Umberto Eco: Nullnummer (Roman) |
Umberto Eco: Nullnummer |
Inhaltsangabe:Bei dem 50 Jahre alten Italiener Colonna handelt es sich um einen erfolglosen Autor. Um sein Germanistik-Studium zu finanzieren, übersetzte er Texte vom Deutschen ins Italienische. Die deutsche Sprache hatte er bereits als Kind von seiner aus Südtirol stammenden Großmutter gelernt. Eigentlich wollte er über die Ironie bei Heinrich Heine promovieren, aber Professor Di Samis, den er sich als Doktorvater gewünscht hätte, war für das Thema nicht zu haben. Deshalb trägt Colonna keinen Doktortitel. Nach dem Studium verdiente er sein Geld als Tutor eines deutschen Schülers im Engadin, der zu dumm für die Schule war, aber drei Tage nachdem Colonna die sexuellen Annäherungsversuche der Mutter des Jungen zurückgewiesen hatte, wurde er wegen fehlender Fortschritte seines Schülers entlassen. In der Folgezeit schrieb er für ein Lokalblatt Theaterkritiken über Darbietungen auf Provinzbühnen und von gastierenden Tourneegruppen, korrigierte Druckfahnen für drei akademische Verlage und arbeitete als Ghostwriter. Seine Frau Anna verließ ihn nach zwei Ehejahren mit der Begründung, dass er ein geborener Verlierer sei. Damit hat er sich inzwischen abgefunden.
Die Verlierer haben, wie die Autodidakten, stets ein viel größeres Wissen als die Sieger, wenn du siegen willst, musst du eins und nur dieses eine wissen und darfst keine Zeit damit verlieren, auch noch alles andere zu lernen, das Vergnügen der Gelehrtheit ist den Verlierern vorbehalten. Am 6. April 1992 erhält Colonna ein Angebot von einem Mann namens Simei. Der wird als Chefredakteur zwölf Nullnummern einer neuen Zeitung mit dem Titel "Domani" vorbereiten. Colonna soll nicht nur der Redaktion angehören und die Artikel seiner Kollegen redigieren, sondern parallel dazu für Simei ein Buch über die Arbeit in der Redaktion schreiben und das Engagement des Chefredakteurs für unabhängigen Journalismus herausstellen.
"Natürlich sollen Sie während des ganzen kommenden Jahres dem Buch, dessen Inhalt wir Tag für Tag diskutieren, den Stil und die Würze geben, aber die großen Linien bestimme ich." Simei vertraut seinem Ghostwriter auch gleich ein Geheimnis an: Er rechnet damit, dass die Zeitung "Domani" niemals erscheinen wird, denn er geht davon aus, dass der Verleger, der Commendatore Vimercate, die Gründung einer investigativen Zeitung nur vortäuscht, um einige wichtige Leute mit Flecken auf der weißen Weste zu beunruhigen. Als Gegenleistung für seine Diskretion und den Verzicht auf das (Pseudo-)Projekt würde man ihn dann in die Kreise aufnehmen müssen, die in Italien das Sagen haben. "Der Commendatore will in den feinen Salon der Finanzwelt, der Banken und vielleicht auch der großen Zeitungen. Die Eintrittskarte ist das Versprechen einer neuen Zeitung, die keine Scheu hat, die ganze Wahrheit zu sagen. Zwölf Nullnummern, jeden Monat eine."
Finanziell kann der Commendatore sich das ohne weiteres leisten, denn er "kontrolliert Dutzende von Hotels an der adriatischen Küste, viele Altersheime für Rentner und Invaliden, eine Reihe diverser Geschäfte, über die viel gemunkelt wird, einige lokale TV-Stationen, die abends um elf zu senden anfangen und nur Versteigerungen, Verkaufsshows und ein paar Nuditäten bringen". Simei wiederum erwartet, dass er mit der Ankündigung eines Enthüllungsbuches über das "Domani"-Projekt viel Geld für den Verzicht auf die Veröffentlichung ernten kann. "Aber auch unsere Mitarbeiter, die wir morgen treffen werden, dürfen das nicht erfahren, denn die sollen bei ihrer Arbeit glauben, sie bauten sich eine Zukunft auf."
Die erste Redaktionskonferenz findet am nächsten Tag statt, am 7. April 1992. Simei stellt Colonna als Direktionsassistenten vor. Maia Fresia ist die einzige Frau im Team. Sie hat Philologie studiert, ist 28 Jahre alt und unverheiratet. Weil sie damals ihren inzwischen gestorbenen Eltern helfen musste, brach sie die Dissertation ab. Nach ihrer Arbeit in der Yellow Press möchte sie endlich ernsthaft für eine seriöse Zeitung schreiben. "Wunderbar!", sagte Simei. "Unsere Leser gehen nicht oft in chinesische Restaurants, womöglich gibt es gar keine da, wo sie wohnen, und sie würden sich niemals träumen lassen, mit Stäbchen zu essen wie die Wilden. Wieso geht dieser Typ zum Chinesen essen, werden die Leser sich fragen? Wieso isst er, wenn er ein seriöser Untersuchungsrichter ist, nicht Spaghetti oder Tagliatelle wie wir alle?" Auch in den folgenden Redaktionskonferenzen versucht Simei, die Mitarbeiter von seinen Ansichten zu überzeugen. Beispielsweise sieht er für "Domani" Interviews mit Buchautoren statt Rezensionen vor. "Interviews mit Autoren sind friedenstiftend, kein Autor spricht negativ über sein Buch und so werden die Leser nicht mit neiderfüllten und hochnäsigen Verrissen schockiert."
Lucidi berichtet über angebliche Ritterorden, die für viel Geld fiktive Titel anbieten, und schlägt vor, diese Praktiken unter die Lupe zu nehmen. Aber Simei lehnt das ab, denn damit würde man dem Verleger Vimercate zu nahe treten. Der bezeichne sich als Ehrenmitglied der Komturei von Santa Maria in Bethlehem und lasse sich deshalb als Commendatore ansprechen, erklärt Simei, aber diesen Orden gebe es in Wirklichkeit nicht. "Meine Liebe", sagte Simei begütigend, "ich werde Ihnen sagen, was passiert, wenn wir diese Geschichte publizieren. Erstens haben wir dann die Guardia di Finanza gegen uns, der Sie vorwerfen, den Betrug die ganze Zeit nicht bemerkt zu haben – und diese Leute wissen sich zu rächen, wenn nicht an uns, dann am Commendatore. Zweitens, Sie sagen's ja selbst, haben wir die Triaden gegen uns, die Mafia, die Camorra, die 'Ndrangheta oder wer sonst das sein mag [...]"
Nach der Redaktionskonferenz am 24. April vertraut Braggadocio seinem Kollegen Colonna an, dass er einen Scoop vorbereite, von dem der Chefredakteur noch nichts wisse. Er glaubt, nachweisen zu können, dass am 28. April 1945 in San Giulino di Mezzegra am Comer See nicht Benito Mussolini, sondern ein Doppelgänger erschossen wurde.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Als Colonna am 5. Juni zur Redaktionskonferenz kommt, ist Polizei da. Romano Braggadocio wurde in einer Gasse nahe der Via Torino mit einem Messer im Rücken tot aufgefunden. Der Inspektor von der Mordkommission fragt Colonna, ob dessen Kollege eine gefährliche Spur verfolgt habe. Colonna, der Braggadocio bisher für einen Mythomanen und Verschwörungstheoretiker hielt, befürchtet nun, dass er wegen seiner Recherchen umgebracht wurde, und das würde beweisen, dass er zumindest in entscheidenden Punkten Recht hatte. Um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen, tut Colonna also besser daran, so zu tun, als wisse er nichts von Braggadocios Nachforschungen. "Somit sind wir nun beide in Gefahr. Und damit nicht genug, hat vor zwei Stunden der Commendatore Vimercate einen Anruf bekommen."
Aufgrund eines Anrufs, über den Simei nichts weiter erfahren hat, hält der Commendatore Vimercate das Zeitungsprojekt jetzt für zu gefährlich. Der Chefredakteur erhielt den Auftrag, es unverzüglich zu beenden. Damit fällt auch die Grundlage für das geplante Buch weg. Simei will den nächsten Zug nach Lugano nehmen – ohne Gepäck, um nicht aufzufallen. Ich muss mich also beeilen, ehe sie es erneut versuchen, um die Diskette an einen sicheren Ort zu schicken.
Colonna fährt mit Maia zum Lago d'Orta und versteckt sich tagelang im Haus. Es war, als wäre der Film von Braggadocio gemacht worden, er enthielt alles, was Braggadocio zusammenphantasiert hatte. |
Buchbesprechung:
Umberto Ecos Roman "Nullnummer" ist eine gesellschaftskritische Mischung aus Politsatire und Agententhriller. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015
Umberto Eco (Kurzbiografie / Bibliografie) |