Literatur in Tirol und Südtirol
Einblicke
- Wie an die Volkstheatertradition in der gegenwärtigen Theaterszene Tirols angeknüpft wird bzw. wie sie verändert weiterwirkt. Ein Interview mit Toni Bernhart, geführt von Barbara Hoiß, Mai 2011
- Anmerkungen zur gegenwärtigen Szene des außerberuflichen Theaters und der Volksbühnen aus der Sicht des Spielleiters. Ein Gespräch mit Ekkehard Schönwiese, wiedergegeben von Christine Riccabona, Jänner 2011
- Anna Rottensteiner: Von der Auflösung. Nachzeichnung einer Entwicklung in den Werken von Waltraud Mittich, März 2010
Interview mit Toni Bernhart, Da könnte ich jetzt sprachphilosophisch werden oder mit einer Anekdote antworten. Ich bleibe lieber bei der Anekdote, die erklärt, warum es diese Figur gibt. Weil ich wusste, welche Schauspielerinnen und Schauspieler im Stück spielen werden, habe ich mich mehrmals mit der Gruppe getroffen, um sie besser kennen zu lernen. Eine Schauspielerin sagte zu mir, dass sie nur eine kleine Rolle spielen will, am liebsten eine Rolle ohne Text, die nur auf einer Bank hockt. Ich habe die Idee aufgegriffen und weitergesponnen und dann kam es zu dieser Figur. Sie spricht nicht und sitzt die längste Zeit auf einer Bank. Sie ist natürlich im Bühnenraum, sie interagiert und kommuniziert, sie kann gar nicht anders. Aber eben ohne Sprache. Das wirkt einerseits komisch und andererseits hintergründig. |
Anmerkungen zur gegenwärtigen Szene des außerberuflichen Theaters und der Volksbühnen aus der Sicht des Spielleiters. wiedergegeben von Christine Riccabona Wie an die Volkstheatertradition in der gegenwärtigen Theaterszene Tirols angeknüpft wird bzw. wie sie verändert weiterwirkt, ist von Interesse - unter anderem auch in Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt das im Rahmen von "Sparkling Science" abgewickelt wurde/wird. Es lag daher nahe, einen Blick auf gegenwärtige Theaterprojekte zu werfen und ein Gespräch mit Ekkehard Schönwiese zu suchen, in dem der aktuelle Stand gelebter Theaterkultur jenseits der etablierten Institutionen wie des Landestheaters oder des Kellertheaters - beleuchtet werden sollte. „Volksschauspiele sind Medien der Gemeinschaftsbildung. Sie sind der Treibstoff für einen Motor, der das Fahrzeug des Tradierens in Bewegung bringt. An ihren Stoffen entzündet sich Explosives der Gegenwart. Und die sind vor allem „integrativ“. Sie machen die Verdrängungsmechanismen geschlossener Gemeinschaften zum Spielthema.“ (Schönwiese: Vom Volksschauspiel zur SitCom, S. 6) Das bedeutet vor allem auch, die intellektuelle Distanz zugunsten einer Naivität, verstanden als unverbildete Unmittelbarkeit, aufzugeben. Das Wiederfinden der Natürlichkeit - ein langer Weg - ist der Kern des Volkstheaters. Heinrich von Kleist hat diesen Prozess in seinem Essay „Über das Marionettentheater“ treffend beschrieben. „In jedem Spiel ‚geht es um etwas’. Es stellt durch aufgestellte Regeln Spielordnungen her, die die Ordnungen des Alltages für die Spieldauer außer Kraft setzen. Auf dem Fußballplatz geht es um den Ball. Und beim Schlußpfiff ist das Spiel aus. Im Brauchspiel geht es um den Brauch. Auch er setzt für eine bestimmte Dauer Gesetze des Alltages außer Kraft und bringt überlieferte Ordnungen ins Spiel. Das Ausziehen des Kostüms entspricht dem Schlußpfiff. Aus dem Heiligen Geist wird wieder der Nachbar, aus dem Teufel wieder der Bruder. So weit, so gut. Nur, es besteht ein Unterschied zwischen den Rollen im Sportspiel und denen im Brauchspiel. Darstellende Rollen sind Verkörperungen, die nicht spurlos wegzupfeifen sind. Spiele, die sich als Abbild der Realität oder gar als Chronik der Zeit verstehen, hinterlassen Bilder und Spuren im Alltag. Also scheint es legitim, das Volksschauspiel aus seinem historisch definierten Kontext herauszulösen, um es auf den Prüfstand der Erneuerungsfähigkeit zu stellen.“ (Schönwiese: Vom Volksschauspiel zur SitCom, S. 48) Der Mensch selber ist die Schrift, nur ein Bruchteil vermittelt sich über die Sprache, der Großteil ist Verkörperung. Die Gestaltung, die Gestalt auf der Bühne, das Spiel, ist die Botschaft. Ein Beispiel: Die Jugendtheatergruppe ‚Funtasy’ der ‚KreativWerkstätte’ von ‚Jugend-Land-Künstler’ studierte ein Stück ein („Ehrensache“, 2010, Vgl. Darstellendes Spiel, Nr. 3, 2010), das man unter das Thema ‚Ausländerproblematik’ subsumieren könnte. Es handelt unter anderem von Sprach- und Verständigungsproblemen. ‚Ausländerproblematik’ wird aber nicht als Thema von oben herab einem Publikum vorgespielt. Die Bühne wird vielmehr ein Ort der Begegnung mit dem Fremden, ein Ort der Integration, an dem Sprachbarrieren durch das Spiel überwunden werden, das Wesentliche passiert im Spiel, in der Bewegung. Das ist ein anderer Weg, als ihn ein Text, eine (gesellschaftskritische) Literatur anbietet. Literatur ist eine ganz andere Welt als das Theater, Literatur heißt etwas niederschreiben, spielen heißt etwas aufheben. Ekkehard Schönwiese Volksschauspielforschung. Zum Neudenken (Innsbruck 1999). Ekkehard Schönwiese: Keiner kennt Hans Renz. In: Darstellendes Spiel, 4 / 2010, S. 6. Ekkehard Schönwiese: Schönherr – „Familie“ unbekannt. In: Darstellendes Spiel, 4 / 2010, S. 5. Ekkehard Schönwiese: Mit-Teilen statt Vor-Machen. In: Darstellendes Spiel, 4 / 2010, S. 8-9. |
Anna Rottensteiner: Von der Auflösung. Nachzeichnung einer Entwicklung in den Werken von Waltraud Mittich, März 2010 Wir alle tragen noch unsere unsterblichen Städte in uns In der digitalen Fotografie bezeichnet Auflösung die Punktdichte einer Wiedergabe oder Bildabtastung und ist damit - neben der Farbtiefe - ein Maß für die Qualität. In der „klassischen“ Fotografie bezeichnet Auflösung oder Auflösungsvermögen die Fähigkeit eines Objektivs, Films oder Sensors, bestimmte kleinste Strukturen noch wiedergeben zu können. Aus der Vielzahl der Punkte ergibt sich ein dichtes Bild, das der Wahrnehmung in der Wirklichkeit in nichts nachstehen möchte, das die Wirklichkeit so getreu wie möglich nachbilden möchte. |