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Blutprinz
Prolog War es die Rache, die ihm den inneren Frieden bringen sollte? Würde sie das Feuer, das seit Jahren in ihm brannte, ihn zerfraß und zerstörte, endgültig löschen? Er lehnte im Drehstuhl, genoss die Stille seines Arbeitszimmers und betrachtete die polierte Oberfläche des Schreibtisches, auf dem sich die tanzenden Flammen unzähliger Kerzen spiegelten. Der penibel aufgeräumte Schreibtisch war ein Relikt aus dem viktorianischen Zeitalter, das seinem Vater gehörte. Einem englischen Offizier, den er selbst nie kennen gelernt hatte. Nun fühlte er sich selbst wie ein General, der seine Truppen für die nahende Schlacht in Position brachte. Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus den Gedanken. Seinen aufkeimenden Unmut über die unerwartete Störung verdrängend, bat er die Person herein. Die Tür aus schwarzem Holz schwang auf und die schmiedeeisernen Scharniere gaben ein klägliches Quietschen von sich. Eine hoch gewachsene Gestalt entstieg der Dunkelheit des Korridors. Der dunkle Umhang des Besuchers schien alles Licht im Zimmer aufzusaugen und verbarg das Gesicht zur Gänze. Lautlos, als schwebe sie über den Boden, näherte sich die Gestalt dem Schreibtisch. Mit ihr krochen ein kalter Wind und der Gestank von modrigen Kellerräumen in das Zimmer. Habt Ihr meinen Auftrag ausgeführt?, fragte er die Gestalt. Wie es mir von Euch aufgetragen wurde. Die Stimme klang nach einem gequälten Keuchen. Ich habe dafür gesorgt, dass er unter permanenter Beobachtung steht. Gibt es Beweise?, fragte er ungeduldig. Irgendetwas, das unserer Sache dienlich sein könnte? Noch nicht. Aber wenn er einen Fehler begeht, werde ich Euch davon unterrichten. Dann erwarte ich Eure Nachricht. Und nun lasst mich allein, ich muss nachdenken. Flüchtig winkte er in Richtung Tür. Dabei senkte er den Blick, um seinem Besucher zu zeigen, dass die Unterhaltung beendet war. Wie Ihr wünscht. Die Gestalt verneigte sich und verließ das Arbeitszimmer. Die Kerzen verdrängten die Kälte und der Duft von parfümiertem Parafin den modrigen Gestank. Zufrieden öffnete er die Schreibtischschublade und tastete nach dem vergoldeten Flachmann. Er schraubte die Kappe ab und nahm einen großen Schluck. Der metallische Geschmack breitete sich angenehm auf seiner Zunge aus. Er genoss wie die Flüssigkeit seine Kehle hinunter lief und seinen Körper zu neuem Leben erweckte. Sein Blick fiel auf das Gemälde seines Kontrahenten, das seit Jahren dem Schreibtisch gegenüber hing. Wie eine Geißel weckte es den Schmerz und die Erinnerung an die Taten dieses Mannes. Nun würde man sehen, wer der Klügere war. Er würde ihn und sein Lebenswerk zerstören. * Frau Adam, Frau Sommer? Die aufdringliche Stimme des Geschäftsführers schallte über die Köpfe der Gäste hinweg, so als wolle er durch Lautstärke seine Größe kompensieren. Du meine Güte, ist das etwa unsere Belohnung?, flüsterte Tina, die gerade ein Interview mit einem Reporter beendet hatte und Natalie aufgeregt auf die Schulter klopfte. Das nenn ich einen Knackpo. Natalie blickte sich um, neugierig darauf, was Tina derart aus der Fassung bringen konnte. Richard Kingston stolzierte wie ein strahlender Gockel auf sie zu und wurde von einem hoch gewachsenen Mann begleitet, der nicht nur Tinas Blick auf sich zog. Die Gäste wichen vor der imposanten Erscheinung ehrfürchtig zurück, sodass er sich nicht durch die Meute schlängeln musste, wie ein gewöhnlicher Besucher. Mit jedem Schritt schien er die Menge zu teilen wie ein arktischer Eisbrecher und hinterließ für einen Moment eine schmale Schneise, die seinen Weg beschrieb. Ich möchte Ihnen gern André Barov vorstellen, sagte Kingston. Herr Barov hält große Anteile unseres Unternehmens und wollte Sie unbedingt persönlich kennen lernen. Im Augenwinkel sah Natalie, wie Tinas Blick jeden Zentimeter des athletischen Körpers verschlang, der in einem schwarzen Designeranzug verpackt war. Tina bereitete sich darauf vor, zum Angriff überzugehen. Doch zu Natalies Überraschung schien André Barov kaum Notiz von Tina zu nehmen. Er nickte nur kurz und kühl und ignorierte Tinas Flirtversuche. Seine ganze Aufmerksamkeit galt von dem Augenblick an, da Kingston sie einander vorstellte, nur noch ihr selbst, jener Natalie Adam, die neben Tinas selbstsicherem Auftreten für gewöhnlich hoffnungslos verblasste. Natalie fühlte sich geschmeichelt, doch diese neue Rollenverteilung machte sie zugleich auch etwas nervös. Haben Sie nicht irgendwo noch ein paar Hände zu schütteln, Kingston?, fragte André Barov ohne seinen Blick von Natalie abzuwenden. Seine tiefe Stimme, die einen angenehm selbstsicheren Klang hatte, war weder arrogant noch überheblich, ließ dennoch auf einen starken Charakter schließen. In Kingstons Gesicht blitzte es einen Augenblick auf, doch der Geschäftsführer hatte sich sofort wieder in der Gewalt und verdrängte das aufkommende Mienen-Gewitter. Natürlich, wie Sie wünschen, Herr Barov. Er wandte sich um und verschwand in der Menge, wo er willkürlich ein Gespräch begann. Ich kann diesen Kerl einfach nicht ausstehen, gestand André Barov. Natalie musste lachen und verschluckte sich an ihrem Sekt. Alles in Ordnung? André Barov reichte ihr eine Serviette. Danke es geht schon. Natalies Wangen wurden heiß. Sie nahm die Serviette und tupfte über ihre Mundwinkel. André Barovs dunkler Blick ruhte auf ihrem Gesicht. Ihr Pulsschlag erhöhte sich. Es ist amüsant, dass Sie ähnlich über Kingston denken, Herr Barov, sagte sie. Dass er ein Schleimer ist? Er lachte leise, was seinem Gesicht die Härte nahm. Aber er macht seinen Job hervorragend, darum soll er brav weitermachen. Woanders. Natalie spürte eine Hand auf ihrer Schulter und hörte Tina, die die ganze Zeit über kein Wort gesagt hatte, flüstern: Diese Runde geht an dich, Schatz. Sie grinste wie ein Schelm nach dem Streich. Ich werde euch beide allein lassen und mich ein wenig umsehen. Der Typ sieht wirklich zum Anbeißen aus. Tina schnurrte und wandte sich mit versöhnlichem Blinzeln um. Habe ich Ihre Kollegin vertrieben?, fragte Barov. Aber nein, antwortete Natalie. Sie nahm noch einen Schluck Sekt und betrachtete seine rechte Hand, an der sie einen markanten, goldenen Ring mit eingearbeitetem Jaspisstein entdeckte. * Dann bin ich ja beruhigt. Das entsprach keineswegs der Wahrheit und die Stimme der Vernunft beschwor André, sich augenblicklich von Natalie Adam zu verabschieden. Es war nicht nur der Partylärm und das Gefühl, dass Hunderte von Augen auf ihm ruhten, sondern die Gegenwart dieser Frau, die ihn zutiefst verunsicherte. Wie viele tausend Mal war er in den letzten zweihundert Jahren einer menschlichen Frau gegenüber getreten, ohne dabei einen Funken Zuneigung empfunden zu haben. Stattdessen hatte er es immer genossen, zu beobachten welche Wirkung seine Anwesenheit bei Frauen hatte. André sah, wie auch Natalie versuchte, nach außen ihre Fassung zu bewahren, während in ihrem Inneren ein Sturm loszubrechen drohte. Er hörte, wie ihr Herz schneller schlug, und spürte die angenehme Wärme, die ihr Körper ausstrahlte, als die zierliche Flamme in Natalies Herz zu einem Flächenbrand gedieh. Sie war nur ein Mensch, doch ihre Gegenwart erweckte Erinnerungen und Gefühle, die er verdrängt hatte. Aus gutem Grund. André überspielte seine Unsicherheit mit einem Lächeln. Ihm wurde bewusst, dass er immer wieder ihren Blick suchte. Er atmete ihren betörenden Duft ein, der an Sanddorn, Muskat und einer Nuance Vanille erinnerte. Er spürte das sanfte Vibrieren seiner Fänge und die warme Flut prickelnder Erregung, die durch die Venen seines Körpers floss. Nebeneinander spazierten sie plaudernd durchs Foyer und entfernten sich immer weiter von den Gästen, auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen. Sie haben gute Arbeit geleistet, lobte André die künstlerische Gestaltung des Foyers. Dankeschön, antwortete Natalie. Ihre Wangen hatten sich leicht rosa gefärbt und in ihren Augen lag ein strahlender Glanz, der ihre Gefühle widerspiegelte und Andrés Kampf gegen das Verlangen noch mehr strapazierte. Sie blinzelte verlegen, nahm den letzten Schluck von ihrem Glas, suchte wieder seinen Blick und strich mit ihrer Zungenspitze den Sektfilm von ihrem Mund. André knurrte innerlich. Sie erzählte ihm über ihr Studium an der Blocherer Schule in München und über die Zeit in New York, die sie mit Tina Sommer verbracht hatte. André hörte zu, fasziniert von der Melodie ihrer Stimme, ihren gleichmäßigen Lippen und den smaragdgrünen Augen. Hätten Sie Interesse, sich bei Gelegenheit mein Penthaus anzusehen? Die Worte kamen schneller aus seinem Mund, als sein Verstand arbeitete. Rein geschäftlich natürlich. Was hinderte ihn daran, seinem Verlangen nachzugeben und von ihrem Blut zu kosten? Ob es so schmeckte wie sie duftete? Nein, er konnte, durfte es nicht. Seine eigenen Gesetze verboten es ihm. Weitere Leseproben
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