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||| ILSE AICHINGERS UNHEIMLICHE PARABEL “KNÖPFE” | HARRY ROWOHLT : SPRACHMACHT, DIE SPASS MACHT | JOSEF BIERBICHLER : DIE AXT IM HAUS | KLANGAPPARAT

ILSE AICHINGERS UNHEIMLICHE PARABEL “KNÖPFE”

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NZZ , 4. 11. 2011

czz – Schön und glänzend und wie Früchte nehmen sie sich aus, bleiben aber kalt und hart und fremd. Den Schmuckknöpfen, welche die drei Mädchen Rosie, Jean und Ann täglich zählen und sortieren, haftet ein inneres Glühen an, aber gleichzeitig etwas unfassbar Beunruhigendes. Das 1974 vom DRS produzierte Hörspiel war die erste radiofone Arbeit von Ilse Aichinger, deren Geburtstag sich am 1. November zum neunzigsten Mal jährte.

Wie in den frühen Erzählungen hebt auch “Knöpfe” mit einer ganz gewöhnlichen Situation an, um peu à peu mittels surrealer Szenen ins Unheimliche zu kippen. So hört und stört die erst kurz bei den Knöpfen arbeitende Ann ein ständig quälendes Geräusch aus einem Nebenraum; die beiden länger dienenden Mitarbeiterinnen haben diesen Ton ebenso adaptiert wie die verstörende Tatsache, dass die einzelnen Knopfmodelle Mädchennamen tragen. In kurzen Aufblenden von Dialogen berichtet Jean, wie sie sich seltsam fühle, “so glatt und rund”.

Seither ist Jean nicht wieder bei der Arbeit erschienen, wo, begründet mit der Lancierung eines neuen Knopfmodells, nun auch sonntags sortiert und gezählt wird. Niemanden nimmt es noch wunder, dass das vielgepriesene neue Modell ausgerechnet die Artikelkennung “Jean” trägt. Klanglich maximal verkargt und ganz auf die Sprache konzentriert, hat Joseph Scheideggers Inszenierung keinerlei Staub angesetzt und nach wie vor das Zeug zu einem Unheimlichen, hinter welchem sich ein grosses Gleichnis verbirgt.

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HARRY ROWOHLT : SPRACHMACHT, DIE SPASS MACHT

NZZ , 4. 11. 2011

czz audio aktuell whiteczz – Man braucht Harry Rowohlt kaum vorzustellen, Harry Rowohlt ist eine Institution. Im Stillen zählt er zu den fleissigsten Übersetzern aus dem Anglo-Amerikanischen, mit besonderem Gusto für irische Literatur. Einen modernen Kinderbuchklassiker erschloss er mit Alan Alexander Milnes “Winnie-the-Pooh“. Die Sympathie für Letzteren klingt im Titel einer jahrelang in der “Zeit” publizierten Kolumne an: “Pooh’s corner – Meinungen eines Bären von geringem Verstand “.

Der “geringe Verstand” zählt zu dem für Rowohlt typischen Understatement, welches in paradoxer Form auch seine enorme Bühnenpräsenz austariert. Als stimm- und wortgewaltiger Performer sinniert er über Alltagsgeschichten und sprachliche Sonderbarkeiten wie den fatalen Hang des Coiffeurgewerbes zu “originellen” Namen seiner Lokale oder die “pfiffigen” Benamsungen von Neukreationen der Brötchenbäckerei. Dabei schweift Rowohlt – in direkter Nachfolge Tristram Shandys – zuweilen grandios vom Thema ab, um nach vollmundigem Mäandern eventuell zurückzufinden.

Wie auf dem eben erschienenen Mitschnitt eines Live-Auftritts zu vernehmen, vermag Rowohlt stufenlos zwischen Feingeist und Raubein zu changieren, legt allerdings bei der Rezitation der Werke anderer ausserordentlichen Respekt an den Tag: Mit Hingabe leiht er Jan Neumanns schwarzhumoriger Pièce “Knolls Katzen ” seine Stimme, dem Monodrama für einen Handy-Telefonierer mit hörbarem Genuss in groteske Sprachspiele folgend.

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JOSEF BIERBICHLER : DIE AXT IM HAUS

NZZ , 4. 11. 2011

czz audio aktuell blackczz – Als Claus Peymann 1989 am Burgtheater die Figur des Wilhelm Tell mit Josef Bierbichler besetzte und dieser todernst durch den Schillerschen Zitatenwald pflügte, wurden Sentenzen wie “Die Axt im Haus erspart den Zimmermann” Teil eines theatralen Ulks. Nun beweist Bierbichler mit seinem ersten Roman, dass er in der Tat “die Axt im Haus” hat und die Register eines sinistren Heimatromans im Griff seiner dramatischen Pranke.

Mit der Haus- und Hofgeschichte einer Wirts- und Bauernfamilie an einem pittoresken See erzählt Bierbichler – selbst Wirts- und Bauernsohn – die Geschicke dreier Generationen durch die Verwerfungen zweier Kriege hindurch bis hin zu den Friedensdemonstrationen der achtziger Jahre. Nichtsdestoweniger ist ein permanenter Kriegszustand unbemerkt in die Herzen gesintert. Anhand einer “mittelreichen” Familie wird mit dem Aufkommen der Sommerfrischler nicht nur die Erfindung der Freizeit und damit der touristischen Dienstleistungsgesellschaft thematisiert, sondern parallel dazu die Technisierung der Landwirtschaft in Hof und Haus.

Angesichts des mit der Aushöhlung des Bauernstandes hadernden Seewirtes und seines im katholischen Internat missbrauchten Sohnes öffnet sich ein unheiliger Prospekt hinter den landschaftslieblichen Kulissen. “Alles, was kommt”, heisst es, “wird schlimmer als alles, was war”: Lässt der an wüsten Wendungen reiche Roman keine Zweifel an diesem Orakel, bleibt der Autor als Erzähler vor dem Mikrofon ebenso ungerührt wie einst der Darsteller des Tell; mit dem Unterschied freilich, dass die “Axt im Haus” nicht mehr zu dessen Befestigung dient, sondern zum Untergang desselben.

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KLANGAPPARAT

Musik für die Stille jener Tage , an welchen man – wohlgemerkt – im sicheren Winkel daheim hockt und in der gleichförmigen ausserhalb der Fenster starrt . Für Nenormalizm Records hat InSpectr die sanfte czz-hoerempfehlungund leicht glitchige ep “Transparent world” geschaffen und dies angeblich nur an Regentagen -

thx to deepgoa

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