Von Gisela Ostwald
Schon ihr Debüt, der Erzählband „Melancholie der Ankunft“, brachte Jhumpa Lahiri den begehrten Pulitzerpreis ein. Ihr erster Roman, „Der Namensvetter“, wurde verfilmt und fand weltweit Beachtung. Anfang des Jahres erschien Lahiris drittes Werk in den USA. „Unaccustomed Earth“ ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, die Kritiker von New York bis San Francisco einstimmig als Meisterwerk feierten.
Drei der insgesamt acht Erzählungen erscheinen jetzt bei uns unter dem Titel „Einmal im Leben“. Sie stellen die Lebens- und Liebesgeschichte zweier Kinder bengalischer Eltern in Amerika vor, die so zart und feinfühlig gesponnen ist, dass ihr jähes, nur angedeutetes Ende ein Gefühl großer Leere hinterlässt.
Wie Lahiris erste Bücher lebt auch das jüngste Werk von der Beobachtungsgabe der Autorin, ihrer eleganten und nuancenreichen Sprache, ihren Charakteren, die dieses Mal den Verlust geliebter Menschen sowie verlorene Liebe zu verkraften haben. In „Einmal im Leben“ geht es um Hema und Kaushik, deren Wege sich nur drei Mal kreuzen, Anfang der siebziger Jahre im Haus der Eltern bei Boston, dann als Teenager und Jahre später völlig überraschend in Rom.
Aus Kaushik ist ein bekannter Kriegsfotograf geworden, der den frühen Tod der Mutter nie verwunden hat, Amerika wie auch Indien deshalb meidet und rastlos durch den Rest der Welt zieht. Hema ist das genaue Gegenteil, Professorin für römische Geschichte, sesshaft in Neuengland und nach Jahren unerfüllter Liebe nunmehr bereit, eine von den Eltern arrangierte Ehe einzugehen. Trotz dieser Unterschiede zieht es die Beiden wie magnetisch zueinander, als sie sich durch Zufall in Italien wiedersehen.
Kaushik erkennt in Hema die einzige Frau, die seine Vergangenheit mit ihm teilt. Ihr fällt es nicht schwer, seine jähe, wilde Liebe zu erwidern. Hatte sie doch schon vor Jahrzehnten heimlich für Kaushik geschwärmt, den Sohn der elterlichen Freunde. Letztlich aber siegt ihre Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit, etwas, das er, der Heimatlose, ihr nicht bieten kann. Aller Liebe zum Trotz schlägt sie seine Bitte ab, mit ihm nach Hongkong zu gehen.
Am Ende ihrer schicksalhaften Begegnung in Rom treten Hema und Kaushik wieder getrennte Wege an, sie wie geplant zu ihrer Hochzeit mit einem ungeliebten Mann in Kalkutta, er einsam und allein nach Thailand, wo ihn eine Tsunami-Welle vor Phuket erfasst.
Lahiris jüngstes Werk ist wie andere ihrer früheren Erzählungen von großer Traurigkeit überschattet. Eine Traurigkeit, die der Kritiker Edward Said auf die „unheilbare Spaltung zwischen einem Menschen und seiner Heimat, zwischen seinem Selbst und seinem wahren Zuhause“ zurückführt.
Tatsächlich hat die Bestsellerautorin, die selbst von indischen Eltern abstammt, in London zur Welt kam und in den USA aufwuchs, auch für alle ihrer neuen Geschichten wieder den multikulturellen Hintergrund bengalischer Familien im fremden Amerika ausgewählt. Doch weit mehr als in der Vergangenheit reflektieren die Ängste, Zweifel, Verluste und Liebeserfahrungen ihrer Protagonisten das, was wir alle durchmachen, heimatlos oder nicht.
Literaturangaben:
LAHIRI, JHUMPA: Einmal im Leben. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Gertraude Krueger. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 176 S., 16,90 €.
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