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Charlotte Roche: Mut zum Körpergeruch und zur Pornografie

Feminismus ist für Roche unverzichtbar

© Die Berliner Literaturkritik, 10.03.08

 

KÖLN (BLK) – Unsere Gesellschaft braucht nach Ansicht der Romanautorin Charlotte Roche (29) einen aktualisierten Feminismus. „Alice Schwarzer ist ein Vorbild, aber ich fände es gut, wenn man auch andere Frauen aus verschiedenen Bereichen und Altersklassen kennen würde, die für einen neuen Feminismus stehen“, sagte Roche der Deutschen Presse-Agentur dpa in Köln. Die ehemalige Viva-Moderatorin hat gerade ihr Romandebüt „Feuchtgebiete“ über die 18-jährige Helen, ein „frühreifes Früchtchen“, herausgebracht.

„Ich habe darin jene Dinge provokativ überspitzt, die in unserer Gesellschaft schon im Ansatz verboten sind“, sagte Roche, die als Moderatorin bei Viva 2, Arte und das ZDF für ihren unkonventionellen, unverblümten Stil berühmt wurde. 2002 erhielt sie dafür den Deutschen Fernsehpreis, 2004 den Adolf-Grimme-Preis. Nicht um das Brechen von Tabus sei es ihr in ihrem Roman gegangen, sondern darum „Worte für Details der weiblichen Sexualität zu finden, für die es noch keine Worte gibt“.

„Feuchtgebiete“ erzählt die Geschichte von Helen, die nach einer missglückten Intimrasur am Po im Krankenhaus liegt und sehr offen und mit viel Fantasie über ihren Körper spricht. „Es ist eine Fiktion, mit Betonung auf der ersten Silbe“, sagte Roche lachend. Schamlippen heißen in Helens sexuell sehr ausgiebigem Leben „Vanillekipferl“, die Klitoris bezeichnet die 18-Jährige als „Perlenrüssel“. Helen mache Dinge, die sie selbst nicht mache oder sich nicht traue, sagte Roche. Einige Experimente seien aber „auf keinen Fall zum Nachmachen gedacht“.

Feminismus ist für Roche unverzichtbar. „Feministin zu sein ist bei uns so negativ behaftet. Dabei sollten sich doch alle Frauen als Feministinnen betrachten.“ Roche, die auch schon als Sängerin (zusammen mit „Ärzte“-Sänger Bela B) und Schauspielerin auftrat, bezeichnet sich im Bereich des Körperlichen als radikal. Sie ist gegen den „Rasurzwang bei Frauen“ und für mehr natürlichen Körpergeruch, Thesen, die sie auch in ihrem Roman durch Helen vertreten lässt: „Die meisten sind entfremdet und denken, alles Natürliche stinkt und alles Körperliche duftet“, heißt es an einer Stelle. Nicht Parfüm, sondern Pheromone – sexuelle Lockstoffe – seien aber für die Sexualität wichtig.

Darüber hinaus sollte Feminismus heute einem neuen Denken über Sexualität entsprechen, sagte Roche. „Der neue Feminismus sieht Pornografie zum Beispiel nicht nur als Unterdrückung, sondern auch als Befreiung.“ Es gebe unterschiedlichste Arten von Pornografie, nicht nur jene, die Frauen zum unterlegenen Objekt mache. Auch sollte ein aktualisierter Feminismus Frauen „eben nicht Regeln an die Hand geben“, wie sie sich zu verhalten hätten. „Dann habe ich nichts dagegen, als Vertreterin für einen solchen neuen Feminismus zu stehen.“

(Gespräch: Susanne Schmetkamp, dpa/wip)


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