Ralf Hiener, Olaf Schnelle, Anne Freidanck: "Wildkräuter - Essbare Landschaften"
Emanzipation
des "Un"krauts
- ein außergewöhnliches Koch- und Sachbuch
"Was machst du denn da?"
Die Verblüffung meines Mannes war
berechtigt. Ich stand in der Küche und wusch
sorgfältig 100 Gramm Giersch (Geißfuß),
das meistgehasste (Un-)Kraut in unserem Garten - um eines der Rezepte
im hier
vorgestellten Wildkräuterkochbuch auszuprobieren.
Im Handumdrehen wurde daraus eine köstliche, Pesto
ähnliche Kräuterpaste, die kurz gebratenes Fleisch,
Nudeln, Salatsoßen und Kartoffeln
ideal ergänzte. Giersch schmeckt nach einer Mischung aus
Karotten und Petersilie
und macht sich auch ganz wunderbar in Kartoffelpüree.
Getestet haben wir zudem Spiegelei mit Rahmnesseln; die Mischung aus
Brennnesseln und Taubnesseln "erntete" ich wie den Giersch im Garten.
Mit Sahne gekocht schmecken sie ähnlich wie Rahmspinat, und
die Verbindung mit
Spiegelei und Kartöffelchen ergibt ein alltagstaugliches, sehr
leckeres
Gericht, das auch Kindern schmeckt.
Unerwartet schmackhaft war außerdem der
Spitzwegerich-Brennnesselkuchen, in dem
die Kräuter mit Apfelsaft, Honig und Nüssen
kombiniert werden. Und
Lachsforellenfilet in grünem Gelee (das seine Farbe vom
Sauerampfer erhält)
ist eine Vorspeise, die sowohl geschmacklich als auch optisch besticht.
In "Wildkräuter - Essbare Landschaften" werden
volkstümliche, alltägliche
Gerichte, oftmals durch den Zusatz von im Garten und auf Feldern
heimischen
"Unkräutern" ergänzt und aufgepeppt, aber auch
ausgefallene Rezepte
aus der Haute Cuisine vorgestellt. Für fast jedes Rezept gibt
es eine breite
Palette von Variationsmöglichkeiten. Was früher als
Arme-Leute-Speise und
zwischenzeitlich als Unkraut galt, wurde für die gehobene
Küche neu entdeckt
und ergab die Möglichkeit zum Kreieren ganz neuartiger,
ungewöhnlicher
Geschmacksnoten.
Der Rezeptteil ist
übersichtlich und praktisch gestaltet,
sodass es leicht fällt, die Gerichte nachzukochen.
Das ausführliche Register erweist sich hierfür
ebenfalls als sehr hilfreich.
Die Basiszutaten für die meisten Gerichte kann man problemlos
im Supermarkt
oder auf dem Wochenmarkt erhalten, und zur Beschaffung vieler
Kräuter reicht
ein Spaziergang (für den Fall, dass der eigene Garten allzu
gepflegt sein
sollte). Auch die eher extravaganten Gerichte stellen den Hobbykoch
nicht vor unüberwindliche
Schwierigkeiten.
An den Rezeptteil schließt sich eine kleine, aber
aufschlussreiche Kräuterkunde
an: Geschichtliche Aspekte, der gesundheitliche Nutzen, der richtige
Umgang mit
Kräutern und schließlich eine bebilderte
Beschreibung der verschiedenen in den
Rezepten verwendeten Kräuter, Literatur- und Internetquellen
sowie
Einkaufstipps liefern reichlich nützliche Informationen.
In allen Teilen des Buchs gibt es eine Fülle bezaubernder
Fotos, die nicht nur
den Appetit auf die beschriebenen Speisen wecken, sondern dem Leser
auch bewusst
machen, dass die wenig beachteten Gewächse in ihrer filigranen
Schönheit als
so genanntes Unkraut unangemessen abgewertet werden.
Dieses von der Aufmachung und vom Inhalt her hochwertige Kochbuch
bietet also
nicht nur eine Fülle von praxistauglichen Rezepten
für alle Anlässe, sondern
auch reichlich Informationen. Und, was bei einem Kochbuch selten
vorkommt, es
ist kurzweilig zu lesen und erfreut dank der ästhetischen
Bilder das Auge schon
beim flüchtigen Durchblättern.
(Regina Károlyi; 07/2005)
Ralf
Hiener (Rezepte), Olaf Schnelle (Botanik)
und Anne Freidanck (Fotos): "Wildkräuter"
Hädecke, 2005. 176 Seiten, 100 Farbfotos.
ISBN 3-7750-0452-1.
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Rezeptbeispiel
aus dem Buch:
Geeiste Melonensuppe mit
Minze
Zutaten:
2 reife Cavaillonmelonen
1/8 Wassermelone
Saft einer halben Zitrone
1 Bund frische Minze (80 g)
Zubereitung:
Die Cavaillonmelonen quer halbieren, Kerne und Kerngehäuse
sorgfältig mit
Hilfe eines Löffels entfernen. Dann mit einem Kugelausstecher
insgesamt 16 schöne
Kugeln ausstechen und kühl stellen. Das restliche
Fruchtfleisch von der Schale
abschaben und ebenfalls kühl stellen. Die Schalen zum
Anrichten der Suppe
aufbewahren.
Aus der Wassermelone ebenfalls 16 Kugeln ausstechen und kühl
stellen. Das
restliche Fruchtfleisch durch ein Sieb streichen und gemeinsam mit dem
Fruchtfleisch der Cavaillonmelonen sowie dem Zitronensaft fein
pürieren,
anschließend für etwa eine Stunde im Froster unter
gelegentlichem Umrühren
gut durchkühlen.
Die Melonenkugeln in die halbierten Melonenschalen verteilen, mit der
geeisten
Melonensuppe auffüllen und mit fein geschnittener Minze
dekorieren.
Ein wunderbar erfrischender Auftakt für ein leichtes
Sommermenü, der auch die kleinen Mäuler erfreut. Ein
Gläschen Champagner
dazu macht das Süppchen zum echten Hochgenuss.