Eberhard Straub: "Der Wiener Kongress"
Das große Fest und die Neuordnung Europas
So
viele Bücher auch anlässlich des
zweihundertsten Jubiläumsjahrs des Wiener Kongresses
herausgekommen sind, standen sie doch insgesamt ein wenig im Schatten des Monate
vorher zu seiner ersten Jahrhundertschaft gelangten Weltkriegsbeginns. Umso
interessanter erscheint das vorliegende Buch, welches sich nicht
zuletzt mit der Verbindung der beiden historischen
Großereignisse beschäftigt.
Weniger überraschend, vielmehr selbstverständlich ist, dass
der Autor auch dem Vierteljahrhundert, welches dem Kongress voranging
und diesen überhaupt erst notwendig machte, viel Platz
einräumt, der Französischen
Revolution mit ihren Exporttendenzen und dem Wirken Napoleon
Bonapartes. Dieser hatte während seiner Herrschaft
in Europa nicht nur neue Gesetze, sondern neue Staaten geschaffen und nach Belieben neue Grenzen
gezogen, aus der europäischen Geschichte, wie es Straub formuliert, eine
Geografie in Bewegung gemacht. Seine schlussendliche Niederlage
ließ somit eine umfassende Neuordnung Europas nötig
werden, wozu die Repräsentanten der vier
Siegermächte, Großbritannien, Österreich, Preußen und Russland, sowie des besiegten
Frankreichs, damals immerhin das bevölkerungsreichste Land
Europas, in Wien zusammentrafen, beratschlagten, intrigierten, zur
Bildung einer guten Stimmung kräftig feierten, Affären hatten, wieder beratschlagten und schließlich
entschieden.
Auch wenn es nicht Schwerpunkt seines Buches ist, beschäftigt sich Eberhard Straub nicht zu kurz mit dem Wiener Kongress als
gesellschaftlichem Großereignis mit und ohne Auswirkungen. So erfährt man Interessantes
über die egalisierenden Folgen fröhlicher Promiskuität, die
sich reästhetisierende Monarchie und die sich wandelnden
Moden, darüber, dass die italienische Küche von der
französischen als führende abgelöst wurde,
Österreich ob der vielen Ausgaben hart am Staatsbankrott
wandelte, Beethoven
zum Inbegriff des Künstlers in dem beginnenden Zeitalter wurde
und, es musste offenbar einmal gesagt werden, Wilhelm
von Humboldt als einziger Spitzendiplomat ausschließlich deftige Weiber bevorzugte.
Nach dem Autor war die Neuordnung des Wiener Kongresses eine
mehr von Realisten als von Restauratoren bewerkstelligte, indem sie von
Vergeltungsmaßnahmen weitgehend Abstand nahm und so
erfolgreich die Basis für eine vergleichsweise
friedliche, erst durch den Ersten Weltkrieg endgültig zu Ende
gehende Periode legte. Ein wesentlicher Punkt dabei war, Frankreich
nicht für das Blutvergießen der Napoleonischen
Kriege büßen zu lassen, was den Wiener Kongress
radikal vom Versailler Vertrag 1919 unterschied, sondern,
vertreten durch seinen Spitzendiplomaten Talleyrand,
als gleichwertigen Partner bei den Verhandlungen in Wien zu
akzeptieren. Dadurch konnte - großer Erfolg des
Kongresses - letztlich ein System des Gleichgewichts und der
kollektiven Sicherheit, eine dauerhafte Friedensordnung, garantiert
durch die fünf Großmächte
Großbritannien, Frankreich, Österreich,
Preußen und Russland, etabliert werden, während der es in Europa
gelang, viele Konflikte
durch Verhandlungen zu lösen und dennoch
ausbrechende Kriege zumindest zu begrenzen. Dazu war es notwendig, eine
Entwicklung, die ebenfalls mit der Französischen Revolution
begonnen hatte, dann im großen Krieg von 1914 wieder
voll schlagend wurde und auch heutzutage Konjunktur hat, zu
unterbinden, nämlich die Moralisierung des Krieges, den
Kriegsgegner zu dämonisieren, zu einem unmenschlichen Feind (des Fortschritts, der
Freiheit, der Republik, der Vernunft, heiliger Rechte etc.), kurzum zum
Bösen, welcher solcherart kein Anrecht auf menschliche
Behandlung geltend machen kann, zu stilisieren. Nichts dergleichen
geschah in Wien, unter die Vergangenheit wurde ein Schlussstrich
gezogen, es gab keine Kriegsverbrecherprozesse, Frankreich wurde im
wesentlichen in seinen alten vorrevolutionären Grenzen
belassen.
Weniger mächtige Länder hatten dieses Glück oft
nicht. Um Kompromisse zu finden, denen die fünf
Großen zustimmen konnten, wurden abermals
viele Grenzverläufe geändert oder, wie im
Falle Polens mangels mehrheitsfähiger Alternativen (hätte sich der
unkonventionelle Zar Alexander I. mit seiner Idee eines lose in sein Reich
integrierten autonomen Königreichs Polen durchgesetzt:
schlechter hätte sich die Beziehung der beiden Nachbarn auch
nicht entwickeln können), die Teilung eines großen
Landes bestätigt. Überhaupt ging es um eine
Gemeinschaft der Staaten, nicht der Nationen. Das war nach dem Autor nicht nur
monarchisches Denken und Rücksichtnahme auf die
beiden Vielvölkerstaaten Österreich
und Russland, sondern auch die Einsicht in das große
Gefahrenpotenzial, das die nationale Idee für einen Kontinent
mit vielen Völkern und noch mehr Minderheiten beinhalten
würde. Besonders der österreichische Verhandlungsführer
Fürst Metternich, im übrigen ein großer
Verfechter europäischen Gleichgewichts, hätte
wahrscheinlich gut daran getan, das Nationale stärker
in sein Gestalten miteinzubeziehen, statt es als Übel
zu bekämpfen. Unterschätzt hat er es jedenfalls nicht, weswegen er auch gern mit dem
Osmanischen
Reich einen weiteren Vielvölkerstaat als
Verhandlungspartner und zusätzlichen Garanten
übernationaler Sicherheit in Wien bewirtet hätte. Dass sich solchermaßen Südosteuropa
bald nach dem Kongress nicht als der große, bis heute nicht zur Ruhe gekommene Brandherd
herausgestellt hätte, ist freilich fraglich.
Unterschätzt wurde hingegen das britische Treiben
außerhalb Europas, dessen imperialistische Tendenzen zu
zügeln man aus verschiedenen Gründen, wegen des sich in
Kontinentalfragen als guter Europäer erweisenden
Verhandlungsführers Lord Castlereagh, Napoleons den Kongress
unterbrechender Kurzzeitrückkehr aus seinem Exil auf Elba (die
Schlacht von Waterloo ist übrigens die von Belle-Alliance
gewesen, der britische Militärführer setzte jedoch
den Namen eines weiter entfernten Dorfes, welches vor allem nicht daran
erinnern sollte, dass er ohne die preußischen
Verbündeten unterlegen wäre, durch) und nicht zuletzt der
Konkurrenzlosigkeit der britischen Flotte weitgehend verabsäumte.
Nicht nur britische Verfehlungen, Verstöße gegen die
getroffenen Vereinbarungen, sondern auch die der anderen
Großmächte gelangen ausführlich zur
Sprache, wenn es um die Entwicklung beziehungsweise den Abstieg Europas
in dem verhältnismäßig friedlichen
Jahrhundert bis 1914 geht. Seit damals hat, wie Eberhard Straub am Ende
des Buches befindet, das aus dem Gleichgewicht geratene Europa als
Ganzes nicht mehr zu einem Frieden gefunden, um Hugo von Hofmannsthal
zitierend zu schließen, dass von einer Wiederherstellung
Europas als geistigem Begriff unser geistiges Weiterleben abhängt.
Solches wird einigen zu pathetisch klingen, und auch sonst könnte man Kleinigkeiten
an dem Buch kritisieren, hie und da eine zu preußisch-deutsche Perspektive oder vielleicht eine gewisse
Überbetonung seiner Thesen, oder dass einem Thema solcher Tragweite, wenn auch für eine große Leserschaft
geschrieben, Originalzitate der historischen Personen und sonstige Anmerkungen en détail wohl angestanden wären, in
Summe ist "Der Wiener Kongress. Das große Fest und die Neuordnung Europas" aber ein sehr empfehlenswertes Buch mit
einem interessanten Schwerpunkt voller Bezüge zu unserer Gegenwart geworden.
(Esquilin; 12/2014)
Eberhard Straub: "Der Wiener Kongress.
Das große Fest und die Neuordnung Europas"
Klett-Cotta, 2014. 255 Seiten.
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Eberhard
Straub, geboren 1940, ist habilitierter Historiker, Journalist und
Buchautor. Er war Feuilletonredakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen
Zeitung", dann Pressereferent des "Stifterverbands für die
Deutsche Wissenschaft".
Seit 2001 lebt er als freier Publizist in Berlin und ist als Biograf
u.A. mit einer Geschichte der Familie Furtwängler
hervorgetreten.
Weitere Buchtipps:
Heinz Duchhardt: "Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15"
Der Wiener Kongress von 1814/15 gilt als die bedeutendste
europäische Friedensordnung des 19. Jahrhunderts. Er ordnet
die Hinterlassenschaften der Französischen Revolution und der
Kriege Napoleons auf dem Kontinent, justiert das
Kräfteverhältnis zwischen den Mächten neu
und verschafft den siegreichen Kräften der Restauration ein
Fundament ihrer Herrschaft.
Heinz Duchhardt stellt dieses gewaltige diplomatische Ereignis auf die
historische Bühne, porträtiert die großen
Darsteller wie Metternich oder
Talleyrand, referiert die wichtigsten Verhandlungen und Ergebnisse und bettet den
Kongress schließlich ein in eine bestechend klare Analyse des
ganzen Zeitalters. (C.H. Beck)
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David King: "Wien 1814. Von Kaisern, Königen und dem Kongress, der Europa neu
erfand"
Napoleon hat abgedankt, das von ihm dominierte Europa muss sich neu
aufstellen - doch wie? In Wien versammelt sich der bis dahin
größte Kongress der Geschichte und verhandelt
über die Zukunft des Kontinentes. Königreiche und
Fürstentümer werden vergrößert,
verkleinert oder abgeschafft, die Landkarte Europas wird neu
gezeichnet. Bis heute leben wir in einem Europa, das sich auf den
Wiener Kongress bezieht. Doch natürlich wird nicht nur
verhandelt. King erzählt von den zahllosen Liebschaften und
Amouren, die den gekrönten und ungekrönten
Teilnehmern oft wichtiger waren, schreibt von den großartigen
Bällen und den festlichen Einladungen, bei denen viel mehr
Politik gemacht wird als in den trockenen Besprechungen. Aber kein
Romanautor hätte sich die Pointe ausdenken können,
dass der Kongress unterbrochen werden muss, weil der
gefürchtete Napoleon wieder auf der politischen Bühne
erscheint und plötzlich alles ganz anders werden
könnte, als der tanzende Kongress das geplant hat ... (Piper)
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Thierry Lentz: "1815. Der Wiener Kongress und die Neugründung
Europas"
1815 war ein Schicksalsjahr für das moderne Europa. Napoleons
Armeen waren geschlagen, ein ganzer Kontinent musste neu geordnet
werden. Thierry Lentz wirft in seinem großen Buch einen
einzigartigen Blick auf jenes Schlüsselereignis, das eine
epochale Wende einläutete: Der Wiener Kongress war nicht nur
ein schillerndes Tanzvergnügen - er war Fundament und
Ausgangspunkt einer gewaltigen Neugründung Europas.
Thierry Lentz, einer der führenden französischen
Historiker und ein profunder Kenner der Zeit, schaut hinter die
Kulissen der offiziellen Diplomatie, dorthin, wo die wichtigsten
Entscheidungen von Metternich, Hardenberg und Talleyrand ihren Ausgang
nahmen. Scheinbar mühelos wechselt er dabei die Perspektiven
und beleuchtet mit großer Eleganz und Finesse die
verschiedenen Interessen der Mächte, dieses diplomatische
Ringen, bei dem nichts weniger auf dem Spiel stand als die Zukunft
Europas.
Lentz erzählt die Geschichte des Wiener Kongresses vollkommen
neu und lässt wie nebenbei das große Panorama einer
bewegten Epoche entstehen, die weitaus dynamischer und innovativer war,
als wir bisher dachten - und deren Protagonisten sich Herausforderungen
zu stellen hatten, die auch heute wieder hoch aktuell sind. (Siedler)
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Wolfram Siemann: "Metternich. Staatsmann zwischen Restauration und Moderne"
Metternich - sein Name steht für das Zeitalter der Restauration, das
monarchische Prinzip und den Versuch, den liberalen und nationalen
Kräften des 19. Jahrhunderts Einhalt zu gebieten. Doch der Fürst, der
rund vier Jahrzehnte lang zu den beherrschenden Gestalten Europas
gehörte, war mehr als nur ein Reaktionär. Wolfram Siemann zeigt, dass
der Gegenspieler Napoleons und Architekt der europäischen
Friedensordnung nach dem Wiener Kongreß von 1815 mehr als bislang aus
seiner Zeit heraus verstanden werden muss und in vielem moderner war als
das bis heute gängige Bild von ihm vermuten lässt. (C.H. Beck)
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Wolfram Siemann: "Metternich. Stratege und
Visionär"
Metternich gilt seit je als Inbegriff der Reaktion, als rückwärtsgewandter
Feind aller liberalen und nationalen Kräfte. Wolfram Siemann zeichnet in seiner
grandiosen Biografie ein fundamental neues Bild des Staatsmannes, der für vier
Jahrzehnte die Geschicke Europas prägte. Metternichs Denken war moderner, seine
Diagnosen hellsichtiger und sein Wirken zukunftsweisender, als man ihm bisher
zugestanden hat. "Ein Mann wie ich scheißt auf das Leben von einer Million
Menschen!", erklärte Napoleon seinem Gegenspieler Metternich im Jahr 1813.
Clemens Fürst von Metternich (1773-1859) erlebte die mehr als zwanzig Jahre
andauernden Kriege in Europa als Zusammenbruch der Zivilisation. Fast
prophetisch sah er voraus, dass der Freiheitsdrang der Nationen in eine noch
blutigere Katastrophe münden würde. Metternichs Friedensordnung von 1815 kann
nur vor diesem Hintergrund begriffen werden. Das gilt sogar für seine
repressiven Maßnahmen gegen jeden drohenden gesellschaftlichen Aufstand. Auf der
Grundlage zahlreicher neuer Quellen lässt Wolfram Siemann einen schillernden und
vielschichtigen Mann vor unseren Augen lebendig werden: Metternich war ein
traditionsbewusster Reichsgraf und ein frühindustrieller Unternehmer, ein
Bewunderer der englischen Verfassung, ein scheiternder Reformer in einem
fragilen Vielvölkerstaat und ein Verehrer der Frauen. Diese Biografie ist ein
Meilenstein und taucht nicht nur Metternich, sondern die Geschichte des 19.
Jahrhunderts insgesamt in ein neues Licht. (C.H. Beck)
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Günter Müchler: "1813.
Napoleon, Metternich und das weltgeschichtliche Duell von Dresden"
"Es kann mich den Thron kosten, aber ich werde die Welt in
ihren Trümmern begraben." (Napoleon Bonaparte am 26.
Juni 1813)
Am 26. Juni 1813 trafen sich im Palais Marcolini in
Dresden
die großen Kontrahenten Napoleon und Metternich zu einer
achtstündigen Unterredung. Nach der Katastrophe in Russland
steht für den Kaiser alles auf dem Spiel: Ausgleich mit
Österreich oder aber Aufstand Europas und sein Untergang?
Napoleon bleibt dem Gesetz des Eroberers treu. Ausmanövriert
von Metternich weicht er keinen Schritt von seinen Ansprüchen
zurück - keine vier Monate später bricht sein
europäisches Großreich in der
Völkerschlacht bei Leipzig zusammen.
Günter Müchler beschreibt diese historische
Konfrontation von Tatmensch und Diplomat, neuer Zeit und Ancien
Régime spannend wie ein Drama. Er zeichnet den
unterschiedlichen Lebensweg der beiden Gegenspieler bis 1813 nach. Und
er schildert anschaulich die Ereignisse zwischen dem Untergang der
Grande Armée im Winter 1812 in Russland und der Leipziger
Entscheidungsschlacht im Herbst 1813. Eine Begegnung, in der sich
Geschichte verdichtet, wird zu einer großen historischen
Erzählung. (Theiss)
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Clemens Lothar Wenzel von Metternich-Winneburg: "Nachgelassene Papiere"
Herausgegeben von dem Sohne des Staatskanzlers. (Adamant Media Coporation)
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Adam
Zamoyski: "1815 - Napoleons Sturz und der Wiener Kongress"
Der geschlagene Napoleon trifft am 18. Dezember 1812 nachts inkognito
in den Tuilerien ein und nimmt sofort das Ringen um seine schwankende
Machtbasis in Paris auf. Doch das Blatt hat sich gewendet. Von nun an
ist er der Gejagte.
Zwei Jahre später ziehen die Mächtigen in Wien neue
Grenzlinien über die Karte Europas. Schon vorher hatten sie
ihre Ansprüche angemeldet, als das Imperium des
französischen Kaisers erste Risse zeigte. Nun, auf dem Wiener
Kongress, kommt alles zum Einsatz. Selten in der Geschichte gab es
gleichzeitig an einem Ort so viele Manöver und Intrigen, so
viel Gier, Bestechung, Sex und Erpressung.
Zamoyski entfaltet auf der Grundlage von Dokumenten, Briefen,
Tagebüchern, Polizeiberichten in sechs Sprachen ein
fulminantes historisches Panorama, das bestechende Analysen der Politik
ebenso bietet wie intime Einblicke in das frivole Leben hinter den
höfischen Kulissen. (C.H. Beck)
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Wolfram Pyta (Hrsg.):
"Das europäische Mächtekonzert. Friedens- und Sicherheitspolitik vom Wiener Kongreß 1815 bis zum Krimkrieg
1853"
Zwischen dem Wiener Kongress 1815 und dem Ausbruch des
Krimkriegs
1853 erlebte Europa eine einzigartige Friedensperiode, in welcher die
Großmächte Russland, Großbritannien,
Frankreich, Österreich und Preußen es vermieden,
gegeneinander Krieg zu führen. Sie bildeten vielmehr einen als
"europäisches Konzert" beschriebenen Verbund, der neuartige
kooperative Mechanismen schuf, um Frieden und Sicherheit zu wahren. Die
Beiträger des Bandes widmen sich zwei Leitfragen: Welche
innovativen Strukturen zwischenstaatlicher Kooperation
ermöglichten dem "europäischen
Mächtekonzert" seine vergleichsweise lange Bestandsdauer? Und
welche kulturellen Antriebskräfte befähigten eine
unter dem Eindruck der napoleonischen Kriege stehende Generation von
Monarchen und Staatsmännern dazu, neue Wege
zwischenstaatlicher Friedenswahrung einzuschlagen? Erstmals werden hier
Ansätze einer Kulturgeschichte internationaler Beziehungen auf
die europäischen Mächtebeziehungen
übertragen. (Böhlau)
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Matthias Schulz: "Normen und Praxis. Das
Europäische Konzert der Großmächte als Sicherheitsrat, 1815-1860"
Welche Rolle spielte das von Zeitgenossen oft als zu mächtig
gescholtene, doch von "Realisten" der Internationalen Beziehungen als
irrelevant verschmähte Europäische Konzert
für die friedliche Konfliktregulierung nach den Napoleonischen
Kriegen? Die in der Historischen Friedens- und Konfliktforschung
angesiedelte Studie untersucht erstmals das Verhältnis von
Normen und Praxis des vielfach missverstandenen "Sicherheitsrates"
zwischen Wiener Kongress und italienischer Einigung. Matthias Schulz
weist auf die wachsende Bedeutung von kollektiven Handlungsrepertoires,
Verfahren und normativen Vorstellungen in der Staatengesellschaft des
19. Jahrhunderts hin. Erkenntnisse über die Einhegung der
Machtpolitik durch Institutionenbildung sowie Vorzüge und
Schwächen der direktorialen Tradition der Konfliktregulierung
werden so einer Gegenwart nahe gebracht, die selbst vor der schwierigen
Zukunftsaufgabe steht, ethnische und religiöse Spannungen
sowie Ressourcenkonflikte friedlich zu entschärfen.
(Oldenbourg)
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