Darren Aronofsky: Black Swan mit Natalie Portman, Vincent Cassel u. a. |
Darren Aronofsky: Black Swan |
Inhaltsangabe:Nina Sayers (Natalie Portman), eine amerikanische Balletttänzerin Anfang zwanzig, wohnt noch zu Hause bei ihrer Mutter in New York, in ihrem alten Kinderzimmer, mit Plüschtieren im Bett und einer Spieluhr auf dem Nachttisch. Ihre Mutter Erica (Barbara Hershey) hatte als Tänzerin aufhören müssen, nachdem sie vom Ballettmeister geschwängert worden war. Nun soll Nina die Frustration der Mutter kompensieren. Mit allen Mitteln versucht Erica Sayers, die Tochter unter ihrer Kontrolle zu behalten. Sie will sie vor einer Schwangerschaft bewahren und sie dazu zu bringen, für den Erfolg auf der Bühne alles zu geben. Ohne die Manipulationen der Mutter ganz zu durchschauen, beugt Nina sich dem enormen Erwartungsdruck und hält sich von Männern fern. Sie hungert und übt bis zum Umfallen. Schmerzen, deformierte Zehen und der Länge nach durchbrochene Zehennägel halten sie nicht davon ab. Noch ein jeté, noch ein demi-plié, noch einmal mit der geschundenen Fußspitze auf das harte Parkett, bis der Knochen schließlich nachgibt. Ein leises, aber so entsetzlich trockenes Krachen, das einem buchstäblich durch Mark und Bein geht. Die Tänzerin, blass, dünn, angestrengt verschwitzt, fällt mit einem Aufschrei zu Boden. Nicht so sehr vor Schmerz, vor allem aus Wut: Der Geist will üben, üben, üben, bis die komplizierte Tanzfigur perfekt ist, aber der Körper macht nicht mehr mit, knickt ein, bricht zusammen. (Andreas Borcholte, Der Spiegel, 18. Januar 2011)
Aufgrund der Belastung kratzt Nina sich immer wieder die Schulter blutig. Wütend darüber schneidet sie sich die Fingernägel bis zum Fleisch zurück. Thomas will Ninas auf Perfektion getrimmte Physis umgestalten. Ihr frigider Arbeitskörper soll mit einem hervorzulockenden Lustkörper verschmolzen werden. (Rainer Gansera, Süddeutsche Zeitung, 19. Januar 2011)
Der Druck verstärkt sich weiter, als eine neue Tänzerin in die Truppe aufgenommen wird. Lily (Mila Kunis) kommt aus San Francisco (!) und ist das genaue Gegenteil von Nina: Unpünktlich, unbeschwert, sexuell herausfordernd. Nina muss um ihre Position fürchten, denn Lily ist ihr zwar technisch nicht gewachsen, bringt jedoch im Gegensatz zu ihr die charakterlichen Voraussetzungen für die Rolle des schwarzen Schwans mit – und Thomas ist für Lilys Verführungskünste empfänglich.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Dort erfährt sie, dass Lily an ihrer Stelle tanzen soll. Das lässt Nina nicht zu. Sie schminkt sich und geht auf die Bühne. |
Filmkritik:Mit dem Willen zur Perfektion und obsessivem Üben allein lässt sich keine Sinnlichkeit darstellen. Das muss eine ehrgeizige Balletttänzerin leidvoll lernen. Sie begreift, dass sie Jungfrau und Hure zugleich sein muss, um Erfolg zu haben. Perfektion ist machbar, aber Inspiration und Ausstrahlung lassen sich so nicht herbeizwingen. Wenn die Welt sich dem Machbarkeitswillen nicht fügt – wie in der Kunst und in der Liebe –, öffnen sich die Türen zu Wahn und Phantasma. Im Kern geht es um den Gegensatz von apollinischer und dionysischer Sphäre. Nina müsste in die Gefolgschaft des Dionysos, des Gottes von Rausch und Ekstase, eintreten. (Rainer Gansera, Süddeutsche Zeitung, 19. Januar 2011)
Die Zusammenhänge werden in "Black Swan" allerdings mit Küchenpsychologie erklärt: Nina ist das Opfer einer ehrgeizigen Mutter, die ihre eigenen Karriereträume nicht verwirklichen konnte und sie nun zwingt, an ihrer Stelle alles für den Erfolg zu opfern. Erst als es Nina gelingt, sich aus der Bevormundung zu befreien, ist sie in der Lage, außer dem weißen auch den schwarzen Schwan in dem Ballett "Schwanensee" von Peter Tschaikowski zu tanzen. Hier schwelgt ein Virtuose des Kinos in großen Gesten, die mancher andere Regisseur längst in die Mottenkiste des Überstrapazierten abgeschoben hat. (Daniel Kothenschulte, Berliner Zeitung, 3. September 2010)
Erzählt wird die Handlung konsequent aus der Sicht Ninas. Und das ist gut so, denn deshalb ist Natalie Portman in jeder Einstellung zu sehen, und ihre außerordentliche schauspielerische Leistung macht "Black Swan" überhaupt erst zu einem grandiosen Film. Überzeugend und eindringlich verkörpert sie den zerrissenen Charakter der Hauptfigur. In ihrer Jugend hatte sie Ballettunterricht genommen, und zur Vorbereitung auf die Dreharbeiten trainierte sie noch einmal monatelang, um die meisten Tanzszenen ohne Double spielen zu können. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Darren Aronofsky (kurze Biografie / Filmografie) |