BOCHUM (BLK) – Das Bühnenfestival Ruhrtriennale setzt wieder einen Schwerpunkt, um einen namhaften Regisseur intensiv vorzustellen: In diesem Jahr ist es Luc Bondy. Am Dienstagabend (9. September 2008) war Bondys Inszenierung von „La Seconde Surprise de lamour“ zu sehen. „Die zweite Überraschung durch die Liebe“ von Marivaux, einem der wichtigsten französischen Dramatiker der Aufklärung, wurde 1727 uraufgeführt.
Die Hauptfigur, eine Marquise, ist jung, schön, reich, aber untröstlich. Ihr Gemahl ist nach kurzer Ehe gestorben. Sie will nie wieder lieben. Ganz ähnlich ihr Nachbar, der junge Chevalier – er hat eine unglückliche Affäre hinter sich und ist entschlossen, sich nie wieder zu binden. Die beiden klagen sich gern ihr Leid und haben sich, ehe sie es selbst so richtig merken, in einander verliebt. Es dauert drei lange Akte, ehe sie sich nach vielen Irrtümern und noch mehr Irrwegen endlich in die Arme sinken. Ihre beiden Diener, die Zofe Lisette und der patente Lubin, machen keine Umwege, sie lieben sich ohne Zögern und Zagen – am Ende steht eine Doppelhochzeit.
Luc Bondy nimmt klar für die „einfachen Leute“ Partei und spricht sich gegen Prätention und Bindungsangst aus: Wer stets sein Gesicht wahren will, läuft Gefahr, sein Glück zu verlieren. Deutlich arbeitet der Regisseur die Volkstheater-Elemente des Dreiakters heraus, denn Marivaux war von der italienischen commedia dell'arte beeinflusst.
Zur Zeit Marivaux’ galt noch die Ständeklausel: Hohe Herrschaften spielten tragische Rollen, das einfache Volk war komisch. Dies dreht Bondy um mit der Maxime: Folgt Eurem Herzen, eurem Gefühl – alles andere ist gekünstelt, unecht und widernatürlich. In Luc Bondys Deutung erscheint Marivaux wie ein Vorläufer der Revolution.
Das sechsköpfige Ensemble spielte makellos. Clotilde Hesme als Marquise und Micha Lescot als Chevalier übertreiben immer nur eine Nuance – genug für die Erkenntnis der Schwächen, genug zum Lachen. Die Akteure sprechen allerdings Französisch. Zwar wird die Übersetzung auf eine Leinwand über der Bühne projiziert, aber wer lesen muss, wendet den Blick von den Spielern. Es kommt indes auf die Differenz zwischen dem, was gesagt und was gefühlt, empfunden wird, an. Die Marquise und ihr Chevalier sagen selten die Wahrheit – manchmal will einer den anderen täuschen, prüfen, manchmal irren sie sich über die eigenen Gefühle. Eine großartige, in sich stimmige Aufführung. (dpa/bah)
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