Main Logo
LITERRA - Die Welt der Literatur
Home Autoren und ihre Werke Übersicht
Neu hinzugefügt
Serien / Reihen
Genres
Leseproben
Bücher suchen
Signierte Bücher Künstler und ihre Werke Hörbücher / Hörspiele Neuerscheinungen Vorschau Musik Filme Kurzgeschichten Magazine Verlage Specials Rezensionen Interviews Kolumnen Artikel Partner Das Team
PDF
Startseite > Bücher > Science Fiction > Sieben Verlag > Volker Bätz > OPERATION TITANENSTURZ > Leseproben > Operation Titanensturz

Operation Titanensturz

OPERATION TITANENSTURZ

Volker Bätz
Roman / Science Fiction

Sieben Verlag

Broschiert, 208 Seiten
ISBN: 978-394023576-3

Jun. 2009, 16.50 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen

Joseph Becic war ein Mann, der von vielen bewundert und von manchen gehasst wurde. Er hatte in seinem ganzen Berufsleben unter Beweis gestellt, dass man sich auf ihn verlassen konnte, unabhängig davon, wie seine Chancen standen. Seine Vorgesetzten schätzten dies, doch es hinterließ immer auch ein Problem – sie waren sich ebenso bewusst darüber, dass es nur einen Joseph Becic gab. So verwunderte es nur wenig, dass eine Karriere für Joseph Becic nicht möglich war. Denn wer wollte schon einen Mann verlieren, der sowohl die nötigen Kenntnisse hatte als auch das Vertrauen seiner Leute, um den stetigen Kampf gegen den Niedergang Neu Henochs etwas aussichtsreicher zu machen? In der Stadt auf dem Erdboden war der stetige Verfall kaum zu bemerken, ihre Bewohner nutzten ihren Wohlstand und die natürlichen Vorteile dieses Milieus geschickt genug, dies zu vermeiden. Sicherlich lebten die Oberflächenbewohner ebenfalls hermetisch abgeschirmt von der Außenwelt, jedoch drang selbst durch die dicksten Nebelschwaden noch ein gewisses Maß an Restlicht. Und es gab hier kein Grundwasser, das beständig an Betholith und Stahl nagte, bis es seinen Weg ins Innere gefunden hatte. Die achtzehn Bezirke der Oberfläche waren ausnahmslos sauber und vorbehalten für diejenigen Teile der Bevölkerung, die einen überdurchschnittlichen Humankapitalwert besaßen und somit aus Sicht der Gesellschaft unverzichtbar waren.
Unten in den Sublevs sah dies anders aus, und je tiefer man kam, desto drastischer wurde die Sicht auf Neu Henoch und seinen Zustand. Der Energiemangel von 35 Jahren machte sich bemerkbar, lebensnotwendige Technologien waren nicht mehr einsetzbar. Es war nicht genug, um das ursprüngliche Funktionskonzept der Stadt aufrecht zu erhalten, und die Rationierung betraf alle Tätigkeiten und Bereiche. Die Sublevs waren unterteilt in dutzende Parzellen. Wie um ein Schiff vor dem Untergang zu schützen, waren diese abschottbar, für den Fall, dass unkontrolliert Wasser eindrang. Dank dem nahen Meer war diese Gefahr nicht zu unterschätzen.
Es war kein Zufall, dass die Sublevs 4 und 5 vor Jahren evakuiert wurden, und wo Sublev 4 nur noch zu Versorgungs- und Instandhaltungszwecken diente, wurde die Existenz der versiegelten untersten Ebene regelrecht totgeschwiegen. Becic hatte zwar auch keine Ahnung, was sich dort unten befand, doch er hatte etwas, das weit über die Vermutungen der meisten anderen Bewohner von Neu Henoch hinausging. Er hatte Zugang zu den Berichten derer, die diese Räumlichkeiten zuletzt betreten hatten.
Missmutig starrte er in den Versorgungsschacht. Das finstere Loch erstreckte sich zumindest in die unteren Bereiche von Sublev 4, wenn nicht sogar noch tiefer. Die Abfallschächte zu Verbrennungsanlage acht waren nur der Anfang, die wichtigen Zusammenhänge waren hier, das technische Herz dieser Stadt, verborgen vor den neugierigen Augen der Unwissenden. Jeder Instandhalter wusste das.
Die Kontrolleinheit konnte ihnen sagen, was am Abfallschacht geschehen war, wer den Zugangscode eingegeben hatte und was mit der Hitzeschleuse geschehen war. Also im Grunde waren alle Informationen hier abrufbar. Doch Joseph Becic war ein Mann, der sich mit dem Offensichtlichen nicht zufrieden gab. Und er bezahlte den Preis für seine Gründlichkeit. Als er die Bodenplatten der Abfallentsorgung überprüft hatte, stieß er auf etwas, das andere vielleicht übersehen hätten. Es war kein Zufall, dass Cryjack sich ihn ausgesucht hatte, denn er kannte und schätzte seine Detailverliebtheit. Es war nicht viel, lächerlich geradezu, doch für Becic hatte es eine besondere Bedeutung. Die Explosion hatte Russspuren im Raum verteilt, gleichmäßig und gründlich, ausgehend von dem finsteren stinkenden Abwurfschacht. Ein Muster der Zerstörung, gleichbedeutend mit einem Protokoll des Brandes. Ein guter Instandhalter konnte daraus lesen, was das Feuer ausgelöst, wie heftig es getobt und welchen Verlauf es genommen hatte.
Und genau hier lag das Problem.
Eine der Bodenplatten wies Unregelmäßigkeiten auf. Die Brandspuren verliefen entgegen der tatsächlichen Brandrichtung.
„He, Mutter, was machen wir hier unten? Hier ist doch alles tadellos!“ Hecks durchdringende Stimme schmerzte in seinen Ohren. Irgendwann musste er das Pocket-Com reparieren.
„Ach ja? Dann mach mir mal einen Bericht über die Kontrolleinheit.“ Becic konnte Heck und Pavern verstehen, der Gestank in der Abfallentsorgung war unerträglich. Aber er hatte Cryjack versprochen, die Anlage zu überprüfen und Becic war ein Mann, der zu seinem Wort stand. Von all seinen Schwächen war diese wohl die fatalste.
Er sah hinüber zu Holeman. „Gib mir mal den Schraubenzieher.“
Der untersetzte Instandhalter reichte ihm den schmalen silbernen Zylinder. Becic setzte das Werkzeug auf der ersten Schraube der Bodenplatte an und wartete, bis sich der flexible Magnetkopf angepasst hatte. Nachdem sich der unscheinbare Mechanismus an der Schraube befestigt hatte, aktivierte er das Drehwerk. Zu seinem Erstaunen hatte er keine Probleme mit rostigen Schrauben, sie ließen sich, eine nach der anderen, anstandslos herausdrehen.
Holeman half ihm unaufgefordert dabei, die schwere Platte anzuheben. Seine Fingerspitzen fühlten eisige Kälte. Der Luftzug, den sie freigesetzt hatten, kam nicht überraschend, war aber dennoch unangenehm. Becic sah wie sich Holemans Augen vergrößerten, als die Furcht seinen Verstand erstickte. Die Finger des Mannes zitterten.
„Holeman, reiß dich zusammen! Keine Bewegung jetzt!“
Wenn die schwere Platte fiel, dann würde das böse enden. Nervös versuchte Becic seine Fußspitzen zurückzuziehen, doch er gefährdete damit seine Balance. Lautlos verfluchte er sich selbst wegen der Dummheit, die Platte ohne Prüfung anzuheben.
Blitzartig stürzte Viccy hinzu und streckte die Hand mit dem Atmoscanner in die klaffende Öffnung im Boden. „Keine Aerosole messbar.“
Erleichtert sah Joseph, wie sich Holeman beruhigte. Er hatte es im Laufe seines Berufslebens mit vielen Kollegen zu tun gehabt, solchen mit Nerven und solchen ohne. Doch ohne Zweifel gehörte Viccy zu den besten Instandhaltern, die er je gesehen hatte. Und er schalt sich selbst einen alten Narren, da er dies anfangs nicht erkannt hatte.
Nachdem sie sich der schweren Bodenplatte entledigt hatten, blickten sie in das gähnende Loch vor ihren Füßen. Unmotiviert blickte Holeman in die Schwärze. Becic wusste nicht, was sie dort unten erwartete, doch er war sicher, dass hier irgendetwas faul war. Sicherlich konnte es nur ein Versorgungsschacht sein, einer von Tausenden in Neu Henoch. Schächte wie dieser verbanden einzelne Module miteinander und stellten ein chaotisches Element in der relativen Ordnung der Stadt dar. Nicht alle Module besaßen einen Versorgungsschacht, aber alle konnten an ein derartiges Verbindungsstück angeschlossen werden. Becic überlegte. Jemand musste diesen Schacht benutzt haben nachdem das Feuer ausgebrochen war. Und er war sich sicher, dass dies kein offiziell beauftragter Instandhalter oder Entsorgungsarbeiter war. Die technische Leitstelle hatte ihn erst heute Morgen davon in Kenntnis gesetzt, dass die Abfallentsorgung in den nächsten Wochen zu überprüfen war.
Also wer zum Teufel war hier hinabgeklettert? Und wohin führte der Schacht?
Wenige Minuten später hatte Holeman den Schutzanzug präpariert und die Seilwinde überprüft. Viccy stand bereits am Überwachungsdisplay und führte weitere Messungen der Luft durch.
„Mutter, die Luft da unten ist sauber. Keine Aerosole im messbaren Bereich, 1,7 Millirad und genug Sauerstoff ist auch da.“ Sie zeigte ihm die Messergebnisse und er nickte zufrieden. Nur ein Dummkopf riskierte den Kontakt mit der Außenatmosphäre ohne sich selbst von den Anzeigen des Atmoscanners zu überzeugen.
„Dann gibt’s wohl keinen Grund mehr sich zu drücken.“ Joseph verfluchte sich und seine Gutmütigkeit und begann seinen Anzug anzulegen. Als er fertig war, befestigte er seinen Karabinerhaken an dem Stahlseil und gab Holeman ein Zeichen. Nicht, dass er es nicht erwarten konnte, doch dieser Moment war so gut wie jeder andere. „Söhnchen, lass uns beginnen.“
Mit einem lauten Knirschen bewegte sich der kleine Motor und beförderte Joseph Becic in die Tiefe. Es gab viele Dinge, die der Instandhalter nicht mochte, aber über einem dunklen Abgrund zu schweben war etwas, das er hasste. Am Stahlseil über ihm hing ein kräftiger Strahler, der den Schacht leidlich erhellte. Der Lichtkegel tanzte unkontrollierbar hin und her und erschwerte die Sicht.
Mühsam versuchte er sich mit den Füßen von der Wand abzustoßen, um zu verhindern, dass er hängen blieb. Er betete, dass seine festen Stiefelsohlen auf festen Untergrund stießen und wagte nicht zu denken, was geschehen würde, wenn nicht. Einmal mehr verfluchte er seine Gutmütigkeit. Wenn ihn jetzt jemand fragen würde, was er hier eigentlich trieb, während sie gleichzeitig in der Glasallee in Parzelle 13 Löcher flicken und die Rattenplage in Parzelle 26 bekämpfen sollten, er hätte keine Antwort gewusst. Also kämpfte er sich voran, vorbei an Kabeln mit bröckelnder Isolierung, rostigen Stahlträgern und spinnwebverhangenen Öffnungen.
Ein jammerndes Geräusch alarmierte ihn für den Bruchteil einer Sekunde, dann verschluckte ihn die Dunkelheit. Das Stahlseil hatte seine Bewegungen abrupt eingestellt und das Licht seiner Lampe war erloschen.
Joseph Becic schaukelte in der Finsternis hin und her, und fühlte sich plötzlich allein. Er spürte sein Herz klopfen. Ruhig atmend ermahnte er sich zur Ruhe, obwohl er eine Unruhe spürte, die ihm alles andere als angenehm war. Seine Ohren waren erfüllt von einem Rauschen, das er keiner Quelle zuordnen konnte. Das Stahlseil schwankte hin und her.
„He, was ist los da oben?“ Zorn keimte in ihm auf. Doch es kam keine Antwort.
Die innere Unruhe wuchs. Er versuchte sich ruhig zu halten, folgte der Stimme der Vernunft, doch irgendwo in seinem Kopf war dieses Flüstern, das ihm verriet, dass sie ihn im Stich gelassen hatten. Doch er kämpfte dagegen an, zerstreute die Zweifel und rief erneut.
„Ihr Schlafmützen, was ist los?“ Seine Stimme hallte durch den Schacht.
Es dauerte eine Ewigkeit bis Viccys Antwort an sein Ohr gelangte. „Stromausfall. Halte dich ruhig!“
Becic fluchte. Da hatte sicher wieder Trupp 461 seine Finger im Spiel. Diesen Idioten die Wartung der Hafenturbinen anzuvertrauen war technischer Selbstmord. Er balancierte am Ende des Stahlseils und verdrängte jeglichen Gedanken an die Dunkelheit und die Enge des Schachtes. Ruhig halten, solche Witzbolde! Er könnte sich auch ruhig halten, wenn er gemütlich da oben sitzen würde, doch so einfach war es für ihn nicht.
Dann verharrte er. Joseph Becic war kein Hasenfuss, doch er hatte ein Geräusch gehört, ein metallenes Scharren. Und er war lange genug Instandhalter, um zu wissen, dass dies schlechte Neuigkeiten waren.
Schweiß rann ihm in den Nacken. Da war das kratzende Geräusch erneut. Es war zu gleichmäßig, um eine gelöste Stahlplatte oder ein zerrissenes Kabel zu sein. Joseph hatte keine Ahnung, womit er es zu tun hatte. Aber es war klar, dass es nichts Gutes sein konnte.
War das ein Glimmen in der Finsternis? Er kniff die Augen zusammen, doch seine Sicht spielte ihm Streiche. Das Knarren des Seils beunruhigte ihn. Weit entfernt, wie durch eine solide Wand hindurch, konnte er hören wie seine Freunde und Kollegen fieberhaft arbeiteten. Auch sie waren in Dunkelheit gehüllt, und damit in ernsthaften Schwierigkeiten. Hilfe war von ihnen im Moment nicht zu erwarten. Und war da nicht noch etwas?
Gedämpft vermeinte er ein Wispern zu hören. Er mühte sich, es zu verstehen, unsicher, ob es wirklich eine Stimme war, die er da hörte. Doch, da war etwas, hier unten im Schacht, vielleicht zehn Meter entfernt? Nein, das wäre falsch, im Stockfinstern hängend war es unmöglich, eine Entfernung abzuschätzen allein nach dem Gehör. Das Raunen wirkte befremdlich, geradezu furchteinflößend. Joseph schalt sich erneut einen Narren, denn seine überreizten Nerven spielten ihm einen Streich. Doch es gelang ihm nicht, seine Angst mit Hilfe seiner Vernunft zu besiegen. Seine Finger umklammerten krampfartig das Stahlseil, während seine Ohren in die Finsternis lauschten.

http://www.andrae-martyna.de
© http://www.andrae-martyna.de

Weitere Leseproben

Operation Titanensturz
Operation Titanensturz

[Zurück zum Buch]

Manuskripte

BITTE KEINE MANUS­KRIP­TE EIN­SENDEN!
Auf unverlangt ein­ge­sandte Texte erfolgt keine Antwort.

Über LITERRA

News-Archiv

Special Info

Batmans ewiger Kampf gegen den Joker erreicht eine neue Dimension. Gezeichnet im düsteren Noir-Stil erzählt Enrico Marini in cineastischen Bildern eine Geschichte voller Action und Dramatik. BATMAN: DER DUNKLE PRINZ ist ein Muss für alle Fans des Dunklen Ritters.

Heutige Updates

LITERRA - Die Welt der Literatur Facebook-Profil
Signierte Bücher
Die neueste Rattus Libri-Ausgabe
Home | Impressum | News-Archiv | RSS-Feeds Alle RSS-Feeds | Facebook-Seite Facebook LITERRA Literaturportal
Copyright © 2007 - 2018 literra.info