Lily Brett: Chuzpe (Roman) |
Lily Brett: Chuzpe |
Inhaltsangabe:
Ruth Rothwax wuchs in Australien auf, lebt jedoch seit längerer Zeit in New York. Seit fünfundzwanzig Jahren ist sie mit dem Künstler Garth verheiratet. Sie haben drei Kinder: Zelda, Zachary und Kate. Vor fünfzehn Jahren eröffnete sie einen Briefservice – "Rothway Correspondence" –, mit dem sie inzwischen so viel Geld verdient, dass sie sich ein Loft in SoHo und ein Ferienhaus außerhalb der Stadt leisten kann.
"Ich habe es nicht direkt verheimlicht vor dir, Ruthie, ich habe dir nur nichts gesagt davon." (Seite 105)
Acht Wochen lang besuchten die Polinen in Zoppot einen Englischkurs, und sie verfügen über Greencards. Ruth ist entsetzt über die Vorstellung, dass Edek sich die Wohnung mit zwei Frauen teilt, aber weder ihre Freundin Sonia Kaufman noch ihre drei Kinder stören sich daran; im Gegenteil: Sie freuen sich für den alten Herrn, der auf diese Weise Gesellschaft hat. Ruth kam aus dem Staunen nicht heraus. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Das ganze Vorhaben, der ganze Plan war absurd. Man konnte nicht einfach von Zoppot herfliegen und sich einbilden, Fleischklöpse seien das, was dem Leben in der Stadt New York fehlte. (Seite 164)
Es dauert nicht lang, bis Edek in einer menschenleeren Nebenstraße einen ungenutzten Laden zwischen zwei Autowerkstätten gemietet hat. Um ihren Vater nicht zu enttäuschen, stellt ihm Ruth die erbetenen 30 000 Dollar Startkapital zur Verfügung. Das ist eine Menge Geld, aber viel zu wenig, um in New York ein Restaurant zu eröffnen. Und selbst wenn es gelänge, wird kaum jemand das Lokal in dieser ungünstigen Lage entdecken. "Du hast völlig richtig gehandelt. Überleg dir mal, wieviel Aufregung und Spaß sie schon dabei hatten. Dein Vater steht mitten im Leben und ist mit echten Dingen beschäftigt." (Seite 245) Kurz vor der Eröffnung des Restaurants "Klops braucht der Mensch" gesteht Edek seiner Tochter, er habe auch gleich die benachbarte Werkstatt mit gemietet, die Wand durchgebrochen und es sich genehmigen lassen, im Sommer Tische und Stühle aufs Trottoir zu stellen. "Um zu sagen die Wahrheit, Ruthie, es war meine Idee. Ich habe gesagt zu Zofia, dass es nicht schlau ist, zu stecken so viel Geld in ein Restaurant, was wird haben einen Riesenerfolg. Und wenn es dann ist ein Riesenerfolg, wir werden haben keinen Platz für mehr Kunden." (Seite 270) Obwohl es Ruth missfällt, wie die vollbusige Zofia sich an ihren Vater heranmacht, kann sie nicht leugnen, dass die neunundsechzigjährige Polin ausgezeichnet schmeckende Klopse macht und zupacken kann. Die Selbstverständlichkeit, mit der Zofia handelte, schüchterte sie ein. Tagsüber recherchierte sie in Restaurants, abends bewirtete sie Gäste, nachts kochte sie Klopse, und frühmorgens ging sie schwimmen. Ohne jemals zu jammern. (Seite 238)
Vier Wochen nach der Eröffnung läuft "Klops braucht der Mensch" schon so gut, dass Edek, Zofia und Walentyna außer zwei jungen Mexikanern eine Küchenhilfe, zwei Kellnerinnen und ein Mädchen für die telefonischen Reservierungen einstellen müssen. In der "New York Times" entdeckt Ruth eines Morgens ein Foto von Edek und einen Artikel mit der Schlagzeile "Im Paradies der Klopse". Sogar Steven Spielberg und Luciano Pavarotti essen in "Klops braucht der Mensch". "Ihr Vater und ich, wir haben sehr guten Sex [...] Wir essen gut miteinander, und wir haben guten Sex miteinander." (Seite 239f) Garth kündigt am Telefon seine vorzeitige Rückkehr nach New York an. Ruth freut sich. Erst ein paar Tage später findet sie den Grund heraus: Edek und Zofia wollen heiraten. Garth kommt zur Hochzeitsfeier. |
Buchbesprechung:
"Chuzpe" ist ein witziger, leicht zu lesender Roman, mit dem sich Lily Brett über den Jugendwahn lustig macht. Im Mittelpunkt steht eine vierundfünfzigjährige erfolgreiche, Unternehmerin. Wie ängstlich, verklemmt und kopflastig sie ist, zeigt sich im Vergleich mit ihrem siebenundachtzigjährigen Vater, der zusammen mit zwei polnischen Freundinnen, die beide Ende sechzig sind, in New York ein Restaurant eröffnet, sich dabei über die grüblerischen Bedenken seiner Tochter hinwegsetzt, unbekümmert an den Erfolg glaubt und sich voller Chuzpe in das Abenteuer stürzt. Lily Brett versteht es, die Leser zu unterhalten, ohne ins Triviale abzugleiten. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007 |