereignisse. Fast so etwas wie Theater für die Ohren. Im ständigen Wechsel erzählen beide Personen ihre jeweilige subjektive Sicht der Dinge, oft unterbrochen durch die knappen Dialoge der beiden Protagonisten. Als Hörer muss man hier oft und schnell umschalten, was dem Hörbuch trotz des statischen Handlungsorts einen gewissen Drive verleiht.Andrea Sawatzki brilliert in der Rolle der entführten Monika, eine Dorfschnepfe, die entgegen aller großen Träume nicht weiter gekommen ist, als bis zu einem beschissenen Hilfsjob in der nächsten Kreisstadt. Eine unzufriedene Frau, die sich betrogen sieht vom Leben im allgemeinen und von ihrem Chef im besonderen, und die die Schuld dafür vorwiegend bei ihren Mitmenschen sucht. Rufus Beck, der auch die Regie von BUNKER übernommen hat, schwankt überzeugend zwischen Bedrohlichkeit, Fürsorge und Verwirrung. 03. Feb. 2011 - Elmar Huber Der RezensentElmar Huber![]() Total: 669 Rezensionen (* 1972) kann sich noch dunkel an den "phantastischen Film" im Nachtprogramm des ZDFs erinnern, der damals (nicht zuletzt aufgrund des Zeichentrickvorspanns) schon eine gewisse Faszination ausübte. [Zurück zur Übersicht] |
| ||||||||
Home |
Impressum |
News-Archiv |
RSS-Feeds ![]() ![]() Copyright © 2007 - 2018 literra.info |