rezensiert von Thomas Harbach
Der neue Richard Laymon könnte durchaus als sein Frauenroman bezeichnet werden. Fünf junge Frauen stehen im Mittelpunkt, die natürlich wieder von einem Serienmörder oder dessen Geist bedroht werden. Aber im Vergleich zu Werken wie “Die Insel”, in welchen die Figuren über eindimensionale Klischees, willig oder unwillig als Sexsklaven missbraucht und diese Behandlung schließlich liebend, nicht hinausgingen, bemüht sich Richard Laymon in dem für seine Verhältnisse ungewöhnlich auf zwei Handlungsebenen aufgeteilten Szenario, den einzelnen Figuren so etwas wie Tiefe zu geben. Fünf College Freundinnen treffen zu ihrem alljährlichen privaten Jahrgangstreffen. Die Organisation geht immer rein um, nur ein Abenteuer soll es sein. Dieses Jahr fällt die Aufgabe in Helens Hände, dem Horrorfan der Gruppe. Natürlich sucht sie sich ein abgelegenes, längst verlassenes Hotel mit dem Namen Totem Pole Lodge aus, das vor vielen Jahren Schauplatz eines Gemetzel gewesen ist. Anscheinend sind mehr als zwanzig Minuten umgebracht worden, um den Tod eines jungen Mädchens zu rächen. Neben der morbiden Atmosphäre fühlen sich die jungen Frauen von der Abgeschiedenheit und Einsamkeit fast erdrückt. Nach kurzer Zeit haben sie den Verdacht, dass sich jemand an ihren Sachen zu schaffen macht, Autoschlüssel verschwinden und es dauert nicht lange, bis die Organisatorin Helen plötzlich verschwindet. Die übrigen Frauen erkennen sehr schnell, dass sich nicht alleine sind.
Um den sehr geradlinigen und nicht immer originellen, aber zumindest packend erzählten Stoff mit Leben zu erfüllen, hat Richard Laymon eine zweite Handlungsebene integriert. Diese beginnt mit dem ersten Zusammentreffen der fünf Frauen vier davon nackt unter der Collegedusche - und ihren darauf folgenden Aktionen. Unerbittlich laufen die beiden Handlungen zeittechnisch im obligatorischen Showdown zusammen. Laymon hat sich zumindest bemüht, die einzelnen Frauencharaktere differenziert, aber nicht unbedingt nuanciert zu charakterisieren. Das eher hässliche Entlein ist natürlich Helen, welche Horrorfilme liebt. Cora ist die Sportliche, die schließlich den Lehrerberuf ergreifen wird. Vivian ist der Traum jedes Jungen, eine sehr attraktive Frau, die sich ihrer Schönheit durchaus bewusst ist und sie insbesondere während ihrer Collegezeit sehr gezielt einsetzt. Abilene ist hübsch, aber nicht herausfordernd schön, sie ist intelligent, während Finley im Grunde den Spanner in jedem Richard Laymon Leser verkörpert. Sie nimmt alles auf Video auf. Dieses Laster hat die fünf Frauen erst zusammengebracht. Anscheinend zieht sie eine gewisse Freude aus der Mischung von Horror, Gewalt und sexueller Provokation. Von beginn an überspannt Laymon den Bogen, in dem er seine weiblichen Charaktere als eindimensionale Pin Up Girls mit einigen positiven Attributen darstellt, die sich nicht nur gerne ausziehen und Jungs provozieren, die später auch ohne Probleme aus Freundschaft in einem homemade Horror- Sex- Film mitspielen und gerne miteinander duschen oder natürlich nackt schwimmen. Die Anzahl der Szenen, in welchen sich eine dieser Frauen auszieht und nackt präsentiert, ist selbst für einen Laymon Roman Legion. Während der Autor in seinen anderen Büchern - insbesondere “Die Insel” und “Das Spiel” - die sadistischen Instinkte seiner Leser mehrfach angesprochen hat, konzentriert er sich mangels Masse an Gewaltszenen auf die Voyeuristischen. Mit den Rückblicken auf die College stellt er überdeutlich dar, dass es sich bei den fünf Frauen nicht nur im hilflose Opfer handelt. So rächen sie sich an den Jungs, die für Nacktaufnahmen Coras immerhin fünfhundert Dollar verwettet haben, spielen einem Halloweenmuffel einen grausamen Streich, der allerdings schließlich nach hinten losgeht, blamieren die vermutlich lesbische Schulleiterin und rächen eine der Ihren an dem dandyhaften Playboy des College. Dabei werden ihre Streiche immer brutaler und stehen mehr als einmal in keinem Verhältnis mehr zu der erlittenen Schmach. Mit diesen Exzessen macht es Laymon seinen Leser unmöglich, die Figuren auch in der Gegenwartshandlungsebene als rein unschuldige Opfer anzusehen. Sie werden zu selten wirklich sympathisch und nahbar dargestellt. Mit der Distanz, welcher der Autor zwischen Leser und den Charakteren aufbaut, nimmt er sich auch in der Totem Pole Lodge Sequenz sehr viel an Spannung. In der Tradition des Slasherfilms läßt er die Frauen diesen unheimlichen Ort untersuchen, sich durchaus auch alleine in abgeschlossene Räume begeben und damit sich das Opferschild umhängen. Aber Laymon wäre nicht Laymon, wenn seine Figuren an dieser Herausforderung - so unwahrscheinlich sie auch erscheinen mag - zerbrechen würden. Das Gegenteil ist der Fall, sie wachsen über sich hinaus und zumindest einigen von ihnen gelingt es, den Kopf aus der tödlichen Schlinge zu ziehen.
Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es sich um die ungekürzte Neuausgabe. Zu Richard Laymons Lebzeiten ist das Buch schon einmal deutlich zusammengestrichen erschienen. Es sind rückblickend keine weiteren Goreszenen hinzugefügt worden, über diese verfügt die Geschichte im Vergleich zu anderen Laymontexten in einem zufrieden stellen und vor allem nicht so überbordenden Maße. Insbesondere die Rückblenden scheinen extrapoliert worden zu sein, um den einzelnen weiblichen Figuren ein wenig mehr Spielraum zu geben. Nicht umsonst wirken diese im Vergleich zur Haupthandlung zu lang und stören insbesondere die teilweise ein wenig mühsam und konstruiert aufgebaute Spannung. Zu oft muss Laymon im Haupthandlungsstrang fast mechanisch auf Klischees zurückgreifen und überrascht die Leser weniger als in seinen anderen Werken. Trotzdem führt der Autor das Szenario an einigen elementaren Stellen mit wenigen Kunstgriffen wieder auf das Elementare zurück und kann die Übergänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit harmonischer darstellen. Im Vergleich zu seinen anderen Büchern ist “Das Treffen” zugänglicher, der Autor bemüht sich, Suspense aufzubauen und nicht jedes Kapitel mit einer blutigen Sequenz enden zu lassen. Damit wirkt das Buch als Ganzes fließender und abgerundeter. Plottechnisch ist es allerdings insbesondere im Vergleich zu “Das Spiel” und “Die Insel” einfacher und stellenweise wenig packend inszeniert worden. Es fehlt die außerordentliche und teilweise sehr provokante Übertreibung, welche ansonsten sein Werk auszeichnet. Zu den schwächsten Passagen des Buches - ansonsten sein Stärken - gehören die teilweise zu albernden Dialoge. Richard Laymon macht sich nicht die Mühe, zwischen der Collegezeit und dem Leben danach zu unterscheiden und hätte er die einzelnen Handlungsebenen nicht sehr sorgfältig mit entsprechenden Überschriften voneinander abgegrenzt, wäre es für einen flüchtigen Leser schwer, sich in den einzelnen Zeitebenen zurecht zu finden. Hier wäre es sinnvoll gewesen, zumindest ein oder zwei Mitgliedern der Gruppe ein wenig Lebenserfahrung auf den Weg zur Hüte mit auf den Weg zu geben und die einzelnen Figuren nicht zuletzt aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Wege nach dem College zu differenzieren. In diesem Fall macht es sich Laymon eindeutig zu leicht und der Leser kann ohne Probleme zwischen den Zeilen erkennen, dass der Autor an intelligenten Frauen kein Interesse hat. Nicht umsonst wird der unscheinbarste Charakter als erste getötet, während der Autor das Faible hat, hübschen Frauen ein möglichst grausiges Schicksal - nicht immer bis zum brutalen Tod, aber haarscharf daran vorbei - auf den prallen und oft nackten, gefesselten Leib zu schreiben. Wer sich noch nicht in Richard Laymons pervers provozierender Welt auskennt, sollte mit Büchern wie “Das Treffen” beginnen, bevor er in die blutige nächste Liga aufsteigt. Im Vergleich zu einigen anderen inzwischen im Heyne- Verlag erschienenen Laymon Romanen eine eher durchschnittliche Arbeit, in welcher der Autor die Figur sorgfältiger zeichnen und vor allem den teilweise zu simplen Plot entweder mit Blut und Gore oder guten Ideen aufpeppen könnte. Insbesondere die Idee, die Gegenwart immer wieder und teilweise ungewöhnlich lange mit Episoden aus der Vergangenheit zu unterbrechen, funktioniert spätestens nach den ersten einhundertfünfzig Seiten nur noch bedingt.
Richard Laymon: "Das Treffen"
Roman, Softcover, 560 Seiten
Heyne- Verlag 2008
ISBN 3-4536-7543-6
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