rezensiert von Thomas Harbach
Richard Laymon gehört zu den Autoren, die die Horrorgemeinde spalten. Im Gegensatz zu dem oft offenkundig brutal schreibenden, aber hintergründig ungemein subtil Strömungen der Zeit in Worte fassenden Jack Ketchum wirken Laymonds Roman oft wie überflüssige und hemmungslose, frauenfeindliche Gewaltexzesse. Wer seine Romane liest, muss von vorneherein das biblische Prinzip des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ akzeptieren. Nur selten spielen Ordnungskräfte eine größere Rolle. Meistens räumen sie nur noch den angerichteten Schaden auf. Viele seiner Bücher setzen sich mit der – aus seiner Sicht – Verweichlichung unserer Zivilisation auseinander, die es Verrückten ermöglicht, ihre niederen Triebe auszuleben. Dabei kümmert es Laymon nicht, wo die Wurzeln dieser kriminellen Subjekte liegen. Zwar deutet er – wie in diesem Roman – zerrüttete Familienverhältnisse an, aber sie spielen weder eine entscheidende Rolle noch werden sie als Entschuldigungen herangezogen. Ein Teil der Leser sieht in seinen Werken das fleischgewordene Abbild einer moralisch verkommenen Zivilisation, für andere sind seine Bücher wenig subtile und den Verstand nicht fordernde Flughafenromane.
„Come Out Tonight“ – so der Originaltitel und deutlich passender als das plakative deftige „Rache“ der deutschen Ausgabe – ist in den späten neunziger Jahren als Massenpaperback erschienen. Das literarische Karussell hatte sich weitergedreht und Richard Laymons Probleme lagen deutlich im Verkauf seiner Bücher an die diversen Taschenbuchverlage. Der Splatterpunk der frühen neunziger Jahre hatte seine letzte Ruhestätte neben dem Cyberpunk der Science Fiction als Innovator des phantastischen Genres gefunden.
Dabei beginnt der Autor seine Geschichte in bester Stephen King Manier mit einer alltäglichen Situation, bevor die Geschehnisse in einen wahren Blutrausch abrutschen. Eine junge Frau möchte das erste Mal mit ihrem neuen Freund schlafen und da dieser keine Kondome mehr zu Hause hat, schickt sie ihn zum Einkaufen. Dieser kommt nicht zurück und so macht sie sich mitten in der Nacht in einem heruntergekommenen Wohnviertel auf die Suche nach ihm.
Er spielt zu Beginn dieser Achterbahnfahrt mit seinen Lesern und legt eine Reihe von falschen Spuren. Der eigentliche Psychopath Toby wird zuerst als hilfsbereiter Junge beschrieben, der obligatorische düstere Mann dagegen entpuppt sie als Inkarnation eines freundlichen Helfers. Einige Zeit funktioniert diese recht subtil angelegt, aber direkt erzählte Spiel. Die junge Frau versucht sich aus der Gewalt des Verrückten mit allerlei Tricks zu befreien, dieser giert danach, sie zu vergewaltigen und ein erstes Mal Sex zu haben.
Laymon konzentriert sich fast ausschließlich in der ersten Hälfte des Buches auf eine einzigartige, aber leider nicht intime und überzeugende Perspektive. Der Leser verfolgt das Geschehen ausschließlich aus der Sicht der jungen Frau. Keine weiteren Informationen werden ihm auf den Weg gegeben. Dieser literarische Trick erhöht nicht nur die Spannung, sondern macht aus einer ansonsten eher durchschnittlichen Idee eine unangenehme Lesestunde. Bis zum Ausbruch wirklich brutaler Gewalt deutet der Autor immer wieder mögliche Eruptionen ohne ins Detail zu gehen an. Da Laymon seinen Bösewicht bislang als eher gemütlichen Dicken mit einigen ungesunden Hobbys beschrieben hat, wirkt diese Veränderung zumindest auf den ersten Blick effektiv. Leider übertreibt er dann allerdings im Zuge des Romans. Ein spontaner Ausbruch von Gewalt gegenüber einem Menschen, den man heimlich und dafür abgöttisch liebt, hätte deutlich besser gewirkt als ein geisteskranker Massenmörder, der schon seine Eltern auf heimtückische und unentdeckte Art umgebracht hat. Im Laufe des Buches nimmt Laymon seinem Antagonisten sehr viel von seiner Effektivität. Der Roman verliert deutlich an Spannung und den Leser interessiert nur noch die Form der Rache und nicht mehr der Fortlauf der zu geradlinigen und wenig verschachtelten Handlung.
Leider macht es Laymon auch bei der Konstruktion der ersten Hälfte zu einfach. So flieht die junge Frau in eine Kneipe und hat nichts Besseres zu tun, als sich auf der Toilette zu reinigen und nicht die Polizei zu rufen. Außerdem geht die junge Frau während der Suche nach ihrem geliebten Partner etwas Essen. Mit dieser unglaubwürdigen Szene zerstört der Autor einen sorgfältigen konstruierten Spannungsbogen. Viele Anspielungen wirken insbesondere in dieser Szene will zu deftig und unwillkürlich hat man das Gefühl, Laymon zeigt mit dem Finger ganz bewusst auf seinen zukünftigen Bösewicht, um brachial auf die potentielle Bedrohung hinzuweisen. Weniger wäre wirklich deutlich mehr gewesen.
Einen anderen Fehler nimmt Laymon in der zweiten Hälfte des Buches nach einem spannungstechnisch notwendigen Wechsel der Perspektive wieder auf. Warum spätestens nach ihrer Rettung durch zwei junge Männer nicht die Polizei gerufen und ihre Familie geschützt wird, dürfte das Geheimnis des Autoren bleiben. Toby ist kein Halloween Michael Myers, sondern ein dicker Junge, der aus einem nicht näher definierten Grund plötzlich nicht nur durchdreht, sondern zu einem Massenmörder wird. Die wenigen subtilen Charaktereigenschaften werden durch diese handlungstechnisch leider notwendigen Nachlässigkeiten im Plotaufbau negiert und nicht selten hat der Leser das Gefühl, Laymon hat keine Zeit gehabt, intelligente Alternativen zu entwickeln. So rasant die eigentliche Geschichte auch geschrieben worden ist, so leichtfertig verzichtet er auf rationale Handlungen seiner Charaktere.
Hinzu kommt eine unglaublich deutlich spürbare Frauenfeindlichkeit. So dient die junge Frau stellvertretend für das weibliche Geschlecht im Grunde nur als bestaunenswertes, begehrenswertes und anfassbares Sexobjekt. Jeder Mann, der ihr begegnet, sieht sie trotz einer Vielzahl von Prellungen, blauen Flecken, Schnittwunden oder Schmutz am Körper nicht als Frau sondern Lustspender. Selbst die beiden Jungen, die sie in einem Straßengraben finden, denken zuerst an Sex mit der aus ihrer Sicht toten jungen Frau. Nachdem sie ihre Wunden gesäubert haben, ziehen sie ihr mit ihrer Zustimmung einen Bikini an und nicht eine Jeans mit passendem oder unpassendem Hemd. Sehr überzeugend. Es fehlt insbesondere als Sympathiefaktor für die Leser die Möglichkeit, sich nicht nur mit ihren Handlungen zu identifizieren – nachdem ihr Freund geköpft, ein freundlicher Helfer erstochen und sie selbst sexuell missbraucht worden ist, kann ein Leser ihre Rachegefühle durchaus verstehen -, sondern mit ihr als Person. Immer wieder finden sich Ansätze eines dreidimensionalen Charakters, die Laymon leichtfertigerweise und fast unbeholfen mit ihren Handlungen wieder vom Tisch wischt. Ohne eine überzeugende und in diesem Fall als einziger Handlungsträger fungierende Hauptperson kann weder ein Horrorroman noch eine persönliche Rachegeschichte überzeugend funktionieren.
Einen negativen Höhepunkt stellt die Vergewaltigung einer dicken jungen Schulkameradin dar, die nach anfänglicher Abscheu dann scheinbar den Missbrauch genießt und sich schließlich vor den Täter stellt. Der Autor ist sich nicht schade, das Klischee einer heimlichen und erfüllten Liebe als Erklärung für diesen Gesinnungswandel einer Jungfrau aus der Kiste zu holen. Es passt allerdings zu der insgesamt schwachen Charakterisierung aller Figuren, dass die Guten und die Bösen austauschbar geworden sind. Wenn der Autor am Ende des Buches dann auch noch von der Bildung einer Vigilantengang spricht und Gott die Aufgabe zuschustert, die Guten und die Bösen zu sortieren, so hätte dieser Kommentar in einem packenden und thematisch überzeugenden Roman kraftvoll und warnend gewirkt. Hier verliert dieses Ende zusammen mit dem unrealistischen Showdown an Kraft und negiert die wenigen effektiven Szenen insbesondere in der ersten Hälfte des Buches.
Richard Laymon ist einer der wenigen Horrorautoren, der wirklich gut und ansprechend schreiben kann. Nach der bisherigen Kritik ein scheinbarer Widerspruch. Laymons Problem liegt in seiner Themenwahl. Gezielt sucht er sich die menschlichen Abgründe aus. Er ist allerdings nicht in der Lage, diese subtil und überzeugend zu untersuchen. Immer wieder schweift er in exzessive, auf den ersten Blick schockierende aber inhaltlich hohle Gewaltorgien ab. Ihm gelingt es nicht, diese aus dem Nichts explodierende Gewalt in einen überzeugenden Rahmen zu packen. Deutlicher könnte der Unterschied zwischen seinen Büchern sowie den überdenkenswerten und unter die Haut gehenden Stoffen Jake Ketchums – siehe „The Girl next Door“ ebenfalls in der Heyne Hardcore Reihe erschienen – nicht sein. Ketchums entlarvt die niederen Instinkte. Er legt sie schonungslos kritisch und vorbehaltlos bloß. Laymon lässt sich von ihnen verführen.
Richard Laymon: "Rache"
Roman, Softcover, 556 Seiten
Heyne 2006
ISBN 3-4536-7503-7
Leserrezensionen
16.07.06, 03:24 Uhr
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Gomorrah
unregistriert
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Richard Laymon legt in diesem Buch ein ungeheures Tempo vor. Ich lese sehr viel und ich muß eindeutig gestehen, dass mich selten ein Buch so gefesselt hat. Natürlich gibt es anspruchsvollere Literatur - ohne Zweifel. Das steht aber hier ganz und gar nicht im Vordergrund. In erster Linie soll ein Buch unterhalten. Ich denke, wenn man ein Buch nicht mehr aus der Hand legen kann, weil es einen so fesselt, hat der Autor sein Ziel erreicht. Dies ist hier eindeutig der Fall. Richard Laymon hat hier ein kleines Meisterwerk vollbracht. Es ist eine sehr spannende und erschreckende Geschichte, in unglaublichem Tempo geschrieben, die einen vom Anfang bis zum Ende in seinen Bann zieht. Unbedingt zu empfehlen!!!!
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10.08.06, 20:17 Uhr
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bookaddicted
unregistriert
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Ich habe diesen Roman an einem Tag in einem Zug durchgelesen, so gefesselt war ich!! Der Leser wird in einen Sog gezogen, der einen so schnell nicht mehr loslässt... Richard Laymon ist einfach nur genial!! Allen, denen "Rache" (den Titel finde ich allerdings nicht so toll) gefallen hat, kann ich "Die Insel" von Richard Laymon empfehlen. Finde ich noch besser als "Rache". Laymon ist ein Geheimtipp!! Unbedingt merken...
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20.12.06, 02:23 Uhr
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murmelfrosch
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RACHE - Krass, Krank, Unglaublich aber GUUUUT!!!
Die abgefahrenste Story die ich jemals gelesen habe. Wie auf einem Drogentrip wird man durch das Geschehen gezogen. Richard Laymon lässt dem Leser keine Zeit zum Atmen. Und jedes mal wenn man glaubt, sich einmal entspannt zurücklehnen und wieder etwas Luft schnappen zu können, wird man wieder schonungslos und ohne jede Vorwarnung ins Geschehen zurück geschleudert. Sämtliche Sinne werden mit einem Vorschlaghammer bearbeitet!
Viele bemängeln hier die sinnentleerten Kommentare, die unrealistischen Handlungsweisen der Protagonisten und den einfachen Schreibstil....... Ja und, wenn juckts!!! Gerade diese "angeblichen" Mängel (die für mich keine sind) machen die Story zu dem was sie ist. Der genialste Gehirnfi..., der mir jemals untergekommen ist!!!
Wer zwischendurch gerne mal verrückte, abgefahren, krasse und durchaus kranke Storys liest, wird von Richard Laymon bestens bedient.
Alle anderen Finger weg!!!
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28.12.08, 21:23 Uhr
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unregistriert
unregistriert
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Laymon ist ein Psychopath. Man sollte mal untersuchen, ob er nicht im Verborgenen seinem sexistischen Wahn gelebt hat.
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