Iwan Bunin: Vera (Erzählungen) |
Iwan Bunin: Vera |
Inhaltsangabe:Sachar Worobjow
Der 40 Jahre alte Sachar Worobjow aus Ossinowyje Dwory ist größer und kräftiger als die meisten anderen Menschen und trotz seiner Einsamkeit nicht nur gesund, sondern auch guter Dinge. Als er durch Schipowo kommt, erzählt er einem Kutscher, einem Wachtmeister und dem Bauern Aljoschka Artschak von dem Vergleich, den er gerade vor Gericht mit einem Gegner schloss. Er meinte, noch endlos und immer lebhafter, immer besser so weitererzählen zu können, aber der Kutscher und der Wachtmeister, die ihm noch eine Zeitlang zugehört und erkannt hatten, dass die Sache verloren war und Sachar nicht nur auf ihre Kosten getrunken und gegessen hatte, sondern nun auch noch in einem fort lauter dummes Zeug erzählte, unterbrachen ihn mitten im Satz, zogen die Pferde an und fuhren davon. Aljoschka blieb noch ein Weilchen bei ihm sitzen, stimmte ihm in allem zu, erbettelte sich vier Kopeken für Tabak und ging zur Bahnstation. Als Sachar Worobjow allein zurückgeblieben ist, kauft er in einem Branntweinladen noch eine Flasche Wodka und trinkt schwermütig weiter, bis er tot ist. Ignat
Ignat stammt aus einem ärmlichen Elternhaus in Tschesmensk. Im Alter von 21 Jahren fängt er auf dem Herrenhof in Iswaly als Hirte zu arbeiten an. Die ein Jahr jüngere Ljubka kam bereits zwei Jahre vor ihm nach Tschesmensk. Sie wuchs auf dem Herrenhof in Schatilowo auf, und es heißt, der Gutsbesitzer habe sie außerehelich gezeugt. "Mach ihn fertig, schnell. Wir werden reich sein. Wir sagen, dass ihn der Schlag getroffen hat. Schnell!" Danach verkommt Ignat als Säufer. Ein VerbrechenDer Bauer Jemil, der die Menschen für böse hält, inszeniert einen Überfall, tötet dabei in Notwehr einen Menschen und geht danach ins Kloster.
Ein Fürst unter FürstenDer Bauer Lukjan Stepanow ist über 80 Jahre alt. Um etwas Eindruck zu schinden, zeigt er der Gutsbesitzerin Nikulina, ihrer Tochter Lulu und den Söhnen Mika und Sewa einen mit Gold- und Silbermünzen gefüllten Beutel. Es handelt sich um die Anzahlung für einen Vorvertrag, den er für die Haferernte abgeschlossen hat. "Der Kerl ist noch gesund und kräftig!", dachten alle.
Dann steigt er in seine Droschke und fährt flott vom Hof. Angewidert beauftragt die Hausherrin das Hausmädchen, das Glas Konfitüre, aus dem Lukjan Stepanow vorsichtig ein Löffelchen gegessen hat, auszuleeren und auszuwaschen. "Neun Jahre lebe ich schon so, und ich könnte es nicht besser haben." Er wiederholt, dass er ein Fürst unter Fürsten sei. Dann zeigt er Sewa noch seine "furchteinflößenden schwarzen Pferde". Auf die ist er besonders stolz. Das Gestüt befindet sich seit über hundert Jahren im Familienbesitz. VeraAndrej Streschnjow reitet ein letztes Mal vor ihrer Abreise zu Vera Alexejewna hinüber. Erfreut und hoffnungsvoll fragt sie sogleich, ob er über Nacht bleibe. Er denkt:
Mein Gott, sie wird mit jedem Tag überschwenglicher, eifersüchtiger, unerträglicher! Und wieviel sie raucht [...] Vera klagt, sie habe alles für ihn geopfert, aber er weiß, dass sie eine "jämmerliche Salonpianistin im Institut" war. Laut sagt er: "Vera, ich eigne mich nicht für eine Liebschaft. Ich bin ein alter Mann." Am anderen Morgen kommt der Bauer Mitri mit seinem Fuhrwerk, um Vera abzuholen und zum Bahnhof zu bringen. Andrej Streschnjow reitet bis zur Landstraße hinterher, dann bleibt er zurück. Der Traum von einer glücklichen und dauerhaften Liebesbeziehung ist längst zerplatzt. |
Buchbesprechung:
Die unter dem Titel "Vera" zusammengefassten Erzählungen wurden alle 1912 von Iwan Bunin (1870 – 1953) geschrieben, die meisten davon im Winter auf Capri. Die titelgebende Erzählung "Vera" beispielsweise ist mit "Capri, 31. 12. 1912" datiert. Sie wurde im März 1913 erstmals veröffentlicht.
Bunins Menschen halten nicht mit sich Haus. Sie machen mit ihren Gefühlen keine Kosten-Nutzen-Rechnung auf. Liebe ist Heimsuchung, ist Hörigkeit. (Ulla Hahn, Der Spiegel, 11. Juni 2001) Iwan Bunin beobachtet die Protagonisten, versucht aber nicht, ihr Verhalten zu analysieren.
Der Autor ist nicht mehr klüger als seine Personen, spart jede Begründung für ihr Handeln und Verhalten aus, schert sich nicht mehr um Motivationen, Psychologismen und Erklärungen. Konflikte werden notiert, aber keine Lösungen. (Ulla Hahn, Der Spiegel, 11. Juni 2001) Mit den Protagonisten kontrastieren edle Pferde und die karge Naturschönheit der Landschaft, deren Aussehen, Gerüche und Geräusche Iwan Bunin differenziert beschreibt.
Straffheit und Ausdrucksreichtum vereinen sich bei ihm zu einer beinahe einzigartigen, bis zur Vollendung entwickelten Genauigkeit der Beobachtung. (Per Hallström am 10. Dezember 1933 in der Verleihungsrede für den Nobelpreis) Iwan Bunin wurde 1933 als erster Russe mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015 |