Werbung

Werbung

Werbung

Innenansichten eines Dichters

Das Hörbuch „Montauk“ nach Max Frisch

© Die Berliner Literaturkritik, 09.01.09

 

Es ist ein Hörspiel für bestimmte Stunden; geradezu geschaffen für literarische Gedankenausflüge an kalten Wintertagen. In entspannter Haltung bei einem Glas Rotwein sollte man sich zurücklehnen und einfach nur zuhören, während die ruhige, ein wenig großväterliche Stimme des Grimmepreisträgers Felix von Monteuffel uns Einsicht in Max Frischs Erinnerungswelt gibt. Es ist eine Welt intimster, kleinster Details über ein Leben der Wahrnehmung und des Schreibens, welche sich in dem autobiographischen Werk „Montauk“ offenbart. Frischs Anspruch ist weder Fiktion noch erzählerische Raffinesse.

„ES WARNT DICH SCHON BEIM EINTRITT, DASS ICH MIR DARIN KEIN ANDERES ENDE VORGESETZT HABE ALS EIN HÄUSLICHES UND PRIVATES... ICH HABE ES DEM PERSÖNLICHEN GEBRAUCH MEINER FREUNDE UND ANGEHÖRIGEN GEWIDMET“.

Es ist weniger das Aptum, die Angemessenheit, die Frisch bewegt haben muss, jenes literarische Kleinod zu verfassen. Ja, ein Buch, das sich eben durch seine Erklärung zur Einzigartigkeit und die Enthaltsamkeit von jeglicher Öffentlichkeit in gewisser Hinsicht der Kritik entzieht, genauer genommen für sich bleibt. Das Private besteht in einem bunten Kompendium von Kommentaren und Tagebucheinträgen, die von Ansichten über Hundehaufen bis hin zum Schreiben und Träumen reichen. Being Max Frisch könnte man das ganz individuelle Vergnügen nennen. Der poetische Genuss an Unbedeutendem und sich in sich verlierenden Einzelheiten wird zum konstitutiven Konzept eines Geisteslebens. Dass es schlichtweg die „Berufskrankheit“ eines Dichters sein müsse, alles, jede Winzigkeit und Irrelevanz, jedwede Wahrnehmung und Einsicht unter dem Gesichtspunkt der literarischen Verwertbarkeit zu sehen, hat nicht zuletzt Max Frisch selbst formuliert.

Doch zwischen all den Fragmenten, Fetzen und Gedankenstrichen nimmt das Hörbuch den Hörer auch mit zu einem Schauplatz des großen Gefühls: Es ist das Wochenende vom elften auf den zwölften Mai 1974 in Montauk, der Nordspitze von Long Island, wo der Lebenskünstler Max Frisch die Verlagsangestellte Lynn kennen lernt und mit ihr, dies wird lediglich zart angedeutet, eine relation amoureuse eingeht. Betrachtungen über die Beziehung zwischen ihm und seinem Schulfreund W. untermalen ebenso das Gesamtpanorama mit lebendigster Tiefe. Obwohl das Dasein in seiner eigensten Form im Vordergrund steht, ist dennoch das Wort, welches Frisch den Ereignissen verleiht, das sinnstiftende Element des Textes. Erst in der Erzählung seiner Ehen und der Beziehung zu Bachmann wird das Erlebte zu etwas Wahrem, weil es die Ebene der Reflexion durchlaufen hat, die wie ein Sieb das Wesentliche hervorbringt, was Literatur erreichen möchte: Gedanken, Wünsche und Träume zum Leben erwecken. Trotz der Negation, das Buch dem Leser zugänglich machen zu wollen, erzielt genau die Komposition der Alltagsdinge in Verbindung mit eindringlichsten Erinnerungsbildern eine herrlich-ansteckende Wirkung. „Denn ich bin es, den ich darstelle“ betont der Erzähler, der sich somit als Frisch zu erkennen gibt. Selten ist es einer Biographie gelungen den Leser zu entführen wie bei Montauk. Nicht zuletzt Monteuffels ganz individueller Ton versetzt den Zuhörer in eine Art Trance und gibt ihm die Möglichkeit, einmal durch die Augen eines der wohl erfahrensten Schriftstellers deutschsprachiger Literatur des letzen Jahrhunderts sehen zu können. Die Einsichten werden verblüffend sein!

Von Björn Hayer

Literaturangaben:
FRISCH, MAX: Montauk. Hörbuch. Der Hörverlag, München 2008. 338 Min., 24,95 €.

Verlag

Mehr von „BLK“-Autor Björn Hayer


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: