Theodor Fontane: Grete Minde. Nach einer altmärkischen Chronik (Erzählung) |
Theodor Fontane: Grete Minde |
Inhaltsangabe:
Jakob Minde ist ein angesehener Kaufmann und Ratsherr in Tangermünde. Er heiratete die Tochter eines vermögenden Händlers aus Stendhal. Aus dieser Ehe stammt der Sohn Gerdt. Nachdem seine Frau gestorben war, vermählte er sich noch einmal, und zwar mit einer katholischen "Span'schen", die er auf einer Geschäftsreise in Brügge kennengelernt hatte. Im streng protestantischen Tangermünde – die Geschichte spielt Anfang des 17. Jahrhunderts – wird diese Verbindung mit einer "andersgläubigen" und südländisch aussehenden Frau von der Bürgerschaft nicht gutgeheißen. Das Mädchen, das sie zur Welt bringt heißt Grete und hat schwarze Augen wie die Mutter. Jakob Mindes zweite Frau stirbt ebenfalls.
Lass doch Trud, und gönn's ihnen. 's ist nichts mit alter Leute Zärtlichkeiten, und ich wollt', ich stünde wieder, wie heute die Grete stand. Es war so hübsch und ich hatt' eine Freude dran. [...] (Seite 16ff)
Eine Schauspieler-Truppe zieht in die Stadt ein und verkündet, dass sie am Abend eine Vorstellung geben wird: "Das Jüngste Gericht". Grete kann Trud überreden und darf sich das Puppenspiel mit Emrentz und Valtin ansehen. Das Mädchen ist beeindruckt von den Kulissen und Kostümen und verfolgt fasziniert die Aufführung. Dann erschüttert plötzlich ein Knall die Bühne und Feuer bricht aus. Ein brennender Papierpfropfen war in ein Vorratsfass mit Feuerwerkskörpern gefallen. Die Zuschauer hasten in Panik davon und überrennen die auf den Boden gestürzten Flüchtenden. Auch Grete ist in der kopflos davonlaufenden Menge. Hätte Valtin sie nicht furchtlos und umsichtig aus dem Tumult herausgeführt, wäre wohl Schlimmes passiert. "Und an mir sehen sie vorbei, als wär' ich der Schatten an der Wand. Ach, ich weiß, es ist eine Sünd', aber ich muss mir's heruntersprechen von der Seel', und wahr ist es und bleibt es, ich hass' es." [...] "Und wenn es hübsch wär'. Aber es ist so hässlich und sieht mich an, als erriet' es all' meine Gedanken: Ach, Valtin, das ist mein Tag und mein' Nacht. Und so leb' ich. In meines Vaters Haus ohne Heimat! Unter Bruder und Schwester, und ohne Liebe! Es tötet mich, dass mich niemand liebt." (Seite 51)
Valtin beteuert, dass er für sie dasein und alles tun werde, was sie von ihm verlange. Selbst wenn sie fort wolle, würde er mit ihr gehen. Dieses Versprechen macht Grete zuversichtlich. "Ich mag nicht mehr nach Haus. Mir ist, als wäre dies mein letzter Tag, und als müsst' ich fort. Heute noch. Gleich. Willst du?" (Seite 64)
Valtin erinnert sich zwar an sein Versprechen, für sie da zu sein, aber im Grunde billigt er ihr Vorhaben nicht. Grete bringt ihn immerhin dazu, sie in einer halben Stunde im Garten zu treffen. "Eine fahrende Frau war sie [die Mutter Gretes], und keiner weiß, woher sie kam. Aber jetzt kennen wir sie, denn wir kennen dich. Eine fremde Brut seid ihr, und der Teufel sieht euch aus euren schwarzen Augen." (Seite 66) Grete lässt sich das nicht gefallen, keift zurück und beschuldigt Trud der Lüge. Daraufhin schlägt diese mit der Hand nach ihr. Im Taumeln greift Grete nach dem über der Wiege abgelegten Gürtel Truds und schleudert ihn ihr ins Gesicht. Die Verletzung auf der Wange ihrer Pflegemutter erschreckt sie nicht, im Gegenteil: der Anblick gibt ihr das Gefühl "ihres befriedigten Hasses und ihrer errungenen Freiheit". (Seite 67) Ja, Freiheit! Sie war dieses Haus nun los. Denn das stand fest in ihrer Seele, dass sie nicht länger bleiben könne. Fort. Gleich. Und sie flog die Treppe hinab und über Flur und Hof in den Garten. (Seite 67)
Wie verabredet kommt Valtin. Sie erzählt ihm den Vorfall, und er ist bereit, mit ihr wegzugehen. Als Grete ins Haus zurückkehrt, um ein paar Sachen zusammenzupacken, hört sie, wie Trud zu ihrem Mann sagt, dass sie "die Hexe nicht länger um sich haben" wolle. Das Beste wäre, sie zu den Nonnen nach Arendsee zu geben, denn im Grunde habe sie ja noch immer "ein katholisch Herz". "Buße! Nein Grete, du bist nicht bußfertig geworden. Ich kenne dich besser, dich und deinen stolzen Sinn. Und in deiner Stimme klingt nichts von Demut. Auch wenn du Demut gelernt hättest, unsere Schwester kann nicht unsere Magd sein. Das verbietet uns das Herkommen und das Gerede der Leute." (Seite 99)
Auch das Argument Gretes, sie wegen des Kindes aufzunehmen oder sich zumindest als Vormund um es zu kümmern, stimmt Gerdt nicht um. Sie sei als Bittende gekommen, nicht als Bettlerin, hält sie ihm vor. Und wenn er ihr nicht helfen wolle, fordere sie als des reichen Jakob Mindes Tochter ihr Erbe. Es stehe ihr kein Erbe zu, weist er sie ab, und das sei sein letztes Wort. Trud schilt ihn später, er hätte sie "aus Geiz und Habsucht und um Besitz und Goldes willen" nicht abweisen dürfen; es werde bestimmt ein Unheil geben. Grete ist gekränkt, weil Gerdt sie kaltblütig abfertigte; von Trud hätte sie nichts anderes erwartet. "Meines Vaters Kind, Peter Guntz, aber nicht meine Schwester. Damit ist es nun vorbei. Sie fuhr hoch, als sie noch mit uns war; nun fährt sie niedrig, und steht vor euch und mir und birgt ihr Kind unterm Mantel. Fragt sie, wo sie's her hat. Am Wege hat sie's geboren. Und ich habe nichts gemein mit Weibern, die zwischen Heck' und Graben ihr Feuer zünden und ihre Lagerstatt beziehn. Unglück? Wer's glaubt. Sie hat's gewollt. Kein falsch Erbarmen, liebe Herren. Wie wir uns betten, so liegen wir." (Seite 107)
Grete hebt ihr Kind in die Höhe, wie um zu zeigen, dass sie nichts zu verheimlichen hat und geht. Peter Guntz ist nicht wohl bei dem Urteil, das er sprechen musste. "Ein unbillig Recht, ein totes Recht." Sie bückte sich und tappte nach ihrem Bündel, das sie beiseitegelegt, und als sie's gefunden und sich wieder aufgerichtet hatte, gab es in dem Dunkel einen blassen, bläulichen Schein, wie wenn sie einen langen Feuerfaden in ihrer Hand halte. Und nun ließ sie den Faden fallen und kroch, ohne sich umzusehen, aus der Fachwerköffnung wieder ins Freie hinaus. (Seite 108)
Grete geht nicht gleich in die Stadt zurück, sondern setzt sich auf eine Mauer und wartet lange – bis sie aus der Dachöffnung schwarzen Qualm und und rote Funken kommen sieht. Gleich darauf brennen die Nachbarscheunen, und nach einer Viertelstunde steigt an zwanzig Stellen Feuer auf. Von allen Kirchen läuten die Glocken Sturm. Da nimmt Grete ihr Kind auf den Arm und geht an den brennenden Scheunen entlang in die Stadt. Von den in Panik fliehenden Menschen unbemerkt, gelangt sie zu Gerdts Haus und beobachtet durchs Fenster Trud mit ihrem Knaben. Heimlich schleicht sie sich in die Wohnung und steht plötzlich hinter den beiden. Vor Schreck sinkt Trud ohnmächtig um. Den Jungen reißt Grete mit sich fort. Er ist so verängstigt, dass er sich nicht wehrt und sie ihn zum Kirchturm von Sankt Stephan zerren kann, wo sie ihn bis in das Glockengestühl hochtreibt. Dort stößt sie die Läden auf und schaut auf die Stadt hinunter, in der das Feuer tobt. Die auf dem Kirchplatz versammelten Menschen, unter denen sie – wie erhofft – auch Gerdt entdeckt, blicken zu ihr hoch. Grete packt den Jungen, hebt ihn hoch, und alle können ihn im Feuerschein sehen. Gerdt sinkt in die Knie und schreit um Hilfe. Als er dann zum Kirchenportal rennt, stürzen auch schon die Schindeldecke und das Glockengebälk in die Tiefe. |
Buchbesprechung:
Die Geschichte spielt Anfang des 17. Jahrhunderts in Tangermünde. Originaltitel: Grete Minde. Der Wald ist voller Wölfe – Regie: Heidi Genée – Drehbuch: Heidi Genée, nach der Erzählung "Grete Minde" von Theodor Fontane – Kamera: Jürgen Jürges – Schnitt: Heidi Genée – Musik: Niels Janette Walen – Darsteller: Katerina Jacob, Siemen Rühaak, Hannelore Elsner, Tilo Prückner, Brigitte Grothum, Käthe Haack, Hilde Sessak, Martin Flörchinger, Horst Niendorf, Angelika Hillebrecht, Evelyn Meyka, Alexander May, Jan Groth, Hans Karl Friedrich, Helga Storck u.a. – 1977; 100 Minuten Die Erzählung von Theodor Fontane bildete auch die Vorlage für die anlässlich der Tausendjahrfeier der Stadt Tangermünde im September 2009 auf dem Pfarrhof der St. Stephankirche uraufgeführte Oper "Grete Minde" von Sören Nils Eichberg (Musik) und Constanze John (Libretto). |
Inhaltsangabe und Rezension: © Irene Wunderlich 2010
Grete Minde (Biografie) |