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Startseite > Bücher > Düstere Phantastik > Oldigor Verlag > Michael Schmid > DAMON-VERLORENE SEELE > Leseproben > Leseprobe 1

Leseprobe 1

DAMON-VERLORENE SEELE

Michael Schmid
Roman / Düstere Phantastik

Oldigor Verlag
Covergestaltung: Klaud Design

Taschenbuch, 333 Seiten
ISBN: 978-3-95815-085

Feb. 2015, 13.90 EUR
Status: Nicht mehr erhältlich.

Erinnerung


Die Erde unter ihm war trocken, brüchig und von Rissen durchzogen. Seine abgenutzten Turnschuhe wetzten über den Untergrund, als er sich seinen Weg durch den Wald bahnte.
Der Junge folgte einem Trampelpfad. Links und rechts von ihm erhoben sich unzählige Bäume. Sie unterschieden sich in Art und Alter, boten eine beeindruckende Vielfalt, nur schenkte er ihnen keine Beachtung. Seiner Aufmerksamkeit galt Wichtigerem.
Seine Schritte beschleunigten sich, ohne ins Laufen überzugehen. Sein Blick blieb dabei starr auf den Erdboden gerichtet. Ringsherum lagen Blätter verstreut. Der Herbst kündigte sich an, was man ebenso an den kühleren Temperaturen wahrnahm.
Dann fand der Weg sein Ende und Damon stand vor dem Spielplatz, der sich inmitten des Waldes verbarg. Er breitete sich kreisförmig aus, besaß ein Fußballtor, ein Kletterhaus, ein Labyrinth aus dicken Holzstämmen, einen Sandkasten und eine Schaukel, die das Zentrum bildete … und zeitgleich sein Ziel.
Langsam ging Damon auf die Konstruktion zu. Es hingen drei rote Schaukeln an einem Holzgerüst und auf der mittleren saß seine beste Freundin, vollkommen in ihren Gedanken und Erinnerungen versunken. Sie schaukelte nicht.
Ohne ein Wort zu sagen, setzte sich Damon auf die Schaukel links neben ihr. Normalerweise waren ihre Rollen vertauscht, doch heute stand nicht er im Mittelpunkt, sondern Eve. Sie hatte ihren Platz gewählt und beide wussten, dass er richtig war.
Schweigen umhüllte sie wie ein Nebelschleier. Weder Eve noch Damon wagten es, ihre Stimmen zu erheben und das wacklige Konstrukt zu gefährden, welches sie innere Stärke und Selbstkontrolle nannten.
Seine beste Freundin starrte mit ausdruckslosen Augen auf die getrocknete Erde hinab. Damon tat es ihr gleich, obwohl sein Blick immer wieder zu ihr glitt, um den richtigen Moment zu erfassen, ihr beizustehen. Nur kam er nicht. Bis Eve die Stille zerbrach wie ein Glas, das den hohen Schallwellen nicht mehr standhalten konnte.
Ihr Kopf erhob sich zum blauen Himmel. Trotz der Kälte war es ein angenehmer Herbsttag. Die Sonne strahlte hell am Firmament und wurde sanft von Wolken umtanzt. Erst jetzt fand ihre Stimme Substanz. »Sag, Damon … wie stellst du dir das Leben nach dem Tod vor?«
Die Frage überraschte ihn und er wusste keine Antwort darauf. Sein Kopf hob sich und er wagte es, Eve lange und ausgiebig zu begutachten.
Sie trug schwarze Jeans, ein gleichfarbiges Top und darüber eine ebenso dunkle Jacke, die sie sich eng um ihren schlanken Körper zog. Ihr braunes, nackenlanges Haar umspielte ihr bezauberndes Gesicht, während kastanienbraune Augen weiterhin den Himmel betrachteten. Sie sah ihn kein einziges Mal an.
Nun wanderte auch sein Blick empor und nahm die einzelnen Wolken in Augenschein. Er erinnerte sich, wie oft sie zu dritt auf dem Waldboden gelegen und stundenlang das Wolkenspiel verfolgt hatten. Abwechselnd hatte jeder seine Interpretation eines Gebildes preisgegeben. Oftmals hatten sie bei einigen Vorstellungen lauthals lachen müssen, meistens bei Kais dunklen Einsichten in seine kranke Psyche.
Doch heute war Damon weder nach dem Spiel noch nach Lachen zumute. Heute war ein Tag der Trauer … und des Beistands. »Ich weiß es nicht«, antwortete er ehrlich und mit sanfter, ruhiger Stimme. »Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, obwohl … meine Mutter …«
»Glaubst du daran?«, fragte Eve, ohne sich zu rühren.
»An ein Leben nach dem Tod?«
»Ja.«
Erneutes Schweigen.
Damon wollte erst darüber nachdenken, bevor er seiner besten Freundin eine Antwort gab. Es war zu wichtig, um sie einfach mit einer Floskel abzufertigen. Er wollte ihr aufrichtig und aus tiefstem Herzen antworten. Das hatte sie verdient.
»Ja, ich … ich glaube schon.«
»Warum?«, fragte Eve leicht abwesend.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht aus reinem Egoismus, weil ich nicht möchte, dass meine Mutter mich vollends verlassen hat. Ich will einfach daran glauben, dass sie im Jenseits auf mich wartet, dass wir dort endlich zusammen sein können.«
Jedes Wort, jeder Gedanke, schmerzte tief in seiner Brust und obwohl Damon wusste, dass nicht er und seine Qualen heute im Vordergrund standen, konnte er die Erinnerungen und Gefühle nicht zurückdrängen. Sie waren wie eine Sturmflut, welche ihn unbarmherzig unter sich begrub.
Unaufhaltsam versank er in seinen Gedanken. Bilder tauchten aus dem tiefsten Grund seines Unterbewusstseins auf. Er sah sich, wie er heulend auf dem Bett lag. Sein Kopf tief in dem viel zu großen Kissen verkrochen. Zu diesem Zeitpunkt war er sechs Jahre alt gewesen.
Damon konnte sich noch gut an die Ereignisse davor erinnern. Sein Vater, wie er beim Abendessen aufgesprungen war, ihn beschimpft und seine Mutter verflucht hatte, weil sie wegen ihm gestorben war. Es war das erste Mal gewesen, dass sein Vater ihm die Schuld an Mutters Tod gab.
Ein Schwall Tränen war über Damons Gesicht geronnen. Er war aufgesprungen und in sein Zimmer gerannt, trotz der Proteste seines Vaters, da er sein Abendessen stehen ließ. Er hatte sich auf sein Bett geworfen, sein Gesicht im Kissen versinken lassen, und nun hörte er nicht mehr auf zu weinen.
Wie von selbst zog er das einzige Foto, das er von seiner Mutter besaß, unter dem Kopfkissen hervor. Es handelte sich um ein Portrait. Seine Mutter strahlte übers ganze Gesicht, das so bezaubernd war, dass er sie für eine Fee hielt. Sie besaß langes, lockig schwarzes Haar und Damon hatte eindeutig ihre strahlend blauen Augen geerbt, obgleich seine weniger Glanz in sich trugen.
Eine Träne löste sich von seiner Wange, als er auf das Gesicht seiner Mutter hinab sah. Sie benetzte das Polaroid in seiner linken Hand. Er wischte sie fort, wollte das Gesicht seiner Mutter nicht beschmutzen, doch kaum war die Träne verschwunden, folgten zwei weitere. Und weitere …
Er konnte seinen Trauerfluss nicht zum Versiegen bringen. Noch nie hatte der Schmerz über den Verlust seiner Mutter, die er nie hatte kennenlernen dürfen, so tief gesessen. War sie … war sie wirklich seinetwegen gestorben? Hatte er sie umgebracht?
Natürlich wusste Damon längst, dass seine Mutter gleich nach seiner Geburt verstorben war. Sein Vater hatte ihm früh erzählt, dass es Komplikationen während der Geburtsphase gegeben hatte und sie, nachdem Damon das Licht der Welt erblickt hatte, den Anstrengungen erlegen war.
Ihr war lediglich vergönnt geblieben, ihren ersten und einzigen Sohn ein einziges Mal in die Arme zu schließen, ehe ihr eigenes Licht für immer erlosch.
Sie war mit einem Lächeln auf den Lippen und Freudentränen in den Augen gestorben. Zumindest hatte Frau Maro aus der Bäckerei ihm dies eines Tages erzählt, als Damon wieder einmal wegen der Launen seines Vaters niedergeschlagen und den Tränen nahe gewesen war. Natürlich war diese Aussage reine Spekulation. Frau Maro war beim Tod seiner Mutter nicht dabei gewesen und sein Vater hatte ihr sicher nicht erzählt, dass seine Mutter friedlich gestorben war. Dennoch war Damon ihr für diese Lüge dankbar. Sie hatte ihn oft getröstet und ihm Mut gespendet. Er würde sich niemals dafür revanchieren können.
Mit der Zeit war der Schmerz verblasst, aber wirklich verklungen war er nie. Vielmehr war er lediglich in eine tiefe Schlucht seines Herzens geworfen worden. Doch nun, als er neben Eve auf der Schaukel saß und sie über den Tod und das Jenseits sprachen, kamen sämtliche Gefühle schlagartig zurück und drohten, ihn zu ersticken.
Damon spürte, dass seine Hände zitterten. Eve schien es zu bemerken, denn sie blickte sorgenvoll zu ihm herüber. Dennoch konnte er es nicht unterdrücken. Zu tief saß der Verlust seiner geliebten Mutter und zu bitter war die Vorstellung des besseren Lebens, das er geführt hätte, wäre sie bei ihm gewesen.
»Ich wollte dich nicht verletzen«, sagte Eve mit leiser Stimme. Sie sah ihn dabei an.
Damon erwiderte den Blick und errötete. »Nein, so ist es nicht. Ich … mir tut es leid. Ich wollte nicht …« Er stoppte, schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und versuchte es noch einmal. »Es tut mir leid um deine Oma.«
Eve seufzte.
Sie sagte kein Wort, als ihr Blick abermals zu den Wolken wanderte. »Die da sieht aus wie ein Elefant ohne Beine«, begann sie nach kurzem Schweigen. »Dafür mit Fledermausflügel.«
Erst jetzt begriff Damon, dass sie die Wolke direkt über ihr meinte. Sie spielte ihr gemeinsames Spiel.
Er folgte ihrem Blick, betrachtete die besagte Wolke ausgiebig, ehe er sich zu Wort meldete. »Ich finde eher, sie sieht aus wie eine Schildkröte mit drei Köpfen.«
Eve lachte auf, hielt sich die Hände vor den Mund und nach kurzer Verwunderung stimmte Damon in das Gelächter mit ein. Sie lachten so herzhaft, dass es in ihrer Brust schmerzte und für einen Bruchteil war die Trauer vergessen, als würde das Leben weitergehen, als wäre nie etwas geschehen.
Doch das Lachen verebbte und mit der Stille tauchten die negativen Gefühle wieder auf. Sie hatten lediglich eine kurze Pause eingelegt, um gestärkt zurückzukehren.
»Glaubst du, es geht ihr gut, da, wo sie jetzt ist?«, fragte Eve in den Himmel, ehe sie Damon in die Augen sah. »Meiner Oma, meine ich.«
Nun war es Damon, der aufsah und die langsame Reise der Wattebäusche verfolgte. »Ja, das glaube ich.«
Eve sagte nichts, folgte lediglich Damons Beispiel. Gemeinsam, in vollkommener Stille und Harmonie, betrachteten sie das Firmament. »Schön«, flüsterte sie nach einer gefühlten Ewigkeit.
Alles schien vergessen.
Es gab keine Beerdigung mehr. Keine geliebte Großmutter, die beigesetzt worden war, keine trauernde Enkelin. Keinen Damon, der versuchte, seiner besten Freundin Trost zu spenden. Alles schien vergessen … bis ein lauter Knall die Ruhe sprengte.
»Verdammte Scheiße!«, erklang es aus der nahen Umgebung. Ihre Köpfe drehten sich zum besagten Punkt und fast zeitgleich bemerkten sie Kai, wie er sich fluchend das Knie hielt und auf einem Bein hüpfte. »Immer wieder dieser beschissene Ast, der ausgerechnet da aus dem Baum wachsen muss, wo ich vorbeigehen will.«
Es war nicht das erste Mal, dass Kai den erwähnten Ast mitgenommen hatte, doch noch nie hatte er sich das Knie so stark angehauen wie an diesem Tag. Damon und Eve konnte sich nicht mehr zurückhalten. Erneut verfielen sie der guten Laune und kicherten wie Kleinkinder, obwohl sie bereits zwölf waren.
»Ja, ja, lacht ihr nur«, beschwerte sich Kai, als er humpelnd auf sie zukam. »Es tut höllisch weh!«
»Dann stell dich nicht immer so dumm an«, blaffte Eve zurück, ehe sie weiterlachte.
»Damon! Hilf du mir wenigstens auf die Schaukel«, flehte sein bester Kumpel
»Tut … tut mir leid«, erwiderte Damon kichernd.
»Ihr seid echt so … so … bescheuert!«, brüllte Kai lauthals, was nur zur Folge hatte, dass die beiden noch kräftiger lachten.
Erst dann ergab sich auch Kai der allgemeinen Heiterkeit und lachte sich ebenfalls den Brustkorb wund.

Man sagt, Zeit heilt alle Wunden, doch in Wirklichkeit lernen wir nur, sie zu vergessen und unter einem Lachen zu begraben.

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