logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   

FÖRDERGEBER

   Bundeskanzleramt

   Wien Kultur

PARTNER/INNEN

   Netzwerk Literaturhaeuser

   mitSprache

   arte Kulturpartner
   Incentives

   Bindewerk

kopfgrafik mitte

Ödön von Horváth: 36 Stunden. Die Geschichte vom Fräulein Pollinger

Sprecher: Ulrich Tukur
2 CDs
Spielzeit: 58 Min; 60 Min.
ISBN 3-936186-09-X
roofmusic / Eichborn 2002

Horváths erster Roman "Sechsunddreißig Stunden" spielt Ende August 1928 in München. Horváth hat die 1928 / 1929 geschriebene Geschichte von der arbeitslosen Näherin Agnes Pollinger später umgearbeitet und in den zweiten und dritten Teil des Romans "Der ewige Spießer" mit dem Titel "Fräulein Pollinger wird praktisch" bzw. "Herr Reithofer wird selbstlos" aufgenommen, wobei Agnes hier Anna heißt.

Ulrich Tukur folgt der ursprünglichen Fassung der "Sechsunddreißig Stunden". Im ersten Teil, der die Abschnitte 1 bis 13 der Buchversion mit minimalen Schnitten umfaßt, entsteht so ein Bild vom tristen Leben der Agnes Pollinger. Sie wohnt bei ihrer Tante in der Schellingstraße, gemeinsam mit dem dubiosen Zimmerherrn Kastner, der einen schwungvollen Handel mit Pornobildern betreibt. Natürlich hat Agnes schon das eine oder andere Männerabenteuer hinter sich, romantisch ist es dabei selten zugegangen. Da begegnet sie eines Tages vor dem Arbeitslosenamt dem arbeitslosen Kellner Eugen Reithofer aus Österreich. Man kommt sich schnell näher und das Ganze endet spät nachts unter einer Ulme auf dem Oberwiesenfeld. Zum vereinbarten Treffen am nächsten Tag wird es nicht mehr kommen, denn Agnes glaubt, besseres vor zu haben: Kastner vermittelt sie als Aktmodell an einen Maler, bei dem "die bessere Gesellschaft" verkehrt. Dort, so hofft sie, könnte sie "vielleicht wirklich irgendein eigenes Auto kennen lernen, aber man sollte nichts verschreien".

Die zweite CD bringt in 3 Abschnitte gegliedert die Kapitel 18 bis 58 der Buchfassung, hier mit starken Schnitten und Auslassungen, die die Handlung auf die beiden Hauptfiguren Agnes und Eugen hin straffen. Episodisch eingefügte Seitenblicke auf die Lebensumstände der anderen Figuren werden weggelassen. Agnes wird im Atelier des Malers tatsächlich von einem "Auto" namens Harry zu einer Fahrt ins Grüne eingeladen. Die Reise endet im nächtlichen Wald - schließlich hat Harry ein Schnitzel mit Gurkensalat in sie investiert - dann lässt er sie stehen. Als Agnes des morgens todmüde und staubig endlich in der Schellingstraße ankommt, wartet dort schon Eugen Reithofer auf sie. Nicht, um sie zur Rede zu stellen, weil sie ihn versetzt hat, sondern um ihr einen Job anzubieten. Er hat nämlich zufällig von einer offenen Stelle für eine Näherin in Ulm gehört. Und weil doch ein "Mistviech" dem anderen auch hin und wieder helfen soll, wollte er Agnes davon erzählen.

Das ist das große Wunder der Menschlichkeit zwischen zwei schon ziemlich weit heruntergekommenen Arbeitslosen in der hoffnungslosen Zeit der großen Weltwirtschaftskrise. Die Sprache, in der Horváth diese Geschichte erzählt, ist betont spröde und illusionslos. Das rücksichtslose und ungeschönte Aussprechen der Gedanken, so berechnend und entlarvend wie sie in den Köpfen der beiden Akteure unzensiert gedacht werden, setzt ein Maß an Brutalität und Zynismus frei, das mitunter schwer erträglich ist.

Ulrich Tukurs lakonischer Ton verstärkt den Aspekt des Zynischen und Mitleidlosen, der in Horváths unverblümtem Blick auf die Figuren liegt. Glatt und gewandt schmiegt sich die Stimme der Härte des Textes an. Tukurs Interpretation entspricht der Autorintention in idealer Weise - man darf davon ausgehen, dass Horváth mit seiner Lesart zufrieden gewesen wäre. Dennoch, im Hören wünscht man sich mitunter, Ulrich Tukur möge ab und an einen Ton, eine Modulation finden, der die Mitleidlosigkeit der Darstellung bricht, der Raum gibt für eine (mitfühlende) Distanz zum Gesagten wie zu den gezeigten unglücklichen Leben. Es ist zweifellos konsequent, dass er den Hörer unerlöst lässt, einfach wird das Zuhören dadurch allerdings nicht.

Originalbeitrag

Evelyne Polt-Heinzl
11. September 2002

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Radio rosa 12 – Verena Dürr | Ilse Kilic | Caroline Profanter | Sophie Reyer

Do, 20.09.2018, 19.00 Uhr Text-Sound-Performances "Warum sind wir da, wo wir sind, wenn...

Gabriele Petricek Die Unerreichbarkeit von Innsbruck (Sonderzahl, 2018)
Jürgen Berlakovich Tobman (Klever, 2018)

Fr, 21.09.2018, 19.00 Uhr Neuerscheinung Herbst 2018 | Buchpräsentationen mit Lesungen &...

Ausstellung
ZETTEL, ZITAT, DING: GESELLSCHAFT IM KASTEN Ein Projekt von Margret Kreidl

ab 11.06.2018 bis Juni 2019 Ausstellung | Bibliothek Der Zettelkatalog in der...

Cognac & Biskotten

Das schräge Tiroler Literaturmagazin feiert seinen 20. Geburtstag und präsentiert sich mit einer...

Tipp
flugschrift Nr. 24 von Lisa Spalt

Wenn Sie noch nie etwas vom IPA (dem Institut für poetische Allltagsverbesserung) gehört haben,...

Literaturfestivals in Österreich

Sommerzeit - Festivalzeit! Mit Literatur durch den Sommer und quer durch Österreich: O-Töne in...