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Neckarwestheim Atomstrom ist Bahn lieb und teuer

Sascha Schmierer, vom 06.02.2011 09:25 Uhr
Die Atomkonzerne müssen künftig eine neue Brennelementesteuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro zahlen. Damit soll ein Teil der Zusatzgewinne der Konzerne bei längeren Atomlaufzeiten abgeschöpft werden. Foto: dpa
Die Atomkonzerne müssen künftig eine neue Brennelementesteuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro zahlen. Damit soll ein Teil der Zusatzgewinne der Konzerne bei längeren Atomlaufzeiten abgeschöpft werden. Foto: dpa
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Neckarwestheim - Mit Atomstrom aus Neckarwestheim ist die Bahn jahrzehntelang gut gefahren: Fast jede vierte im deutschen Gleisnetz verbrauchte Kilowattstunde kommt aus dem Kernkraftwerk am Rand der Region Stuttgart. Nun entsteht direkt neben dem Atommeiler ein neues Umrichterwerk - auf Kosten der Steuerzahler.

Ist die Nukleartechnik nur noch ein Auslaufmodell? Oder wird Deutschland bei der Energieversorgung auch in Zukunft auf den Strom aus der Kernspaltung angewiesen sein? Während bundesweit nach wie vor über die Restlaufzeiten für Atommeiler und ungelöste Probleme bei der Lagerung ausgedienter Brennstäbe diskutiert wird, schafft die Bahn in Neckarwestheim schon millionenschwere Fakten.

Direkt neben dem bestehenden Kernkraftwerk haben die Bauarbeiten für ein neues Umrichterwerk begonnen. Auf einer fast drei Hektar großen Fläche im Gemmrigheimer Feld entsteht eine Anlage, die den im Atommeiler produzierten Drehstrom in den für den Bahnbetrieb benötigten Wechselstrom umwandeln soll. Wegen des großen technischen Aufwands wird erst im Oktober 2012 mit der Fertigstellung gerechnet. Vor der endgültigen Inbetriebnahme ist ein monatelanger Probebetrieb vorgesehen.

DB Energie will moderne Anlage bauen

Auftraggeber der neuen Anlage ist die Bahntochter DB Energy mit Sitz in Frankfurt. Das 1600 Mitarbeiter zählende Unternehmen betreibt nicht nur bundesweit etwa 200 Tankstellen, mit denen die gut 10.000 Diesellokomotiven im Bahnbetrieb gefüllt werden können. Der als bundesweit sechstgrößter Energieversorger geltende Tochterbetrieb muss auch dafür sorgen, dass auf den Bahnhöfen nicht das Licht ausgeht. Ein 7800 Kilometer langes Hochspannungsnetz mit 25.000 Masten ist für den bundesweiten Transport des Bahnstroms verantwortlich. Damit der ICE nicht auf halber Strecke stehenbleibt, muss die Energie aber auf die von der Bahn benötigte Frequenz gebracht werden. Im Gegensatz zum in der Industrie verwendeten Drei-Phasen-Drehstrom mit üblicherweise 50 Hertz wird für den Zugbetrieb nicht zuletzt wegen der Sicherheitsabstände der Oberleitung eine niedrige 15-kV-Spannung mit 16,7 Hertz gebraucht.

Der in Neckarwestheim erzeugte Strom wird bisher direkt im Kernkraftwerk umgewandelt. Im Maschinenhaus von Block I arbeitet ein 1989 in Betrieb genommener Bahnstromgenerator, auch Block II hat einen sogenannten rotierenden Umformer. Jetzt allerdings will die DB Energie die zwei Generatoren mit einer Leistung von jeweils 75 Megawatt durch eine moderne Anlage ersetzen. Weil auf dem Kraftwerksareal der Platz fehlt, entsteht das geplante Werk außerhalb. "Der Wirkungsgrad liegt um gut fünf Prozent höher als bei den herkömmlichen Anlagen", begründet die Bahntochter die Modernisierung.

Bei den in der Region Stuttgart und im Heilbronner Unterland benötigten Strommengen wirke sich die Umrüstung trotz der hohen Investitionskosten positiv aus. Exakte Zahlen konnte der Firmensprecher der DB Energie nicht liefern. Der in Neckarwestheim umgewandelte Bahnstrom wird über ein örtliches Schaltwerk etwa zum Unterwerk in Stuttgart-Zazenhausen geleitet. Der Drehstrom aus dem Atommeiler fließt übers Umspannwerk Großgartach bei Heilbronn ins Netz. Umrichterwerke unterhält die DB Energie auch in Karlsruhe, Neu-Ulm und Aschaffenburg, die Schnittstellen von Stromnetz und bahninterner Energieversorgung werden Zug um Zug erneuert.

Greenpeace übt Kritik

Massive Kritik am Standort Neckarwestheim übt die Umweltorganisation Greenpeace. "Mit dem neuen Umrichterwerk wird die Abhängigkeit der Bahn vom Atomstrom geradezu zementiert", beklagt der Nuklearexperte Tobias Riedl. Weil die zwei Neckarwestheimer Meiler fast 25 Prozent des bei der Bahn verbrauchten Stroms erzeugen, fordert Greenpeace ein Ende der Lieferungen. "Die Bahn inszeniert sich gern als umweltfreundliches Unternehmen, doch in Wahrheit ist sie eine Atombahn", sagt der aus Nürtingen stammende Aktivist.

Für die DB Energie hingegen bietet die neue Anlage für den Bahnstrom eher mehr als weniger Unabhängigkeit. "Ein positiver Nebeneffekt ist, dass das Umrichterwerk im Gegensatz zu den bisherigen Generatoren auch das öffentliche Stromnetz anzapfen kann", erklärt der Unternehmenssprecher. Die Kosten für die Modernisierung der Stromtechnik trägt zum größten Teil der Steuerzahler: Gerechnet wird bei der zweijährigen Großbaustelle mit Investitionen von 46,5 Millionen Euro. Der Löwenanteil kommt aus dem Topf fürs Konjunkturprogramm, gerade mal 9,4 Millionen Euro zahlt die Bahn aus der eigenen Kasse.

 

Kommentare (13)
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FEB
08
16:46 Uhr, geschrieben von Hamburger Jong
Die Atomstrom-Lobby verheimlicht: Ohne Grüne würden wir bald alle im Atom-Müll krepieren.
Grüne Umweltschützer haben feststellen müssen, dass das CDU-Endlager in Gorleben ungeeignet ist. Dass der CDU-Minister-Präs. Albrecht (Vater von Arb.Min.v.d.Leyen) nur von den anderen Bundesländern und der Bundesrepublik bequem abkassieren wollte und eine völlig untaugliche Deponie als SICHER empfehlen ließ. Gekaufte Gutachter taten ihr Übriges. Umweltschutz hat für die Konservativen bisher keine Rolle gespielt. Erst als sie merkten, dass damit Stimmen zu holen sind, haben sie opportunistisch und ohne innere Überzeugung auch zu diesem Thema gegriffen. Die Bahn setzt weiter auf Atom-Strom, soll sie doch für die sichere Endlagerung die notwendigen Milliarden bereitstellen. Aber diese würden wir Steuerzahler auch noch berappen müssen. Mors mors!!!!
FEB
08
14:25 Uhr, geschrieben von Lucie Nemec
Wo waren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –im Winterschlaf?
Atomkraftwerke: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN profitieren von eigener Taktik Rückblick: 1990 scheiterten die West-Grünen mit 4,8 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Den größten politischen Profit vom Weiterbetrieb der Atomkraftwerke hat der Wahlblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der sich seit dem Wiedereinzug des Wahlblocks in Fraktionsstärke in den Deutschen Bundestag 1994, aufs politische Foulspiel spezialisierte. In einer taktischen Meisterleistung hintertrieben seinerzeit die Minister des Wahlblocks das sofortige Abschalten der Atomkraftwerke, weil - so die augenscheinliche Kalkulation - der Wahlblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur beim Weiterbetrieb ohne eigene Anstrengung immer wieder so viele Wählerstimmen bekommt, daß er über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. Fundbuerocontratom
FEB
07
22:32 Uhr, geschrieben von K. Neumann
@ Heinz Wenn ich eine Kostenstelle habe, in die ich investieren muss
dann müssen diese Investitionen klar bezeichnen,was sie tun. Hier kommt das Geld für die Kostenstelle auch aus Fremdquellen. Das verwischt die Kosten-Nutzen Relation und Wirtschaftlichkeit spielt dann eine untergeordnete Rolle für die Bahn. Denn die Bahn wird sich die Wirtschaftlichkeit auf der Basis ihrer Teilinvestition und nicht auf der Basis der Gesamtinvestition ausrechnen. Da kann man dann doch ziemlich freizügig verfahren auch mit dem eigenem kleinem Beitrag, den die Bahn leistet, nicht wahr, ohne dass einem das Kostenrisiko über den Kopf wächst. Und das ist der springende Punkt hier. Dass das Ding dann noch neben einem Atommeiler, bei dem man am Druckbehälter zum Teil die Schweissnähte auf Versprödung nicht kontrollieren kann, soweit ich richtig informiert bin, gebaut wird, na ja, irgendwie und irgendwo muss man das Sahenhäubchen ja setzen. Den Kontraste Beitrag zu den Schweissnähten aus dem Link sollten sich die Schwachbesaiteten bitte nicht anschauen http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste_vom_15_07/atomkraft___laufzeitverlaengerung.html In einem Notfallplan sollte verfassungsmässig verankert sein, dass alle Verantwortlichen, die damit das Geld verdient haben, um sich im Falle der Fälle den notwendigen Abstand zu kaufen, automatisch haftbar sind und ihren Wohnsitz nicht verlassen dürfen. Anders wird nie Ordnung. Aber eine solche Partei, die solche Gesetze machen würde, die würde in D nicht gewählt.
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