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Leseprobe 1
Vier Stunden später klingelten Möbelpacker an unserer Tür, eine große Kiste wurde in den Salon gebracht und dort aus ihrer Schutzhülle aus Sackleinen befreit. Misses Hudson, die den Trägern misstrauisch gefolgt war, schlug die Hände zusammen. Also nein, Mister Holmes!, rief sie aus. Ich drücke ja oft genug ein Auge zu, wenn es in Ihrem Kabinett stinkt und brodelt, dass man meint, der leibhaftige Teufel tanze darin, aber dass Sie mir jetzt auch noch einen Sarg ins Wohnzimmer stellen!
Einen Sarg, Misses Hudson?, protestierte Holmes heuchlerisch. In letzter Zeit hatten wir die Geduld unserer Vermieterin ziemlich stark strapaziert, und wir wollten nicht schon wieder Ärger bekommen. Wie kommen Sie darauf? Das ist eine Geldkiste. Sehen Sie nur die Schlösser!
Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und sie witterte wie ein Windhund. Da ist was Totes drin, das spüre ich in allen Knochen, und die Schlösser werden schon ihren Zweck haben, vielleicht sollen sie ja dafür sorgen, dass das, was da drinnen ist, nicht rauskommt? Heraus mit der Sprache, Mister Holmes: Was steckt in dem Kasten?
Holmes breitete entschuldigend beide Hände aus. Ich weiß es auch nicht, Misses Hudson. Es wird sehr schwierig sein, die Kiste zu öffnen, deshalb habe ich sie hierherbringen lassen.
Aha! Wirklich, Mister Holmes, wenn ich nicht wüsste, dass Sie ein Gentleman sind es ist alles ohnehin schon schlimm genug, all Ihre chemischen Experimente und Ihr scheußlich stinkender Tabak, zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen und gehen Sie, und das oft so vermummt, dass ich Sie gar nicht erkenne und beinahe mein armes Herz vor Schreck stehen bleibt, als Sie letzthin als schmutziger Strolch verkleidet hier hereinschlichen und
Ich kürze an dieser Stelle den Wortwechsel ab. Misses Hudson wurde beruhigt, indem ihr Holmes zusagte, das unheimliche Objekt ausschließlich im Kabinett aufzubewahren. Die Möbelpacker wurden weggeschickt, und wir beide starrten die von Schnitzereien bedeckte Kiste an. Dann beugte sich Holmes vor und schnüffelte wie ein Fährtenhund an dem schmalen Spalt, gab aber bald enttäuscht auf. Es riecht genauso, wie eine Kiste riechen würde, die jahrelang in einem muffigen Wandschrank steckt.
Dann wiederholte er den Versuch, den schon der Händler gemacht hatte, fuhr mit einem Messer rundum, aber da waren nur auf der einen Seite die sichtbaren Türangeln und auf der anderen die drei Hindernisse. Er versuchte, die Riegel mit einem gebogenen Draht zu fassen, aber trotz seines Geschicks misslang der Versuch. Stattdessen angelte er ein handtellergroßes Stück derbes Gewebe heraus, so brüchig, dass es beinahe zerfiel, und grauweiß gestreift. Wahrscheinlich war es die Assoziation mit den Schlössern, dass ich an ein Sträflingsgewand dachte.
Dieses Mal, verkündete Holmes, werde ich derjenige sein, der unserem Komitee einen unlösbaren Fall vorlegt.
Es wurden also der Vorsitzende, Lordoberrichter Walhalm, und zwei weitere Herren gebeten, in unsere Wohnung zu kommen und das fragliche Stück zu besichtigen. Außerdem wurde Doktor Brentano eingeladen, allerdings mehr aus Sympathie, als dass wir uns einen besonderen Nutzen davon versprachen.
Wie ich erwartet hatte, standen die Herren vor einem Rätsel. Irgendetwas hatte sich selbst in diesem Behälter eingeschlossen, wohl wissend sofern es ein Mensch war dass das innerhalb kürzester Zeit seinen Tod bedeuten musste, denn der Luftvorrat war auch für einen winzigen Menschen sehr gering.
Man konsultierte einen Schlosser, der nur sagen konnte, dass die Kiste von innen verriegelt war und ihm außerdem die ganze Sache nicht gefiel, woraufhin er sich rasch aus dem Staub machte. Einer der Herren schlug vor, kurzerhand die Axt anzulegen, aber dieser Vorschlag wurde unter heftigen Protesten abgelehnt. Es ging ja nicht nur darum, wer oder was in der Kiste steckte, sondern welche Geschichte sich dahinter verbarg.
Die Wetten wurden bekräftigt, die Herren verließen uns, und Sherlock Holmes machte sich ans Werk.
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