Helen Garner: Das Zimmer (Roman) |
Helen Garner: Das Zimmer |
Inhaltsangabe:
Von Helen erfahren wir zunächst nur, dass sie Mitte sechzig ist, ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin und Journalistin verdient, in Melbourne lebt und verheiratet war. Im Nachbarhaus wohnen ihre Tochter Eva und ihr Schwiegersohn Mitch mit der fünfjährigen Tochter Bessie und dem Baby Hughie.
"Sie haben mir ein paar Backenzähne gezogen."
Als sie zum Institut fahren, heißt es, Professor Theodore habe zu einem Ärztekongress nach China reisen müssen. Auf Dr. Tuckey, der ihn vertritt, müssen sie vier Stunden warten, obwohl sie einen Termin haben. Nicola soll in
Sterben machte Angst. (Seite 70) Nach der Vitamin-C-Infusion leidet Nicola unter starken Schmerzen, aber sie meint: "Keine Sorge [...] Die Schmerzen kommen ja nur von der Behandlung – daran merkt man, dass sie wirkt. Das sind einfach die Gifte, die ausgetrieben werden." (Seite 49) In der Nacht uriniert sie ins Bett und schwitzt mehrere Nachthemden durch. Helen hat alle Hände voll zu tun und findet selbst kaum Schlaf. Schlimmer als die Belastung durch die Pflege ist es für Helen, mit ansehen zu müssen, dass Nicola das Sterben nicht wahrhaben will und sich die Möglichkeit einer Heilung einredet. Von Palliativmedizin will sie nichts wissen. "Weil das die letzte Stufe vor dem Tod ist." (Seite 65)
Immerhin lässt sie sich vor dem nächsten Termin im Theodore Institute zu der Ärztin Naomi Caplan bringen und Morphium-Tabletten verschreiben. "Ich bin ganz sicher, dass diese Behandlung den Krebs austreibt – in zehn Tagen werde ich schon wieder topfit und auf dem Wege der Heilung sein. Dieses Palliativzeugs ist nur, damit Hel sich nicht so völlig alleingelassen und hilflos fühlt – meine arme alte Hel." (Seite 81) Professor Theodore kommt aus China zurück. Nach einer ersten Untersuchung verordnet er Nicola Einläufe mit Bio-Kaffee und rät ihr, täglich ein Dutzend Aprikosenkerne zu kauen. Als Helen Zweifel an den Behandlungsmethoden äußert, entgegnet Nicola:
"Aber das ist die einzige Möglichkeit [...] Wenn ich nicht daran glaube, ist die einzige Alternative, mich hinzulegen und zu sagen, okay, ich gebe auf. Ich sterbe. Krebs, komm her und pack mich." (Seite 97) Übers Wochenende kommen Iris und Gab aus Sydney. Gab recherchiert im Internet und findet heraus, dass es sich bei "Professor" Theodore um einen Veterinärmediziner handelt. Helen klagt:
"Ich habe kaum eine Nacht geschlafen, seit sie da ist [...] Ich kaufe ein, ich koche, ich putze. Ich wimmle die Telefonate ab, die sie nicht annehmen will. Ich bin Dienstmädchen. Und Waschfrau. Ich schleppe ihre Scheißmatratze durch die Gegend und stelle sie in die Sonne. Und das ist alles in Ordnung – völlig in Ordnung – ich würde wirklich alles für sie tun. Aber dann hat sie mir vorige Woche mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass sie 'keine Pflegerin braucht'." (Seite 121)
Als die Packung Morphium-Tabletten verbraucht ist, wenden Helen und Nicola sich erneut an Naomi Caplan. Die Ärztin wundert sich darüber, dass die Patientin keinen Arztbrief aus Sydney bei sich hat und überweist sie an den Onkologen John Maloney, der sie für eine Magnetresonanztomographie und ein Knochen-Szintigramm in die benachbarte Mercy Private Clinic schickt. Nachdem er sich die Aufnahmen angeschaut hat, erklärt er den beiden Frauen, dass bei Nicola ein Halswirbel zerfressen und praktisch durch Tumorgewebe ersetzt ist. Jede heftige Bewegung kann zur Querschnittlähmung führen. Er hält deshalb eine sofortige Operation für erforderlich. Mir war ganz schlecht vor Scham, ich wütete gegen mich selbst wegen meiner Wut, wütete gegen den Tod, weil es ihn gab, weil er sich bei ihr so viel Zeit ließ und so grausam war. (Seite 173)
Nicola weiß sogleich Rat: Sie wird ins Windsor Hotel umziehen und sich dort von früheren Schulfreundinnen pflegen lassen, die in Melbourne leben. |
Buchbesprechung:
In ihrem Roman "Das Zimmer" veranschaulicht Helen Garner, wie sich die todkranke Patientin Nicola an alternative Therapien klammert, weil sie die Hoffnung nicht aufgeben und das Sterben nicht wahrhaben will. Ebenso authentisch wirkt der Zorn, mit dem ihre Freundin Helen – die wohl nicht zufällig den Vornamen der Autorin trägt – auf Nicolas Selbsttäuschung und ihre eigene Überforderung reagiert. Nebenbei geht es um Scharlatane, die viel Geld mit dubiosen Behandlungsmethoden verdienen und die Verzweiflung ihrer Patienten skrupellos ausnutzen. Nicht zuletzt handelt "Das Zimmer" auch von einer engen Freundschaft. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010 |