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Josef Hader: Hader muss weg

Regie: Petra Dobetsberger
2 CDs
ISBN 3-900625-66-2
Wien: Hoanzl, 2005

"Bin schon weg", erklärte im Jahr 2000 Jörg Haider im ORF, wenngleich der langjährige FPÖ-Parteiobmann der schwarz-blau-orangen Regierungskoalition so schnell dann doch nicht verloren ging, dafür aber die politische Kultur Österreichs den Nullpunkt erreichte. "Wonn der wieder ans Ruader kommt, dann ramt er auf mit eich!", hofft ein bankrotter Betreiber einer Diskonttankstelle auf Haiders offizielle Rückkehr. Flipper ist ja auch immer wieder aufgetaucht, wenn er gebraucht wurde.

Als erstes kippt Josef Hader in seinem neuen Kabarettstück Konventionen über Bord. "I bin drinnen in der Geschichte und du hast Pause!" Ähnlich dieser irritierenden Äußerung des Tankwarts, der sich über das an Flipper erinnernde Lachen eines nächtlichen Ruhestörers ärgert, wird das Publikum gleich zu Beginn mit einer Tonprobe genarrt. Vor einem Bühnentechniker bietet Hader dann bestes Kabarett, entlarvt gesellschaftliche Heucheleien, deckt die Aggressivität von Skoda-Fahrern oder Charaktereigenschaften von Franzosen und Österreichern auf, um gleich über die österreichische "Mehlladlpappn" herzuziehen.

Nach dem Motto "I bin, wo i bin, und i schimpf über des, was do is," setzt Hader mit der Schilderung seiner Wutanfälle in Super- und Baumärkten fort, in denen er Gartenmöbel als zuverlässige Indikatoren für die Faschismusbewältigung erkennt, gesteht seine Verachtung für die "österreichische Feigheit des Konjunktivs" und für die Vertreter seiner Branche, die er als Reservechristus-Entertainer und Delfine bezeichnet, die elegant schnatternd durchs verdreckte Meer treiben.

Daraufhin wird die Handlung auf die Straße verlagert und mit der Dynamik eines Roadmovie irrlichtern sieben satirisch überzeichnete Charaktere - darunter der Kabarettist selbst - in grotesk-makabren Begegnungen durch Wiener Vorstadtstraßen, Tankstellen und heruntergekommene Lokale. Wie zum Beispiel Cornelia, die sich von ihrem Freund Werner trennen will und das Leben mit einem Ausflug in den Prater vergleicht, oder wie die russische Prostituierte, die Mozarts Duett aus der Zauberflöte "Bei Männern, welche Liebe fühlen" vorträgt, ehe sie sich in einen erpresserischen Gangster verwandelt. Ein rausch- und redseliger ehemaliger Kreuzschiff-Entertainer berichtet über den Bertl, der bei einem vorgetäuschten Selbstmordversuch versehentlich vom obersten Stockwerk des Millenniumstower fällt, oder über den unnötigen Motorradunfall vom Sedlacek Walter, der von seiner Frau vergiftet wurde und ohnehin bald gestorben wäre.

Josef Hader parodiert Möglichkeiten des Verschwindens mit feiner Ironie, originellen Assoziationen und geschickt motivierten Wiederholungen und Abwandlungen. Einmal ist es die Liebe, die entwischt, dann werden einige Personen versehentlich getötet, die nichts anderes wollten als sich verdrücken. Immer wieder kommt ein Kuvert mit 10.000 Euro abhanden. Frech spart Hader Pointen aus oder verbindet das Verschwinden banaler Alltagserscheinungen wie einer Blasenentzündung oder eines Führerscheins mit absurden Folgen. "Hader muss weg" ist Kabarett mit literarischem, sprachlichem und politischem Anspruch - wenngleich Hader auf seiner Homepage augenzwinkernd ankündigt, dass es "also wieder total unpolitisch wird".

Die sieben Protagonisten werden allesamt von Hader interpretiert, wobei er mit dramaturgischem Understatement und sparsamen Verwandlungen virtuos bis zu drei Figuren in ein Gespräch verwickelt. Der von Hoanzl herausgegebenen, mit zahlreichen Szenenfotos versehenen Doppel-CD, eine Aufzeichnung aus dem Audimax der Universität Wien, kommt dabei besonders zugute, dass Hader vor allem seine Stimme hervorragend moduliert. So stellt sich beim Anhören ein nachhaltiger Eindruck eines überaus gelungenen Kabarettprogramms ein. Und während die Abenteuer der österreichischen Spaßgesellschaft mit dem Soundtrack von "Flipper" langsam ausklingen, verfestigt sich außerdem der Verdacht, dass es gegenwärtig kein Entkommen aus einer infantilen Grundverfassung gibt.

"Hader muss weg!" hatte im Dezember 2005 Premiere und ist derzeit wieder in Österreich und Deutschland zu sehen.

 

Sabine Mayr
17. Oktober 2006

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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