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Leseprobe 3
»Was treiben Sie eigentlich so, Lilou?«, fragte Shia und seine Stimme hatte wieder diesen samtigen Ton, der ihr jedes Mal unter die Haut ging.
»Ich bin Witwe«, gab sie offen zu. »Mein Mann kam vor zwei Jahren bei einem Badeunfall ums Leben. Das Meer hier ist tückisch.«
»Das tut mir wirklich leid.« Shias Blick war ehrlich und Lilou entdeckte noch etwas darin ... Interesse? »Seither lebe ich ziemlich zurückgezogen. Die Gesellschaft anderer Menschen bedeutet mir nicht so viel. Ich lebe hier mit meinen Büchern.«
Shia blickte auf das große Bücherregal, das im angrenzenden Wohnzimmer stand. »Sie haben eine Menge Bücher.«
»Ja, ich lese viel. Dabei kann ich mich in Leben hineinträumen, die ich gerne führen würde.«
Er löffelte ein wenig von seiner Fischsuppe und fragte dann: »Welches Leben würden Sie denn gerne führen, wenn nicht dieses?«
Lilou lächelte entschuldigend. »Vielleicht ein Aufregendes. Ich würde gerne reisen, die Welt sehen.«
»Was haben Sie denn bisher gesehen?«
Lilou überlegte einen Moment. »Paris, weiter als Paris bin ich bisher nicht gekommen.«
Seine Augen weiteten sich. »Wie alt sind Sie, Lilou. Bitte entschuldigen Sie meine Neugier.«
»Das ist kein Problem für mich. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und weiß, ich führe wirklich ein langweiliges Leben.«
»Haben Sie denn keine Familie?« Er führte den Löffel an den Mund, legte ihn dann aber wieder ab.
»Nein, meine Eltern sind schon vor Jahren verstorben und die Familie meines Mannes lebt in Paris. Ich habe lange darüber nachgedacht, dorthin zu ziehen. Doch ich liebe die Bretagne, das Meer. Ich glaube nicht, dass es mir in einer Großstadt gefallen würde. Wie Sie hören, bin ich ziemlich hin- und hergerissen. Einerseits möchte ich Abenteuer erleben, andererseits will ich meine Heimat nicht verlassen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum ich nie wirklich etwas erleben werde.«
Shia schüttelte den Kopf. »Sagen Sie das nicht, Lilou, manchmal gerät man in ein Abenteuer, ohne es zu wollen. Schauen Sie mich an. Ich wollte eigentlich nur nach Paris fliegen und habe einen Flugzeugabsturz überlebt. Wer hätte das je gedacht?«
»Sie haben wirklich Glück gehabt.«
»Ja, dass Sie mich gefunden haben, Lilou.«
Die Art, wie er ihren Namen aussprach, ließ sie innerlich aufstöhnen. Warum nur waren ihre Begegnungen mit tollen Männern immer zeitlich so begrenzt? Konnte er nicht einfach bleiben?
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