Hans Fallada: Der Trinker (Roman) |
Hans Fallada: Der Trinker |
Inhaltsangabe:
Der Lebensmittelgroßhändler Erwin Sommer ist einundvierzig Jahre alt und im fünfzehnten Jahr mit seiner Frau Magda verheiratet, die aufgrund der Folgen einer Fehlgeburt keine Kinder bekommen kann. Sommer fühlt sich von Magda entfremdet. Er verheimlicht ihr, dass er durch seine Nachlässigkeit einen Dreijahresvertrag für die Belieferung des örtlichen Gefängnisses mit eintausendfünfhundert Insassen verloren hat und die Bank ihm wegen seiner Verluste keinen Kredit mehr gewährt. Nach einem kleinen Streit holt er ausnahmsweise eine Flasche Rotwein aus dem Keller, die er vor einiger Zeit geschenkt bekam, und als er eineinhalb Gläser Wein getrunken hat, spürt er, wie seine geschäftlichen Sorgen und das Gefühl der Einsamkeit schwächer werden. Ich hatte mich aber in Hamburg nicht einmal betrunken, das muss ich hier ausdrücklich feststellen. Doch hatte ich dort die Gewohnheit der kleinen Gläschen zu jeder Tagesstunde, auch schon am frühen Vormittag, angenommen, eine Angewohnheit, die vielleicht noch verhängnisvoller ist als ein gelegentlicher schwerer Rausch [...] Nie ganz trunken, ja, eigentlich sehr weit ab von jeder Trunkenheit, und doch nie ganz nüchtern, verlebte ich dort meine Tage, und wenn ich zu Anfang noch bis zehn oder gar bis elf mit meinen ersten Schnäpschen gewartet hatte, so klingelte ich an den beiden letzten Tagen schon gegen acht Uhr dem Zimmermädchen und ließ mir meinen ersten doppelstöckigen Kognak ganz fromm und frei ans Bett bringen. (Seite 36) In der Nacht schleicht er im Pyjama in die Küche und leert die Reste aus drei Flaschen. Ich wechselte meine Ansicht, wie weit Magda mich durchschaute, fast stündlich. Meist war ich fest davon überzeugt, dass sie gar nichts ahnte, zu anderen Stunden, namentlich wenn ich missmutig und gereizt war, wusste ich es beinahe, dass sie mich ganz und gar durchschaute. (Seite 39) Gegen Magdas Vorwurf, ständig betrunken zu sein, verwahrt er sich: "[...] möchte ich dich wohl fragen, ob du mich je einmal hast torkeln sehen oder lallen hören? Ich nehme dann und wann ein Gläschen, das gebe ich ohne weiteres zu, aber ich vertrage es auch. Es macht mich klarer. Den Alkohol soll meiden, wer ihn nicht verträgt, das bin aber nicht ich." (Seite 41)
In der Landgaststätte lädt er alle an seinen Tisch ein und lärmt mit ihnen. Da kommt sein Hausarzt Dr. Mansfeld mit dem Amtsarzt Medizinaldirektor Dr. Siebing herein, und die beiden Herren setzen sich nach kurzem Gruß an einen der Tische. Sommer wagt es nicht mehr, sich noch ein Glas Schnaps einzugießen, doch als Elinor beim Kassieren die Sicht der Ärzte auf ihn verdeckt, verkorkt er rasch die angebrochene Flasche und packt sie in seine Aktentasche. Mansfeld will ihn nach Hause fahren, und Sommer bleibt nichts anderes übrig, als mit ihm und dem Medizinaldirektor in den Wagen einzusteigen. Als Mansfeld unterwegs bremsen muss, springt Sommer hinaus und läuft querfeldein davon. (Erst später erfährt er, dass ihn die beiden Ärzte in Absprache mit seiner Frau nicht nach Hause, sondern in eine Trinkerheilanstalt fahren wollten.) Endlich lag ich wieder auf meinem Bett, zu Tode erschöpft, von einer wahnsinnigen Angst gepackt: Nahte jetzt schon das Ende? So schnell schon? Ich hatte doch noch gar nicht lange und gar nicht übermäßig viel getrunken? Wurde man so schnell zu einem Trinker? So rasch also baute der Alkohol einen Körper ab? Nein, ich wollte noch nicht sterben! Ich hatte diese Trinkerzeit immer nur als ein Durchgangsstadium angesehen; ich war überzeugt gewesen, dass ich mit ihr jederzeit Schluss machen könnte, ohne Schädigung für mich – und nun schon sollte alles zu Ende sein? (Seite 56)
Weil Sommer am Morgen nicht in der Lage ist, aufzustehen und zur Bank zu gehen, verkauft Lobedanz den verpfändeten Ring. Ein zweiter Ring, die goldene Uhr und die lederne Aktentasche folgen. Lang gibt Lobedanz sich damit nicht zufrieden, und Sommer sieht sich schließlich gezwungen, in seine eigenen Villa einzubrechen.
Also, ich will von jetzt an ehrlich sein: ich kann dem Alkohol nicht sofort ganz abschwören, aber ich werde von nun an sehr mäßig trinken, vielleicht nur eine halbe Flasche pro Tag oder gar nur ein Drittel. (Seite 90)
Es bestürzt ihn, dass das Wachpersonal ihn statt mit "Herr Sommer" einfach nur mit dem Nachnamen anspricht. Der Staatsanwalt sorgt dafür, dass Sommer wegen Mordversuchs an seiner Frau eingesperrt bleibt.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Am nächsten Morgen geht Sommer wie jeden Tag wegen einiger Furunkel zum Verbinden. Der Pfleger verlässt kurz den Raum. Die Gelegenheit nutzt Sommer, um ein Röhrchen Schlaftabletten aus dem Arzneimittelschrank zu stehlen. Dabei entdeckt er ein Fläschen mit der Aufschrift "Alkohol 95%". Das gießt er am Waschbecken in ein Glas und füllt es mit etwas Wasser auf. Mit drei, vier Schlucken stürzt er die Flüssigkeit hinunter – und bricht ohnmächtig zusammen. |
Buchbesprechung:
Hans Fallada erzählt die bestürzende Geschichte konsequent in der Ich-Form aus der Sicht des Protagonisten Erwin Sommer und erweckt den Eindruck, dieser habe den Text zwischen dem 6. und dem 21. September 1944 in der Irrenanstalt von Strelitz verfasst. Demgemäß wirkt das Buch wie ein Bericht. "Der Trinker" ist das realistische, authentische und erschütternde Psychogramm eines Alkoholkranken. Bereits nach den ersten Seiten glaubt man, Erwin Sommer könne nicht tiefer fallen, aber er stürzt immer noch weiter ab. Der Trinker - Regie: Tom Toelle - Drehbuch: Ulrich Plenzdorf, nach dem Roman "Der Trinker" von Hans Fallada - Kamera: Achim Poulheim - Schnitt: Karin Nowarra - Musik: Jürgen Knieper - Darsteller: Darsteller: Harald Juhnke, Jutta Wachowiak, Christian Grashof, Deborah Kaufmann, Eberhard Esche, Mey Lan Chao, Dietrich Körner, Raidar Müller-Elmau, Thomas Neumann u.a. - 1995; 100 Minuten |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Hans Fallada (Kurzbiografie) |