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Sprühnebel des Erbrochenen

Thor Kunkels neuer Skandalroman „Kuhls Kosmos“ ist erschienen

© Die Berliner Literaturkritik, 26.11.08

 

Nach seinem glänzend geschriebenen, skandalumwitterten Roman „Endstufe“ von 2004 war es still geworden um Thor Kunkel. Eine „dauererigierte Männerphantasie“ wollte Iris Radisch gelesen haben, und ihre Feuilletonkollegen fanden ähnlich eloquente Beleidigungen für das zwar reichlich geschmacklose, aber nichtsdestoweniger brillante Buch. Jetzt, vier Jahre später, ist Kunkel zurück. „Kuhls Kosmos“ heißt der neue Roman, der beim kleinen Berliner Verlag Pulpmaster – einer Heimat für Thriller und Trash – erschienen ist.

Kunkel erzählt die Geschichte des 18-jährigen Kleinkriminellen Kuhl, der – bedroht und keinen anderen Ausweg findend – schließlich zum vierfachen Mörder wird und sich auf die Bahamas absetzt. Die Handlung spielt dort und – in Rückblicken – im Frankfurt des Jahres 1979. Sein junges Leben hat keinen Sinn mehr, das Geld, das am Anfang ziemlich viel gewesen sein muss, geht allmählich zur Neige. Kuhl beschließt also, sich in der Silvesternacht auf althergebrachte Yakuza-Art beim Koitus zu töten: mit einem Schuss in den Kopf, im Augenblick des Orgasmus. Diese Idee hat er aus einem Drehbuch des „Endstufe“-Kameramanns Aurel B. Holsten, der – mittlerweile Mitte 60 – einen angenehmen Lebensabend zu verbringen plant. Viel hat sich für ihn seit der Handlung von „Endstufe“ nicht verändert: Kunkel lässt ihn immer noch Pornos machen. Nur gibt er sich jetzt nicht mehr die Mühe, den charmanten Mann zu geben, sondern zeigt recht offen, dass er ein in die Jahre gekommener semi-pädophiler Lustbock ist. Kein Wunder, dass Kuhl mit dem alten Sack nichts zu tun haben will und ihn das auch deutlich spüren lässt. Als Kameramann Holsten am Silvesterabend mit dem Star seines Filmprojekts, einer gealterten Pornodarstellerin anrückt, wird aus Kuhls Plänen Realität und er nimmt sie schließlich mit auf sein Zimmer.

„Das Widerwärtige widerwärtig nennend“, so hat mal jemand die satirische Schreibe Wiglaf Drostes beschrieben. Dieselbe Beschreibung kann man auch auf Thor Kunkel anwenden. Er folgt den Gedanken, Ängsten und quasi-philosophischen Analysen seines Protagonisten bis zur letzten Konsequenz, mittels einer Sprache, die ebenso direkt ist wie unheimlich reich an wunderbaren Bildern und Metaphern. Er ätzt und kotzt, und der Leser hat eine schelmische Freude daran, im Sprühnebel des Erbrochenen zu stehen und sich von dieser großartigen Geschichte befruchten zu lassen. Die Kritiker werden Thor Kunkel womöglich vorwerfen, dass er dasselbe tut, was er schon in „Endstufe“ getan hat – nur ohne Nazis: in einer selbstgefälligen Sprache das Ekelerregende bis zum Scheitelpunkt auskosten. Richtig, muss man da nicken, aber das ist ja das Großartige an ihm. Selbstgefällige Charaktere brauchen eine Sprache, die ihnen gerecht wird. Es ist letztlich ganz einfach: Thor Kunkel hat mit „Kuhls Kosmos“ einen wunderbaren Mix aus Pulp und Thriller, aus Komödie und Tragödie zusammengeschrieben. Dieser Schriftsteller ist noch lange nicht an seinem Zenit angekommen, geschweige denn seinem Ende. Man kann sich nur darauf freuen, mehr von ihm zu lesen.

Literaturangaben:
KUNKEL, THOR: Kuhls Kosmos. Roman. Pulp Master, Berlin 2008. 333 S, 13,80 €.

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